Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs |
08.03.2004 00:00 Uhr |
Bereits seit einer Weile versuchen Forscher eine Vakzine gegen humane Papillomaviren (HPV) zu entwickeln, um den durch die Erreger verursachten Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. Eine Impfung könnte aber nicht nur prophylaktisch, sondern auch therapeutisch gegen bereits gebildete Tumoren wirksam sein.
Meist rufen Papillomaviren nur gutartige Tumoren, so genannte Papillome, auf der Haut oder Schleimhaut hervor. „Die Gefahr liegt in persistierenden Infektionen“, sagte Professor Dr. Lutz Gissmann vom Deutschen Krebsforschungsinstitut auf einer Pressekonferenz während des 26. Deutschen Krebskongresses in Berlin. Denn bei infizierten Frauen können Hochrisikotypen des Virus in seltenen Fällen nach langer Latenzzeit auch maligne Tumoren im Genitaltrakt hervorrufen, vor allem Gebärmutterhalskrebs. Weltweit sei er der dritthäufigste bösartige Tumor bei Frauen. In Deutschland wird ihm jedoch wenig Bedeutung geschenkt, weil er nur auf Platz sieben der Krebsstatistik liegt. „80 Prozent der Fälle sind in der Dritten Welt zu finden“, sagte Gissmann.
In Industrienationen liegt die Todesrate wegen des routinemäßigen Früherkennungs-Screenings deutlich niedriger als in Entwicklungsländern. So können sich in Deutschland Frauen im Rahmen des gesetzlichen Krebs-Früherkennungs-Programms regelmäßig auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen beim Gynäkologen auf Dysplasien untersuchen lassen. Diese Veränderungen des Gebärmuttermundes werden im Pap-Test (siehe Kasten) in der Regel erkannt und behandelt. Ohne Therapie besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Dysplasie zum Karzinom entwickelt.
Pap-Test In Deutschland ist der Pap-Test Teil der routinemäßigen Untersuchung zur Früherkennung von Zervixkarzinom. Mit einem Spatel oder Watteträger entnimmt der Arzt Zellmaterial des Gebärmuttermundes und des Zervixkanals. Die Zellen werden dann im Labor angefärbt und unter dem Mikroskop zytologisch beurteilt. Diese spezielle Methode zur Identifizierung von entarteten Zellen wurde von dem Anatomen George Papanicolaou in den USA entwickelt, nach dem das Verfahren auch benannt ist.
Kapsidprotein schafft Antikörper
„Das Immunsystem spielt eine Rolle bei der Verhinderung der Infektion und beim Abtöten bereits infizierter Zellen“, sagte Gissmann. Hieraus ergeben sich zwei Strategien: Zur Prophylaxe können neutralisierende Antikörper das Virus abfangen, bevor es in die Zelle gelangt, beim therapeutischen Ansatz stehen spezifische T-Zellen im Mittelpunkt, die infizierte Zellen erkennen und eliminieren.
Anfangs wurde die Entwicklung von Impfstoffen dadurch erschwert, dass die Viren sich schlecht in Kultur vermehren lassen. Daher konnten die Forscher keine inaktivierten HPV-Virionen oder attenuierten Viren gewinnen. Sie nahmen daraufhin die Hülle des Erregers, das Viruskapsid, unter die Lupe, das hauptsächlich aus dem Strukturproteins L1 besteht. Es stellte sich heraus, dass L1 sich in verschiedenen Kulturmedien zu so genannten Virus-artigen Partikeln (VLPs) zusammenlagert, die strukturell den infektiösen Viren ähneln. Darüber hinaus können sie auch an den zellulären Rezeptor für Papillomaviren binden und so in die Zellen gelangen. „Das L1-Protein kann rekombinant in Hefe- oder Escherichia-coli-Zellen exprimiert werden und enthält keine virale DNA“, betonte Gissmann. VLPs sind daher nicht infektiös, rufen aber eine Antikörperreaktion hervor.
Derzeit forschen die Pharmaunternehmen Merck und GlaxoSmithKline an auf VLP basierenden Impfstoffen für die prophylaktische Gabe. Eine Phase-II-Studie der Firma Merck lieferte bereits viel versprechende Ergebnisse. Dennoch wird es etwa fünf Jahre dauern, bis die Vakzine auf den Markt kommt, schätzt der Virologe. Denn die Phase-III-Studie, die auch einen Schutz vor schweren Dysplasien und invasiven Tumoren bestätigen soll, sei entsprechend der Tumorgenese langwierig. Überdies wirken die Vakzinekandidaten der beiden Unternehmen nur gegen die zwei häufigsten Hochrisiko-HPV: HPV 16 und 18. Insgesamt könnten jedoch 14 verschiedene HPV-Typen ein Zervixkarzinom hervorrufen. Somit verhindere die Impfung im günstigsten Fall nur 70 bis 80 Prozent der Infektionen und der dadurch bedingten Tumoren. „Daher dürfen wir die Screeningprogramme nicht vermindern“, sagte Gissmann.
