Krampfadern schonend behandeln |
06.09.2004 00:00 Uhr |
Phlebologie
Dicke Krampfadern am Bein sind nicht nur kosmetisch störend, sondern können langfristig gefährlich werden. Spezialisten steht heute eine breite Palette an Verfahren, die das Venensystem sanieren, zur Verfügung. Welche Methode das Leiden am besten bannt, entscheidet der Phlebologe im Einzelfall.
Ins Unterhaut- und Fettgewebe eingebettet, durchziehen die oberflächlichen Venen als Drainage- und Zubringeradern die Beine. Unendlich viele kleine Gefäße sammeln dabei das Blut aus dem Gewebe. Schließlich münden sie über größere Seitenäste in die beiden Rosenadern oder Stammvenen. Die Vena saphena magna entspringt am Innenknöchel des Fußes und verläuft innen am Bein bis zur Leistenbeuge. Hier fließt sie mit der tiefen Leitvene des Oberschenkels, der Vena femoralis, zusammen. Die Vena saphena parva zieht sich vom äußeren Fußknöchel über die Rückseite des Unterschenkels bis zur Kniekehle, wo sie sich mit der tiefen Kniekehlenleitvene oder Vena poplitea vereint. Perforansvenen verknüpfen die tiefen und oberflächlichen Bahnen.
Im gesunden Bein fließt das Blut nach strengen Regeln. Wie durch Einbahnstraßen darf es nur von unten nach oben und von außen nach innen fließen. Schleusenartige Klappen sorgen dafür, dass sich kein Tropfen in die falsche Richtung mogelt. Durch unterschiedliche Faktoren wie hohes Alter oder stehende Tätigkeit können die Mündungsventile jedoch insuffizient werden, wodurch das Blut wieder rückwärts strömt und dann in den beiden Rosenvenen, aber auch in Perforanten oder Seitenästen versackt. Der Druck in den Gefäßen steigt an und die Venen erweitern sich. Langfristig führt der Rückstau des Blutes zu einer dauerhaften Erweiterung der Gefäße. Die bekannten knotigen, oft geschlängelten Krampfadern (Varizen) entstehen. Wer hier nicht handelt und einen Fachmann aufsucht, riskiert, dass die anfangs scheinbar harmlosen Krampfadern als unheilbares offenes Bein enden.
Minimale Belastung
Eine chirurgische Therapie der Varizen soll die Funktionsfähigkeit des venösen Systems wieder herstellen und die betroffenen Venenabschnitte entfernen. Damit die Behandlung einen Krampfaderngeplagten möglichst wenig behelligt, streben Phlebologen heute danach, minimalinvasiv zu operieren. Die wenigen und winzigen Schnitte, idealerweise Nadelstiche, die der Arzt meist unter schonender Lokalanästhesie setzt, belasten kaum. Dabei ist es unumgänglich, dass der Arzt ein individuelles Konzept für seinen Patienten ausarbeitet. „Es existiert keine einzelne perfekte Therapieform, die auf einen Schlag alle Probleme löst. Nur wer einzelne Arbeitsschritte geschickt zu kombinieren vermag, erzielt nachhaltig Erfolg“, sagte Dr. Jordan Rechner von der Bodenseeklinik Lindau in einem Gespräch mit der PZ.
Um das gestörte System zu sanieren, verfügen Mediziner heute über mannigfaltige Möglichkeiten. Dabei existieren verschiedene Vorgehensweisen. Zum einen können die krankhaften Venen oder Gefäßabschnitte entfernt werden, wodurch das Blut gezwungen ist, sich andere Wege zu suchen und wieder in den richtigen Bahnen zu fließen. Hierzu zählen die verschiedenen Formen des Stripping sowie das Trivex-Verfahren. Zum anderen können, vor allem bei kleineren Venen, die betroffenen Gefäße verschlossen, aber im Bein gelassen werden (Veröden, VNUS-Closure-Verfahren, Endo-Laser). Außerdem gibt es auch Methoden, bei denen die Venen erhalten bleiben, aber der Blutfluss korrigiert wird, wie die externe Valvuloplastie und das CHIVA-Verfahren.
Zu den anerkannten Verfahren zählen laut Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie die Crossektomie, das Venenziehen (Stripping), die Perforansligatur, die Miniphlebektomie der Seitenäste und die Sklerosierung. Neben diesen erprobten Verfahren, die einem medizinischen Standard gehorchen, existieren auch Methoden, bei denen wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweise oder Langzeiterfahrungen noch fehlen. Dazu zählen die Trivex-Venenektomie, die externe Valvuloplastie (EVP), aber auch CHIVA, VNUS-Closure oder verschiedene Laserverfahren.
„Jeder, der sichergehen will, sich auch wirklich in gute Hände zu begeben, sollte sich an einen qualifizierten und besonders erfahrenen Mediziner wenden“, rät Dr. Markus Stücker von der Universitätshautklinik Bochum. „Zudem minimieren routinierte Kollege das Rezidivrisiko, egal nach welchem Verfahren sie operieren“.
