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Der Homo sapiens im Robo sapiens

12.02.2001  00:00 Uhr

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Der Homo sapiens im Robo sapiens

von Gertrude Mevissen, Bad Nauheim

In Zukunft sollen Roboter nicht nur den guten Geist im Haus ersetzen. Auch in der Medizin und Rehabilitation will man sich elektronische Hilfen noch intensiver zu Nutze machen. Ein Meilenstein wird dabei die Umsetzung menschlicher Intelligenz und Emotionalität in Bits und Bytes sein. Wie nah Homo und Robo sapiens miteinander verwandt sind, veranschaulichte Professor Dr. Franz Josef Radermacher während eines Symposiums.

Lag die Stärke der dienstälteren Roboter-Modelle bislang noch in ihren übermenschlichen Rechenfähigkeiten, so basteln Wissenschaftler heute an dem "Robo sapiens mit Herz und Verstand". "Bewusstsein, Kreativität und Emotionen technisch darzustellen, wird in Zukunft eine der größten Herausforderungen sein", sagt Radermacher, der am Ulmer Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) tätig ist. Zusammen mit seinen Kollegen erforscht er, wie Kopf und Bauch zusammenarbeiten und wie sensomotorische Vorgänge im Unterbewusstsein ablaufen.

Die Natur habe für viele technische Anwendungen Pate gestanden. Ob es sich um die Informationsverarbeitung eines Säugetiers, eines Ameisenstaates oder einer Firma handelt, überall stoße man auf zwei Arten der Informationsverarbeitung: die Kopfebene, auch Kopfarbeit, und die Bauch-Ebene, als Sitz der Reflexe und des Unterbewusstseins. Der Kopf arbeitet mit erkannten Symbolen, die er kombiniert und gegeneinander austauscht; "aus dem Bauch heraus" entscheiden Menschen spontan und unbedacht. Frei von Logik schreibt man dem Bauch sensomotorische Fähigkeiten zu. Auto fahren, ohne dabei nachzudenken oder einen Tanz einzustudieren, gehören dazu. Die Bauch-Ebene entscheide letztlich darüber, wie schnell sich Bewegungsmuster neuronal einschleifen und ohne Kopfarbeit ablaufen, so Radermacher.

Ein intelligentes System, wie der Mensch, nimmt nur wenig von der Welt wahr, rechnet unendlich viel, um noch weniger zu tun. Als Beweis für seine These verwies er auf den Aufbau des Gehirns: Es besteht aus Hunderten Milliarden Neuronen, die im Wesentlichen rechnen, aus vergleichsweise wenigen, etwa einigen 100 Millionen Neuronen, die Informationen aufnehmen und nur die allerwenigsten Neuronen setzen die Gedanken tatsächlich in die Tat um. Er hält dies auch für die anatomische Erklärung dafür, warum es Menschen leichter fällt, sich vieles vorzustellen, als es wirklich zu tun.

Mobile Systeme und Servicerobotik

Die Ulmer Forscher entwickeln Methoden der Informationsverarbeitung für mobile, signalverarbeitende und sensomotorische Systeme. Die intelligenten Blechgestalten sollen ihr eigener Herr sein. Von ihnen wird verlangt, sich in unbekannten Umgebungen zurechtzufinden, Objekte zu erkennen, Hindernissen auszuweichen und selbstständig zu arbeiten. Ihre Funktionsweise folgt dem menschlichen Zwei-Ebenen-Prinzip: Auf der Kopfebene nimmt ein leistungsstarker Rechner Umgebungsdaten wahr und gibt den Plan vor. Auf der Bauchebene wird schließlich auf eine bestimmte Wahrnehmung eine vorprogrammierte Handlung in Gang gesetzt. Die menschliche Sensomotorik wird dabei durch ein Aufgebot an Elektronik nachgeahmt: Kameras, 2- und 3D-Laserscanner, Ultraschall- und Infrarotsensoren, Weggeber und Kreiselkompasse sollen die kollisionsfreie und zielorientierte Aktion garantieren.

Roboter in Medizin und Rehabilitation

Auch in der Medizin und Rehabilitation will man sich Roboter stärker zu Nutze machen. Ein Beispiel ist der "wegweisende" Rollstuhl, der die Navigation in hindernisreichen Umgebungen erleichtern soll. Oder die künstliche Überbrückung fehlender Nervenverbindungen bei Querschnittsgelähmten. Denkbar sind auch autonome Bein- und Armprothesen oder eine künstliche Retina für Blinde. Neue Möglichkeiten könnte auch das "elektronische Auge" bieten. Es wurde am FAW entwickelt und kann geometrische Formen, wie Verkehrszeichen, in Bruchteilen von Sekunden anhand bestimmter Grauwertbilder erkennen.

Einige der technischen Errungenschaften muten auf dem ersten Blick allerdings merkwürdig an. So das fühlbare Internet, das Berührungen demnächst über Tausende Kilometer erlebbar machen soll. Eine Großmutter in Australien wird ihrem Enkel in Nordamerika übers Haar streichen können, prophezeit der Forscher. Nicht weniger gewöhnungsbedürftig ist der Gedanke an elektronische Haustiere, die bei Japanern in kleinen Mietwohnungen bereits sehr beliebt sind. Der silberne Vierbeiner kann seinem Herrchen folgen, ist immer gut gelaunt und macht weder Arbeit noch Schmutz.

Die Humanität einer Maschine

"Bei Haushaltsrobotern und elektronischen Haustieren geht es nicht darum, menschliche Zuwendung durch maschinelle zu ersetzen", versuchte Radermacher aufzuklären. Behinderte oder alte Menschen seien dankbar, wenn es eine Maschine gibt, die eine ausgefallene Funktion erfüllt, oder ihnen einfach nur 24 Stunden zur Seite steht. Sie wollen unabhängig sein und den Kontakt zu anderen Menschen nicht durch Hilfestellungen verbrauchen. Gerade für diese Menschen sei es wichtig, elementare Funktionen technisch zu ersetzen, damit sie auf gleicher Augenhöhe mit ihren Freunden und Verwandten ganz andere Dinge tun können. Jeder Haushaltsroboter und jeder Elektrohund hätten daher ihre Berechtigung, wenn sie das Leben menschlicher machen können.

 

Auf den Filter kommt es an Dass wir nicht immer "Herr unserer Gedanken" sind, sondern die Evolution uns zuweilen übel mitspielt, zeigte Radermacher am Beispiel eines verzerrten Schwarz-Weiß-Mosaiks, auf dem ein Männerporträt zu sehen war. Drehte man das Bild um 180 Grad, war das Gesicht plötzlich nicht mehr erkennbar. Radermachers Erklärung: Im Laufe von drei Millionen Jahren haben wir einen Filter entwickelt, der uns Köpfe nur noch aufrecht erkennen lässt. Das Bild, das wir wahrnehmen, spiegelt demnach die Wirklichkeit nicht 1:1 wider, sondern ist ein Produkt aus sensorischer Wahrnehmung, Filter und unserer erfahrungsbedingten Art der Dateninterpretation. Die Durchlässigkeit des Filters lässt sich manipulieren. Nach Drogenkonsum berichten Menschen zum Beispiel von höheren Sphären der Wahrnehmung, von Geräuschen und Lichtern, die sie im Rausch erleben. Auch Stress und Alkohol verändern bereits den Filter, bis zu einem gewissen Punkt fühlt man sich reaktionsschnell und kreativ.

 

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