Kombi-Ansatz noch in Kinderschuhen
Außer zur Prophylaxe könnte sich die Impfung auch zur Therapie des Zervixkarzinoms eignen. Hierfür entwickelten Forscher des Deutschen Krebsforschungsinstituts eine neue Vakzine. Sie fusionierten das Hauptstrukturprotein L1 mit dem in allen infizierten Zellen und somit auch in Tumorzellen exprimierten Protein E7. Dies hieraus entstehende Fusionsprotein bildet chimäre virus-artige Partikel (CVLP), die eine Antikörperreaktion gegen das Viruskapsid hervorrufen. Zudem induziert die Vakzine in Mäusen die Bildung von zytotoxischen T-Lymphozyten und konnte im Maus-Tumormodell spezifisch gegen Karzinome schützen sowie vorhandene Tumoren therapieren.
Eine erste therapeutische placebokontrollierte Phase-I/II-Studie zeigte laut Gissmann gute Ergebnisse: Bei 60 Prozent der Patientinnen aus der Verumgruppe bildeten sich hochgradige Dysplasien im Gebärmutterhals zurück. In der Placebogruppe lag die Remissionsrate dagegen nur bei 30 Prozent. Eine Bildung von Antikörpern beobachteten die Wissenschaftler bei 100 Prozent, die von E7-spezifischen T-Lymphozyten bei 80 Prozent der Immunisierten.
Aus finanziellen und patentrechtlichen Gründen werde der Ansatz nun modifiziert weitergeführt, so der Referent. Eingesetzt werden jetzt nicht mehr VLPs, sondern Untereinheiten des Kapsids. Diese chimären Kapsomere bestehen aus nur fünf Molekülen des E7/L1-Fusionsproteins.
Von dem prophylaktisch-therapeutischen Impfstoff erhofft sich Gissmann besonders in Entwicklungsländern einen Fortschritt im Kampf gegen das Zervixkarzinom. Nach dem Motto „See and vaccinate“ könnten Ärzte dort den in der Regel schon infizierten Frauen bei jedem Besuch diese Postprophylaxe spritzen.
Früherkennung vernachlässigt
Auch wenn die Früherkennung in Deutschland die Rate an Zervixkarzinomen deutlich senken konnte, ist die Situation noch verbesserungswürdig. „Nur 51 Prozent der Frauen nehmen derzeit an der Früherkennung teil“, informierte Professor Dr. Matthias W. Beckmann aus Erlangen auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Von einem Screening spreche man jedoch erst ab einer Teilnehmerrate von mehr als 80 Prozent. Möglicherweise könne hier ein Erinnerungsschreiben die Frauen zur Früherkennung motivieren. Dies sei den Ärzten jedoch verboten.
Den Test auf HP-Viren, wie derzeit diskutiert, als Routineuntersuchung einzusetzen, hält der Gynäkologe für wenig sinnvoll. Denn bei 85 von 100 infizierten Frauen verschwindet das Virus mit der Zeit von allein, nur 1 von 100 entwickelt ein Zervixkarzinom. Daher habe ein positives Testergebnis keine relevante Aussagekraft. Laut Beckmann sollte der HPV-Nachweis nur nach positiven zytologischen Befunden im Pap-Test erfolgen, um den Virustyp zu bestimmen.
Auch den verschiedenen Impfstrategien steht der Gynäkologe skeptisch gegenüber. So müssten zum Beispiel neben Frauen auch Männer geimpft werden, um das Virus auszurotten, da es sexuell übertragbar ist. Ob Männer sich selbst oder Eltern ihre Söhne nur zum Schutz vor Warzen impfen lassen, sei allerdings fraglich.
In erster Linie müsse die Versorgung von Risikopatientinnen und Frauen mit Zervixkarzinom verbessert werden, sagte Beckmann. Dementsprechend habe die Deutsche Krebsgesellschaft und die DGGG Anfang des Jahres eine interdisziplinäre S-2-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie des Zervixkarzinoms erarbeitet. „In Umfragen fanden wir in Deutschland etwa 35 verschiedene Behandlungskombinationen“, sagte der Mediziner. Die Leitlinie beschreibe nun, welche Therapieoption für welche Patienten am geeignetsten ist. Mit ihr könne die sehr heterogene Therapie deutschlandweit vereinheitlicht werden.
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