Operieren ohne großen Schnitt
Vor dem Entfernen der großen Venen muss das kranke Gefäß vom restlichen System abgetrennt werden. Dies geschieht bei Insuffizienz der Vena saphena magna in der so genannten Crossektomie. Hierbei setzt der Chirurg direkt unterhalb der Leiste einen kleinen Schnitt und legt die Stelle frei, wo die große oder kleine Rosenvene zusammen mit anderen oberflächlichen Seitenästen in die tiefe Leitvene mündet und eine Art Kreuzung (die Crosse) bilden. Diese Verbindung schnürt er mit allen einmündenden Seitenästen ab und durchtrennt sie schließlich.
Der Crossektomie schließen sich in der Regel die verschiedenen Formen des Stripping an, das Entfernen der geschädigten Stammvene. Im Gegensatz zu früher setzt die moderne Chirurgie heute weniger auf Verfahren, die das kranke Gefäß komplett entfernen, als auf Möglichkeiten, marode Abschnitte partiell zu behandeln. Verbleibende Gefäßabschnitte können durch Seitenzweige zu anderen Gefäßen noch zur Drainage der Beine beitragen oder werden verödet. So können die gesunde Venenstrecken irgendwann als Lebensretter dienen, beispielsweise, wenn Gefäßstücke für eine Bypass-Operation benötigt werden.
Beim Stripping schiebt der Arzt einen Draht, an dessen Ende ein kleines abgerundetes Käppchen sitzt, von der Leiste bis zum jeweiligen Insuffizienzpunkt durch die Vene. Ist die Drahtspitze dort angelangt, zieht der Chirurg kräftig am oberen Ende. Dadurch gleitet das Köpfchen zurück und hängt sich wie ein Widerhaken am Gefäß ein. Jetzt lässt sich die Vene herausziehen. Alternativ arbeiten manche Ärzte mit so genannten PIN-Strippern. Hier wird die Vene am Drahtende regelrecht angeknotet. Wenn der Phlebologe zieht, stülpt sie sich um und fädelt sich dadurch selbst auf.
Andere Mediziner entfernen die krankhaften Venen mit Kälte. Bei der Kryoresektion treibt der Spezialist behutsam eine starre Sonde in die defekte Vene. Flüssiger Stickstoff kühlt diese auf -85 Grad Celsius ab, sodass die Venenwand anfriert und abbricht. Jetzt kann der Chirurg die abgetrennte Ader herausziehen. Für kranke Seitenäste eignet sich schließlich die Miniphlebektomie. Hier genügen winzige Stiche in die Haut, über die der Mediziner spezielle Häkchen ins Gewebe einbringt und die kaputten Adern entfernt.
Wenn sich der Venenfluss im System umkehrt, sind meist auch die Perforanten maßgeblich beteiligt. Deshalb sollten insuffiziente Verbindungsadern operiert werden – besonders dann, wenn sich auf der Haut bereits Zeichen eines chronischen Ulcus mit trophischen Störungen und einem offenen Bein abzeichnen. Hier erlaubt es die moderne Videoendoskopische Dissektion (ESIDP), multiple dicke Perforansvenen schonend zu sanieren, ohne das angeschlagene Hautareal zu verletzen. Bei dieser Methode setzt der Mediziner einen winzigen Schnitt knapp unterhalb des Knies in die gesunde Haut und bringt einen Endotubus vorsichtig ins Gefäß ein. Damit sucht er den oder die maroden Gefäßabschnitte auf, verschließt und durchtrennt sie. Eine Kamera überträgt jeden Handgriff auf einen Monitor, so dass der Arzt die einzelnen Schritte genau verfolgen und gezielt operieren kann.
Eine neue Methode, die erst seit 2000 in Deutschland angewendet wird, ist das Trivex-Verfahren (transilluminated powered phlebectomy). Hier macht der Chirurg die erkrankten Gefäßabschnitte mithilfe einer unter die Haut eingeführten Lichtsonde sichtbar. Die betroffenen Stellen kann er dann mit einem speziellen Resektor, der einen rotierender Messerstab besitzt, entfernen und durch das hohle Schneidwerkzeug absaugen. Das minimal-invasive Verfahren kann ambulant eingesetzt werden.
Mit Schaum, Schirm und Laser
Das Veröden von Gefäßen eignet sich vor allem für wenig ausgeprägte Krampfadern oder kleine intracutane Varizen und Besenreiser, aber bei entsprechender Indikation auch für Stammvarizen. Bei diesem Verfahren schädigen Polidocanol, Radiowellen oder monochromes Licht die Innenwand einer Ader so sehr, dass sie verklebt. Der Wirkstoff provoziert eine Entzündung, während die hochfrequenten Wellen und der Laser das Endothel erhitzen. Im Anschluss an den Eingriff wächst zunächst ein sekundärer, lokaler Thrombus, der das Gefäß zusetzt. Schließlich verwandelt sich die Vene in einen bindegewebigen Strang, der sich nicht mehr rekanalisieren lässt. Das Blut muss sich einen anderen Weg zurück zum Herzen suchen.
