Medizin |
19.05.1997 00:00 Uhr |
Medizin
Das bayerische Forscherteam machte seine
Entdeckung an einer 26jährigen Frau, die so stark unter
feuchten Händen litt, daß sie ihren Beruf aufgeben
mußte. Die Patientin wurde stationär behandelt. Alle
therapeutischen Maßnahmen, wie Iontophorese oder
topische Aluminiumchlorid-Behandlung, waren erfolglos.
Überprüfung der Nervenbahnen und neurologische Tests
ergaben keinen Hinweis auf eine Hyperhidrosis. Ansonsten
zeigte die Patientin auch keine Symptome einer autonomen
Dysfunktion.
Nach schriftlicher Einwilligung der Patientin griffen die
Wissenschaftler zur Botulinum-Toxin-Spritze. Sie
injizierten das Toxin in bestimmten Abständen an je zehn
verschiedenen Stellen intrakutan in die Hände. Mit einer
standardisierten Testmethode (Minor's Test) wurden vor
und nach der Injektion schweißbildende Stellen auf den
Händen bestimmt.
Bereits nach 24 Stunden zeigte der Minor's Test kleine
begrenzte Flächen auf den Händen an, an denen die
Schweißdrüsen keinen Schweiß mehr produzierten. Nach
einer Woche hatte sich die übermäßige Schweißbildung
normalisiert. Der Effekt hielt 14 Wochen. Einzige
Nebenwirkung: Der Händedruck der Patientin fiel etwas
schwächer aus als zuvor. Injiziert man gesunden
Probanden Botulinum-Toxin, so hält die anhidrotische
Wirkung zwischen drei und acht Monaten an.
Die Würzburger Forscher haben für die Wirkung folgende
Erklärung: Botulinum-Toxin blockiert nicht nur die
cholinerge Erregungsübertragung an der neuromuskulären
Endplatte durch Hemmung der Acetylcholinfreisetzung,
sondern es inhibiert auch die cholinerge Transmission in
postganglionären, sympathischen cholinergen
Nervenfasern. Die Wissenschaftler schätzen die
Applikation von Botulinum-Toxin A risikoärmer ein als
eine thorakale Sympathektomie.
Botulinum-Toxin wird seit Anfang der 80er Jahre zu
therapeutischen Zwecken verwendet. Zunächst wurde es in
der Ophthalmologie eingesetzt, um fehlgestellte Augäpfel
zu korrigieren. Mittlerweile ist das Toxin Mittel der
Wahl für die meisten Patienten mit Dystonien. Es ist
zugelassen für idiopathischen Blepharospasmus
(Lidkrampf), hemifaciale dystone Bewegungsabläufe und
Schiefhals. Man nutzt für die Therapie die
muskellähmende Wirkung des Toxins aus, indem man direkt
in den überaktiven, zuckenden oder verkrampften Muskel
injiziert. Die Applikation ist Spezialzentren
vorbehalten.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Oberursel
© 1997 GOVI-Verlag
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