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Alter als Krankheit

28.05.2001  00:00 Uhr

Alter als Krankheit

von Stephanie Czajka, Berlin

Ist der Alterungsprozess eine "chronisch degenerative Systemerkrankung"? Wer das so sieht wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anti-Aging Medizin (GSAAM) Dr. Alexander Römmler, für den ist Altern ein "pathophysiologischer Vorgang" und daher behandlungsbedürftig. In Berlin beschäftigte sich vergangene Woche der erste Kongress der seit zwei Jahren existierenden GSAAM mit Maßnahmen gegen das Altern (Anti-Aging).

Große Fortschritte in der Erforschung der Alterungsvorgänge werde die DNA-Festplattendiagnostik bringen, meinte Professor Dr. Dr. Johannes Huber, Gynäkologe an der Universitätsklinik in Wien. Mit Hilfe der Gen-Chips können Genmutationen und exprimierte Gene schnell und routinemäßig identifiziert werden. Es fällt also leichter, Unterschiede zwischen jung und alt sowie zwischen einzelnen Individuen zu erkennen.

Von Bienen lernen

Bei Bienen wurden die Methoden bereits angewandt. Arbeiterbienen leben sehr viel kürzer als ihre Königinnen, obwohl sie das gleiche Genom haben. Es zeigte sich, dass bei der Bienenkönigin genau die Gene vermehrt exprimiert waren, deren Expression bei alternden Menschen zuerst abnimmt. Im Wesentlichen sind das Gene, die in den Mitochondrien an der Bildung des Energieträgers ATP beteiligt sind. Stattdessen werden vermehrt freie Radikale gebildet, die für die Zellen schädlich sein können. Melatonin könne "unter besonderen Umständen", so betonte Huber, die mitochondriale Gen-Expression steigern und damit dem Altern entgegenwirken.

Ebenfalls im Alter reduziert ist das Gen für Glut-4, ein cytoplasmatisches Protein, das an der Glucose-Aufnahme in die Zelle beteiligt ist. Testosteron verbessert die Expression dieses Proteins, es sei daher für Typ-2-Diabetes von großer Bedeutung, sagte Huber. Bei Männern habe man festgestellt, dass die Testosteron-Spiegel mit der Entwicklung eines Altersdiabetes korrelierten.

Die Chip-Technologie werde auch die Hormonersatztherapie revolutionieren, prophezeite Huber. Ende des Jahres werde ein Chip auf den Markt kommen, mit dessen Hilfe Mutationen des p450-Systems erkannt werden können. Diese Polymorphismen sind unter anderem dafür verantwortlich, dass jede Frau auf Estrogene oder Gestagene anders reagiert.

Fasten gegen das Altern

Hormone oder Melatonin gehören jedoch nicht zu Hubers wichtigstem Therapiekonzept. Er empfahl zunächst zwei "Anti-Aging-Tage" pro Woche: Ab 16 Uhr wird nichts mehr gegessen. "Sie stehen damit auf gutem akademischen Boden", meinte der Wissenschaftler. "Eine Fülle von im Alter ruhig werdenden Genen wird so wieder aktiviert." Grund dafür sei unter anderem ein Verdauungsenzym im Magen (NAH) das für diese Zwecke umfunktioniert werde, sobald der Magen wirklich leer sei.

Gene und ihre Expression zu beeinflussen, ist den Vertretern der GSAAM zufolge eine "zukünftige Säule" der Anti-Aging-Medizin. Professor Dr. Carsten Niemitz von der Freien Universität Berlin hält das für bedenklich. "Wir wissen nicht, welche Geister wir rufen", warnte der Biologe. Manche Gene, die im Alter von Nachteil sind, brächten in jungen Jahren Vorteile. Zum Beispiel hat der Appetit des Menschen auf tierische Proteine im Laufe der Jahrtausende zugenommen. Das war für ihn entwicklungsgeschichtlich betrachtet von Vorteil, denn er wurde immer größer. Da aber mit den Proteinen auch Cholesterol und Fette verzehrt werden, hat er sich mit seiner Größe die bekannten Altersleiden eingehandelt.

Fehlender Selektionsdruck

Gene, die erst im Alter von Nachteil sind, werden nicht selektiert, sagte Niemitz. Der Selektionsdruck fehlt, weil das Überleben der Population und nicht des einzelnen Individuums wichtig ist. Was nach Reproduktion und Aufzucht der Nachkommen geschieht, ist für den Erhalt einer Art unwichtig. Daher ist auch der Selektionsdruck für Wartung und Reparatur der Erbanlagen begrenzt. Die dafür nötige Energie wird nur solange aufgewendet, wie es sich populationsgenetisch auszahlt.

Zu den Zielen der GSAAM gehört es, den "faszinierenden Gedanken einer Anti-Aging-Medizin" einem breiten Publikum bekannt zu machen und ein Forum für regen Erfahrungsaustausch zu bieten. "Dies soll in seriöser Art geschehen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen", schreibt Römmler in seiner Presseerklärung. Die drei Säulen der Therapie sind "Lifestyle-Veränderungen" wie Bewegung, Ernährung oder Gedächtnistraining, Hormon-Ersatz (Geschlechts-, Wachstums-, Schilddrüsenhormone et cetera) sowie die Einnahme von "Vitalstoffen in optimalen Mengen (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Antioxidantien gegen zu viele freie Radikale und vieles mehr)".

Die Gesellschaft bietet praktische Hilfe an, um den "Informationsfluss und die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu beschleunigen", um Seminare und Kongresse anzubieten, um Forschungsvorhaben zu fördern, Qualitätsmanagement zu unterstützen und um "Bezugsquellen für Anti-Aging-Medikation und ihre Verfahren bekannt zu machen".

Biologisches Alter für 75 Mark

Es fehlt der Anti-Aging-Medizin nicht an kommerziellen Angeboten. Ein Berliner Institut offeriert für 75 Mark ein "ausführliches Beratungsgespräch mit detaillierter Erfassung des aktuellen körperlichen und mentalen Zustandes". Einen persönlichen Age-Scan aus der Apotheke gibt es für 75 Mark. Unter anderem werden Augen-, Ohren-, Lungen- und Gedächtnisfunktionstests angeboten. Mediziner wie Apotheker stellen zusätzlich therapeutische Maßnahmen mit Vitaminen, Mineralien und Enzymen in Aussicht. "Sie entscheiden auf Grund unserer Empfehlung was Sie sich leisten möchten", heißt es im ärztlichen Angebot. Bestellen muss der Kunde selbst, zum Teil, darauf wird hingewiesen, im Ausland.

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