Gelangt Polidocanol allerdings ins Gewebe, kann es schwere Schäden hervorrufen – besonders, wenn es zu hoch dosiert wird. In seltenen Fällen reagieren die Patienten zudem allergisch auf die Substanz. Deshalb setzen Ärzte heute zunehmend häufiger auf die schonendere Sklerosierung mittels Schaum. Hier wird der Wirkstoff beim Aufziehen in eine verschlossene Glasspritze durch die am Stempel eindringende sterile Raumluft in einen feinblasigen, stabilen Schaum verwandelt. Ähnlich wie Milchschaum, der beharrlicher an einem Strohhalm klebt als Milch, benetzt auch aufgeschäumtes Sklerosierungsmittel die Gefäßwand länger. Dadurch wirkt es in entsprechend geringerer Konzentration stärker und gezielter als die Substanz im Urzustand. Zudem verdrängt der feste Mikroschaum das Blut, indem er es im Gefäß vor sich herschiebt. So kann sich das Blut kaum mit der Verödungssubstanz vermischen und sie wieder abtransportieren. Mit einem Katheter platziert der Chirurg den Schaum exakt, per Ultraschall überwacht er das Vorgehen. „Mit der endovenösen Duplex-kontrollierten Schaum-Sklerosierung (EVS) trauen wir uns sogar, Stammvarizen, auf die bis vor kurzem noch das Skalpell wartete, zu veröden“, erklärt Dr. Uli Taucher von der Münchener Klinik für Beinleiden.
Die Therapie mit Laser nutzt statt des Wirkstoffs die Hitze des Lichtes, um die Venenwand von innen zu verschmoren. Nach percutaner Punktion des unteren Abschnitts der beschädigten Vene appliziert der Chirurg eine dünne Laserfaser über einen Katheter bis zum jeweiligen Insuffizienzpunkt. Den exakten Sitz der Kanüle kontrolliert er per Ultraschall. Schließlich beschießt das Gerät die Venenwand in kurzen Pulsen mit 1000 Grad Celsius heißer Laserenergie. Die Dampfblasen, die sich in den roten Blutkörperchen entwickeln, schädigen das Endothel, wodurch es sich zusammenzieht. Seit ungefähr vier Jahren existiert ein Verfahren, das einen Laser mit einer Wellenlänge von 1064 nm transdermal auf Besenreiser richtet. „Wir schaffen es, die Wand der minimal erweiterten Äderchen über die Haut punktgenau zu verkleben“, erklärt Dr. Manuel Harrer niedergelassener Laserchirurg aus Nürnberg.
Auch das VNUS-Closure-Verfahren bedient sich der Hitze, um zum Beispiel eine defekte vordere Stammvene von innen heraus zuzuschmoren. Allerdings sind es diesmal Radiowellen, die dem kaputten Gefäßabschnitt den Garaus machen. Wieder führt der Phlebologe über einen feinen Katheter eine schmale Sonde ein. An ihrer Mündung öffnet sich ein winziger Schirm, der sich eng an das betroffene Areal der Venenwand anlegt und die 85 Grad Celsius heißen, zerstörerischen Strahlen aussendet.
Blutfluss gezielt korrigieren
Die „Cure hémodynamique de l`insufficiance veineuse en ambulatoire“ oder kurz CHIVA-Methode will funktionstüchtige Stammvenen erhalten, aber dennoch die Pathohämodynamik beseitigt. Dabei macht sich der Phlebologe mittels Duplexsonogaphie ein genaues Bild vom Strömungsverhalten des Blutes im Bein, unterbricht die Ader gezielt an den Stellen mit den insuffizienten Klappen und zwingt so das Blut, physiologisch korrekt zu fließen.
Die externe Valvuloplastie (EVP) und das Bandaging setzen am erweiterten Lumen maroder Venen an, das verantwortlich dafür ist, dass die Venenklappen nicht mehr schließen. Um die Vene zu verengen, wird sie mit Fäden, Manschetten beispielsweise aus Polyester, neuerdings auch mit Kunststoffstreifen umgeben.
Nach allen operativen Eingriff muss der Patient am betroffenen Bein für einige Wochen prophylaktisch einen Kompressionsstrumpf tragen, um Blutergüsse, Nachblutungen, Ödeme und Narben zu verhindern. „Ebenso raten wir allen, sich nach einer Operation regelmäßig einmal im Jahr einer Kontrolle zu unterziehen, damit wir eventuelle Rezidive bereits im Keim ersticken können“, sagt Dr. Thomas Noppeney aus Nürnberg.
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