Was schmeckt, kann trotzdem gesund sein |
12.01.1998 00:00 Uhr |
Medizin
Statt Lederjacken, bemalter Muscheln oder Alabaster-Figuren sollten
Mittelmeerurlauber lieber die Ernährungsgewohnheiten aus dem
Urlaubsland mitbringen. Wer viel Olivenöl und Gemüse ist, lebt gesünder
als ein Fleisch-Fan. Studien belegen, daß Griechen, Italiener und Spanier
deshalb seltener an Krebs oder Herzerkrankungen leiden als
Mitteleuropäer oder Nordamerikaner.
Mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Olivenöl und Fisch reduziert die Gefahr
ernährungsbedingter Krankheiten drastisch. Gegenüber einem Einwohner Kretas hat
ein US-Amerikaner ein rund 60fach erhöhtes Risiko an den Folgen einer Koronaren
Herzkrankheit (KHK) zu sterben.
"Die Südeuropäer essen vor allem wenig verarbeitetes Gemüse, Fisch und Geflügel
sowie Joghurt und Käse; Fleisch gibt es nur selten," charakterisiert Dr. Ursel
Wahrburg vom Institut für Arterioskleroseforschung in Münster die mediterrane
Kost. Als Hauptfettquelle dient das Olivenöl, tierische Fette stehen nur selten auf
dem Speiseplan.
Im Vergleich zu der mitteleuropäischen Kost weisen die Lebensmittel aus
Südeuropa einen geringeren Gehalt an unerwünschten Inhaltsstoffen wie gesättigten
Fettsäuren, trans-Fettsäuren sowie Cholesterol auf. Dafür enthalten sie mehr
komplexe Kohlenhydrate, Vitamine und Antioxidantien.
Olivenöl bremst LDL-Oxidation
Die Menschen in Mitteleuropa und den USA decken ihren Fettbedarf zu einem
großen Teil mit den gesättigten Fettsäuren Laurinsäure, Myristin- und Palmitinsäure.
Alle drei bewirken im Körper eine Steigerung des Low-densitiy-Lipoprotein
(LDL)-Cholesterols. Hohe LDL-Konzentrationen sind ein wesentlicher Risikofaktor
für Arteriosklerose und koronare Herzkrankheiten.
Olivenöl enthält dagegen mit Antioxidantien und einfach ungesättigten Fettsäuren
zwei ernährungsphysiologisch wichtige Stoffgruppen, die den Cholesterolspiegel im
Blut senken und so vor Arteriosklerose und KHK schützen.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß Antioxidantien und einfach
ungesättigte Fettsäuren die Konzentration des (LDL)-Cholesterols im Blut senken.
LDL sind Partikel, die eine Membran aus dem Apolipoprotein B und
Phospholipiden haben, der Kern besteht aus Triglyceriden und Cholesterolester. Ein
LDL-Partikel enthält rund 3600 Fettsäuremoleküle, etwa die Hälfte sind mehrfach
ungesättigte Fettsäuren. Außerdem enthalten LDL-Partikel verschiedene
Antioxidantien, von denen Vitamin E das wichtigste ist.
LDL ist für die Blutgefäße nicht per se gefährlich, sondern nur in seiner oxidierten
Form. Nach dem bisherigen Kenntnisstand erfolgt die LDL-Oxidation ausschließlich
in den Zellen der Gefäßwände. Das oxidierte LDL wird dann von Makrophagen
aufgenommen, die sich in der Folge in Schaumzellen umwandeln. So beginnt die
Bildung atherosklerotischer Plaques.
Olivenöl bremst die LDL-Oxidation auf zwei Wegen: Es enthält Vitamin E und
phenolische Verbindungen, die antioxidative Wirkung haben. Außerdem besteht es
vornehmlich aus der einfach ungesättigten Fettsäure Ölsäure, die in die LDL-Partikel
eingebaut wird. Tierexperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, daß
LDL-Partikel, die eine hohe Ölsäure-Konzentration enthalten, gegen Oxidation
weitgehend resistent sind.
Im Gegensatz zu einfach ungesättigten Fettsäuren scheinen mehrfach ungesättigte
Fettsäuren die Entstehung von KHK nicht zu verhindern. Im Gegenteil: "Eine Kost,
die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist, führt zu einer gesteigerten
LDL-Oxidation", sagte Dr. Bodo Kuklinski vom Diagnostik- und Therapiezentrum
für umweltmedizinische Erkrankungen in Rostock bei einer von der europäischen
Union unterstützten Veranstaltung im November in Düsseldorf.
Die protektiven Eigenschaften von Vitamin E und phenolischen Verbindungen
konnten auch in Studien belegt werden. So bewirkt Vitamin E in vitro eine deutliche
Oxidationsresistenz der LDL-Partikel. Das Ausmaß der Resistenz steigt
dosisabhängig. Phenolische Verbindungen, aus denen Olivenöl zu zwei bis drei
Prozent besteht, fangen freie Radikale ab und schützen die Lipide so vor der
Oxidation. In der "Sieben-Länder-Studie" und der niederländischen
Zutphen-Elderly-Studie hat sich bestätigt, daß die Zufuhr phenolischer Verbindungen
mit der KHK-Mortalität invers korreliert.
Statistik spricht für Krebsprophylaxe
In den Mittelmeerländern ist auch die Inzidenz von Krebserkrankungen geringer als
in Nord- und Mitteleuropa. Grund für die geringere Zahl an Krebsfällen ist
wahrscheinlich auch die gesündere Ernährungsweise. Wissenschaftler schätzen, daß
etwa 35 Prozent aller Krebserkrankungen auf Ernährungsfaktoren zurückgeführt
werden können.
In erster Linie sind wohl die Inhaltstoffe von Obst und Gemüse, also Vitamine und
Flavonoide, für die geringere Krebsinzidenz verantwortlich. Eventuell haben aber
auch die Bestandteile des Olivenöls eine tumorprotektive Wirkung, zumindest bei
bestimmten Krebsformen. Im Gegensatz zur gefäßprotektiven Wirkung des Öls ist
die Datenlage zur Anti-Krebswirkung jedoch recht schwach. Immerhin deuten einige
Studien darauf hin, daß Frauen, die regelmäßig Olivenöl essen, seltener an
Brustkrebs erkranken als Frauen, die vornehmlich gesättigte Fettsäuren
konsumieren. Möglicherweise basiert die tumorprotektive Wirkung auf den im
Olivenöl enthaltenen N3-Polyensäuren, denen eine Schutzeigenschaft nachgesagt
wird.
Möglicherweise vermindert Olivenöl auch das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken.
Hier ist die Datenlage jedoch noch dünner als beim Brustkrebs. Die Erkenntnisse
stützen sich ausschließlich auf epidemiologische Daten. Eine wissenschaftliche
Erklärung für den Schutzmechanismus gibt es bislang nicht.
EPIC soll Klarheit schaffen
In einer europäischen prospektiven Kohortenstudie sollen jetzt die Zusammenhänge
zwischen Krebs und Ernährungsgewohnheiten aufgeklärt werden. Mit der
EPIC(European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition)-Studie wollen
Wissenschaftler die Ernährung von 430.000 Menschen in neun europäischen
Ländern analysieren und Verbindungen zu der Inzidenz verschiedener Krebsarten
und chronischer Krankheiten untersuchen.
Ausführliche Informationen zu den obengenannten Studien finden Sie im Internet
unter http://europa.eu.int/olive-oil
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Düsseldorf
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