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Winzige Chips für große Projekte

03.04.2000  00:00 Uhr

- Medizin Govi-Verlag

Winzige Chips für große Projekte

von Georg Hempel, Münster

90 Prozent des menschlichen Genoms wollen Wissenschaftler bereits Mitte dieses Jahres sequenziert und auf den Chromosomen kartographiert haben. Danach stellen sich neue Herausforderungen: Welche Funktion haben die Gene? Wo unterscheiden sich Sequenzen zwischen einzelnen Individuen? Wo sind Sequenzunterschiede an der Entstehung von Krankheiten beteiligt? Professor Dr. Yoshinobu Baba von der Universität Tokushima in Japan stellte Ende Februar während des pharmazeutisch-lebensmittelchemischen Kolloquiums der Universität Münster miniaturisierte Verfahren zur DNA-Analytik auf Mikrochips vor.

Das menschliche Genom besteht aus drei Milliarden Basenpaaren, die für etwa 100 000 Gene kodieren. Durch den Einsatz immer schnellerer Verfahren haben sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt zum Ziel gesetzt, spätestens im Jahr 2001 die Sequenz des kompletten menschlichen Genoms zu ermitteln.

Ein wichtiger Schritt bei der Analyse der Erbsubstanz ist die Trennung von DNA-Fragmenten nach ihrer Größe. Dazu verwenden viele Wissenschaftler inzwischen die Kapillargelektrophorese. Beschichtete Glaskapillaren mit einem Innnendurchmesser von etwa 50 µm kommen hier zum Einsatz, die mit einem Gel aus Polyacrylamid oder Cellulosederivaten gefüllt sind. Die Multikapillartechnik erhöht den Probendurchsatz enorm. Die Firma Perkin Elmer stellt zum Beispiel Analysengeräte mit 96 Kapillaren her, von dem mehrere Hundert im "Human Genome Project" eingesetzt werden. Ein anderes Gerät mit 384 Kapillaren haben Wissenschaftler der Iowa State University entwickelt. Eine Arbeitsgruppe in Kanada arbeitet zurzeit an einem Gerät mit 576 Kapillaren.

Deutlich aufwendiger als das Sequenzieren von Genen ist es, deren Funktion zu identifizieren. Ein Ziel des "Human Genome Project" ist dabei, neue Angriffspunkte für die Pharmakotherapie zu finden. Außerdem werden Patienten in Zukunft stärker auf pharmakogenomische Marker wie zum Beispiel Cytochrom P450 2D6 oder die Thymidilat-Synthetase untersucht werden, die für die Wirkung oder die Metabolisierung eines Arzneistoffs entscheidend sind. Hierfür sind schnelle Verfahren zur Identifizierung von Genen erforderlich, die jedes Routinelabor mit geringem apparativen Aufwand realisieren kann.

Baba berichtete über Arbeiten zur Entwicklung eines integrierten Mikrochips zur Identifizierung von Genen. Alle notwendigen Schritte, die Lyse der Zellen im Blut, die Vervielfältigung der DNA mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), das Trennen der PCR-Produkte und deren Nachweis sollen auf dem Mikro- oder Nanochip stattfinden. Zur Zeit haben die Kunstoffchips eine Größe von etwa 2 mal 5 cm, die Entwicklung geht aber zu deutlich kleineren Elementen. Hergestellt werden die Chips aus Polymethylmetacrylat mit einem als "Lithographie Galvanoformung Abformung (LIGA)" bezeichneten Verfahren. Der Chip hat eine Reaktionskammer mit etwa 80 Nanolitern Inhalt sowie acht oder 16 Kanäle mit 20 µm Durchmesser, in der die DNA durch Kapillargelektrophorese getrennt wird.

Den Trennmechanismus haben Wissenschaftler im Detail untersucht. Dabei setzten sie die konfokale Mikroskopie ein, die es ermöglicht, einzelne DNA-Moleküle während der Trennung im elektrischen Feld zu beobachten. Eine weitere Methode, Einblick in den Trenn- und Detektionsmechanismus zu bekommen, ist die "Atomic Force" Mikroskopie, bei der insbesondere die Fluoreszenzmarkierung der DNA-Stränge untersucht werden kann. Dabei lassen sich einzelne DNA-Stränge darstellen, und man erkennt, wie und in welcher Menge sich die Moleküle des Fluoreszenzfarbstoffs in die DNA einlagern.

Die praktische Anwendbarkeit der Chips zeigte Baba mit dem Nachweis einer Erbkrankheit, die sich in neuromuskulären Störungen äußert. Nachdem die Wissenschaftler das entsprechende Genfragment auf dem Chip amplifiziert hatten, trennten sie das Material in einem Methylcellulose/Glycerol-Gel in 12 Sekunden auf einer Strecke von 7 mm. Gegenüber einem konventionellen Kapillarlektrophorese-Gerät sind die Forscher damit achtzehnmal schneller. Nachweisen ließ sich die DNA über Fluoreszenzdetektion.

In wenigen Jahren schon könnte durch Anwendung der Chiptechnologie die Geno- und Phänotypisierung der Patienten am Krankenbett in wenigen Sekunden möglich sein. Mit diesem Wissen kann dann die Pharmakotherapie individualisiert werden. Für den Patienten bedeutet dies, dass die Therapie sicherer und verträglicher wird.

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