Atemwegsinfektionen im Flieger |
21.06.2004 00:00 Uhr |
Ein Fünftel aller Passagiere fängt sich im Flugzeug eine Erkältung ein. Ursache für die hohe Infektionsgefahr ist nicht die häufig verdächtigte Klimaanlage, sondern vielmehr das enge Nebeneinander der Reisenden, was die Übertragung von Keimen begünstigt.
Nur Fliegen ist schöner? Der bekannte Slogan findet allerdings nicht die ungeteilte Zustimmung der Reisemediziner. Flugreisen sind zwar insgesamt bequem und risikoarm, aber die Bedingungen während des Aufenthalts an Bord, bergen auch Gefahren. So haben inzwischen mehrere Studien einen Zusammenhang zwischen Langstreckenflügen und tiefen Venenthrombosen hinreichend belegt. Zudem stehen neben den typischen Begleiterscheinungen wie Schwindel, Ohrenschmerzen und Übelkeit Erkrankungen der oberen Atemwege an erster Stelle. So ist jede zweite Erkrankung von Piloten und Flugpersonal eine HNO-Erkrankung, die sogar in schwerwiegenden Fällen durch eine Chronifizierung zu einer andauernden Fluguntauglichkeit und damit zu einer Berufsunfähigkeit führen kann.
Nasenschleimhäute befeuchten
Da die Kabine als weitgehend keimfrei betrachtet werden kann, ist die Klimaanlage als Erregerquelle auszuschließen. „Vielmehr scheint das enge Nebeneinander der Passagiere Hauptursache für die hohe Infektionsgefahr zu sein“, sagte Dr. Thomas Wittig, Leiter der medizinischen Abteilung bei Pohl-Boskamp auf einer Presseveranstaltung in Arta. Eingepfercht in enge Sitzreihen hätten die Reisenden keine Chance, einen Sicherheitsabstand zu wahren, so dass Keime leicht übertragen werden können.
Zudem macht die niedrige Temperatur und Luftfeuchtigkeit dem Immunsystem zu schaffen. So sinkt die Luftfeuchtigkeit, die beim Start bei etwa 45 Prozent liegt, innerhalb der ersten Flugstunde auf bis zu 10 Prozent ab und verbleibt für den Rest der Flugdauer auf diesem Niveau. Grund für die geringe Luftfeuchtigkeit ist die kalte und trockene Außenluft, die zur Klimatisierung des Flugzeugs verwendet wird. Die verbleibende Feuchtigkeit besteht ausschließlich aus der Ausatmungsluft der Passagiere.
Die mangelnde Luftfeuchtigkeit führt dazu, dass die Flimmerhärchen in den Schleimhäuten von Mund und Rachen mehr und mehr austrocknen und von Erkältungsviren leichter überwunden werden können. Deshalb sollte man während des Fluges ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen und gegebenenfalls die Schleimhäute mit einem Nasenspray befeuchten, empfahl der Mediziner. Hier habe sich besonders eine sterile, isotonische Meerwasserlösung bewährt. Noch besser wirke Sesamöl, da das Öl die Nasenschleimhäute dauerhaft befeuchtet, den Wasserverlust reduziert und den Flüssigkeitspegel wieder ausgleicht.
Radikalfreisetzung wird gedrosselt
Um die drohende Erkältung abzuwehren, reagiert das Immunsystem mit der Freisetzung von Mediatoren und Leukozyten. „Diese Abwehrreaktion ist gewollt und notwendig“, betonte Wittig. Allerdings entstehen – sozusagen als Nebenreaktion der Abwehrfunktion aktive Sauerstoffspezies, die zu einer Entzündung der Basalmembran der Atemwege führen und somit das Endothel als Barriere gegen Erreger schwächen.
Genau hier scheint der pflanzliche Wirkstoff Myrtol standardisiert (Gelomyrtol® forte) einzugreifen. Das Phytopharmakon ist antioxidativ wirksam (siehe Abbildung), wie die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Erich F. Elstner vom Lehrstuhl für Phytopathologie in Freising-Weihenstephan nachwies. Der pflanzliche Wirkstoff interagiert mit der Leukozytenmembran und kann die überaktivierte Radikalfreisetzung deutlich drosseln, wenn auch nicht gänzlich verhindern. Dabei sei der pathophysiologische Mechanismus noch nicht vollständig geklärt, so Wittig. Die Forscher vermuten, dass die Beeinflussung von Calciumkanälen die überaktivierte Radikalfreisetzung reduziert.
Vergleichende Untersuchungen mit Acetylcystein zeigten, dass die Substanz dagegen lediglich oberflächlich mit den Endothelzellen der Basalmembran interagiert und keinen direkten Einfluss auf die Radikalfreisetzung hat.
Um die Atemwege auf den kommenden Stress vorzubereiten, könnten Reisende am Tag vor dem Abflug als vorbeugende Maßnahme Kapseln mit dem pflanzlichen Wirkstoff Myrtol standardisiert einnehmen, so der Mediziner.
© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de