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Herointherapie als Motivation für den Entzug

26.02.2001  00:00 Uhr

Herointherapie als Motivation für den Entzug

von Katja Pannewig, München

In Deutschland leben drei Millionen Alkoholkranke. Etwa 150. 000 Menschen sterben pro Jahr an den legalen Volksdrogen Alkohol und Nikotin. Illegale Drogen, wie Heroin und Kokain, fordern jährlich 2.000 Todesopfer. Auf dem zweiten interdisziplinären Kongress für Suchtmedizin in München wurden, neben neuen Erkenntnissen, Studien und Modellprojekte zum Umgang mit Sucht und Suchtkranken vorgestellt.

Nach Schweizer Vorbild ist in diesem Jahr eine Studie mit einer heroingestützten Therapie von intravenös Drogenabhängigen an deutschen Universitätskliniken geplant. Das Bundesgesundheitsministerium ist Initiator dieses in Deutschland einmaligen Modellprojekts. Derzeit befinden sich die Unterlagen noch bei der Ethikkommission und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Studienleiter Michael Krausz, Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, will etwa 1.000 langjährig Abhängige, die erfolglose Abstinenzversuche hinter sich haben, für die Studie gewinnen. Ziel ist es, durch eine Herointherapie, das Leben der Suchtkranken soweit zu normalisieren, dass sie sich für einen Entzug motivieren können. Wenn das drogenfreie Leben sinnlos erscheint, ist jeder Versuch eines Entzugs zwecklos.

Voraussetzung zur Teilnahme ist eine mindestens fünfjährige, intravenöse Abhängigkeit und ein Mindestalter von 23 Jahren. Die Hälfte der Teilnehmer erhält Heroin, die andere Hälfte Methadon. In Untergruppen wird zusätzlich geprüft, ob eine individuelle Intensivbetreuung erfolgreicher ist als ein Kontakt über eine Drogenberatung inklusive gruppentherapeutischer Sitzungen. Nach zwei Jahren hofft man auf erste Ergebnisse.

In der Schweizer Studie erhielten alle Teilnehmer Heroin. Es entschieden sich daraufhin zehn Prozent für den Weg in die Abstinenz und 16 Prozent stiegen auf die Methadonsubstitution um. Daneben infizierten sich die Abhängigen wesentlich seltener mit dem HI-Virus.

Rund um die Geburt

"Rund um die Geburt" nennt sich ein neues Kooperationsmodell in München. Drogenabhängige Schwangere und auch Kinder drogenabhängiger Mütter erfahren hier kontinuierliche, unterstützende Betreuung vor der Geburt und vor allem in der Zeit danach. Suchtmediziner, Frauenärzte, Neonatologen, Kinderärzte und Sozialpädagogen arbeiten hier interdisziplinär zusammen. In München gibt es etwa 5.000 bis 6.000 drogenabhängige Frauen. Ein Viertel davon hat Kinder. Die Neugeborenen leiden meist schon wenige Tage nach der Geburt unter Entzugserscheinungen, die meist mit Medikamenten gut therapierbar sind. Das allein reicht jedoch nicht aus.

Vorläufer des Modellprojekts ist in München eine Einrichtung namens Extra. Dieses Beratungs- und Kontaktzentrum für drogenabhängige und gefährdete Frauen und Mädchen, Mütter und ihre Kinder sowie für Schwangere arbeitet seit fünf Jahren erfolgreich nach diesem Schema. Regelmäßig treffen sich Sozialmediziner, Psychologen, Angehörige, Frauen- und Kinderärzte in Round-Table-Gesprächen. In Anwesenheit der Betroffenen erarbeiten alle gemeinsam einen Weg. "Es wird besonders auf die Kinder eingegangen, die bisher oft nicht beachtet wurden", weiß Roswitha Soltau, erfahrene Psychologin auf diesem Gebiet, zu berichten. Frauen wollen ihre Sucht meist geheim halten, dadurch sind sie schwierig zu finden und zu betreuen. Zudem leiden Methadon-substituierte Abhängige oft unter einer Mischsucht. Sie konsumieren zusätzlich Alkohol, Benzodiazepine, Amphetamine, Kokain oder Heroin. Deshalb ist Soltau auch für eine radikale Lösung: für den Ausstieg zum Wohle der Mutter und des Kindes. Unter dem Einfluss zentral wirkender Substanzen, auch von Methadon, ist die Wahrnehmung stark beeinträchtigt, die gerade in der Kindererziehung sehr wichtig ist.

HCV-Behandlung lohnt sich

50 bis 95 Prozent der intravenös Drogenabhängigen leiden an einer chronischen Hepatitis C. Nach 20 Jahren kann diese Erkrankung zu einer Leberzirrhose und zum Leberzellkarzinom führen. Bisher mussten die Patienten sechs Monate alkoholfrei und ein Jahr drogenfrei sein, um eine Therapie zu erhalten. Die effektive, kombinierte Medikation von Interferon und Ribavirin ist seit 1998 international bekannt. Bekannt war bisher aber nicht, ob intravenös Drogenabhängige eine ausreichende Compliance für einen solchen Heilungsweg mitbringen und ob sie sich gar während dieser teuren und aufwendigen Therapie möglicherweise reinfizieren.

Diese beiden bislang nicht belegten Vorurteile galt es zu hinterfragen, so Markus Backmund, Suchtmediziner im Krankenhaus München Schwabing. Das Zielkriterium seiner Untersuchung bestand in einer erfolgreichen Behandlung. Er konnte in einer prospektiven Studie an 50 Patienten zeigen, dass intravenös Drogenabhängige genauso erfolgreich behandelt werden können wie nicht Drogenabhängige. Erforderlich ist nach seiner Meinung allerdings intensive Betreuung und die Zusammenarbeit von Experten der Suchtmedizin und Hepatologie.

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