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Patientenvertreter kommen zu Wort

11.04.2005  00:00 Uhr

Gastartikel zur Selbsthilfe

Patientenvertreter kommen zu Wort

von Ralf Denda, Berlin

Was ist Selbsthilfe? Wie erhält man Hilfe zur Selbsthilfe? Was bewirken Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss? Wie sind die Folgen des GMG zu bewältigen? Zu diesen Fragen geben hier Patientenvertreter selbst Antworten.

Gastartikel des DDB: Selbst aktiv werden

Selbsthilfe bedeutet, die eigenen Probleme und deren Lösungen selbst in die Hand zu nehmen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten aktiv zu werden. Zu den wesentlichen Aufgaben von Selbsthilfegruppen zählen neben Information und Beratung der Erfahrungsaustausch, gegenseitige praktische Hilfe und Gespräche zur emotionalen Unterstützung sowie die Förderung gesundheitsbezogener Aktivitäten. Selbsthilfegruppen sind für Menschen geeignet, die mit ihrem Problem nicht allein bleiben wollen, die Bereitschaft mitbringen, sich auf andere Betroffene einzulassen, die aktiv ihr Leben verändern und gestalten wollen und zu einer kontinuierlichen Zusammenarbeit bereit sind. Erfahrungen haben gezeigt, dass Selbsthilfegruppen eine wichtige Ergänzung der ärztlichen Behandlung sind, allerdings kein Ersatz für medizinische Hilfe. Der Deutsche Diabetiker Bund ist die größte und älteste Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Diabetes mellitus, Angehörigen und Interessierten in Deutschland. Er ist Mitglied in der Deutschen Diabetes Union (DDU) ­ ein Zusammenschluss von Betroffenen und Ärzten ­ und somit auch Mitglied in der Internationalen Diabetes Federation (IDF).

Gastartikel der Nakos: Hilfe zur Selbsthilfe

Damit Menschen sich mittels Selbsthilfe gegenseitig unterstützen können, sind bestimmte strukturelle Voraussetzungen notwendig. Sie müssen etwa wissen, wo und wie sie andere Betroffene finden, um sich einer Selbsthilfegruppe anschließen zu können; sie brauchen geeignete Räumlichkeiten und gegebenenfalls sachliche oder technische Arbeitshilfen. Möchten Betroffene eine Selbsthilfegruppe gründen, benötigen sie Anregungen und Kontakte oder auch eine Anleitung in der Anfangsphase.

All dies finden sie bei Selbsthilfekontakt- und -unterstützungsstellen, von denen zurzeit etwa 270 in Deutschland existieren. Im Gegensatz zu Selbsthilfeorganisationen, die vor allem themenspezifische Anliegen aufgreifen, arbeiten sie fach- und themenübergreifend. Selbsthilfekontaktstellen sind professionelle Dienstleistungseinrichtungen, die explizit Selbsthilfeunterstützung leisten. Sie verfügen über fest angestelltes Personal, Räume und Ressourcen, sind allen Interessierten zugänglich und nicht gewinnorientiert. Vor allem für kleinere Selbsthilfegruppen, die keiner Selbsthilfeorganisation angehören, sind sie eine hilfreiche Anlaufstelle.

Selbsthilfekontaktstellen beraten auch Mitarbeiter in sozialen und gesundheitsbezogenen Einrichtungen bei der Frage, wie sie in ihren Arbeitsfeldern Selbsthilfe anregen und unterstützen können, um die Kooperation zwischen Laien und Professionellen (zum Beispiel Apothekern) zu stärken. Zu den Angeboten der Selbsthilfekontaktstellen zählen in der Regel:

  • Dokumentation der bereits bestehenden Selbsthilfegruppen und die Vermittlung von Ratsuchenden an diese Gruppen oder an andere Dienste,
  • fachliche und methodische Hilfestellung für die Gruppenarbeit,
  • Anleitung von Selbsthilfegruppen,
  • Organisation von begleitenden Veranstaltungen oder Fortbildungen,
  • Schaffung von Netzwerken zwischen den Gruppen und zu Fachleuten,
  • Vermittlung von Anliegen der Selbsthilfegruppen in die Politik oder zu Fachverbänden und einschlägigen Berufsgruppen,
  • Information der Öffentlichkeit über Möglichkeiten und Grenzen der Selbsthilfe.

Die Anschriften aller örtlichen Vertretungen in Deutschland sind bei der nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (Nakos) erhältlich (www.nakos.de, Verzeichnis Rote Adressen).

Gastartikel des vzbv: Mehr Mitsprache für Patienten

»Nichts über uns ohne uns!« ­ das war der Leitsatz des vergangenen Jahres der Menschen mit Behinderung. Und tatsächlich haben Patienten seit dem GMG mehr Mitspracherecht: Neben den offiziellen Vertragspartnern Krankenkassen, Kassenärzten und Krankenhäusern sitzen nun auch, und zwar in gleicher Anzahl, Vertreter der Patienten mit am Tisch des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Hier wird der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt. Zum Beispiel werden Heilmethoden, Arznei-, Heil- und Hilfsmittel auf Erstattungsfähigkeit bewertet oder definiert, was eine »schwerwiegende chronische Erkrankung« ist oder welche Medikamente zum »anerkannten Therapiestandard« gehören. Solche Entscheidungen sollen ­ das ist die Idee der Selbstverwaltung ­ nicht vom Gesetzgeber oder von der Regierung vorgegeben, sondern von den Beteiligten selbst getroffen werden. Im Zuge dieser politischen Aufwertung des G-BA sollte durch mehr Transparenz und eine beratende Teilnahme von Patientenvertretern auch die Legitimation des Gremiums verbessert werden.

Die Erfahrungen der ersten drei Monate haben zweierlei gezeigt: Die bundesweit maßgeblichen Organisationen der Patientenselbsthilfe und -beratung sind in der Lage, die rund 30 verschiedenen Ausschüsse und Unterausschüsse des G-BA mit sachkundigen, unabhängigen Personen zu besetzen. Daher wird die Patientenseite als Gesprächs-, zum Teil sogar als Verhandlungspartner ernst genommen. Obwohl die Patientenvertreter über kein Stimmrecht verfügen, genießt doch ihre Zustimmung einen hohen symbolischen Wert.

Die Beschlüsse des G-BA ­ das hat nicht zuletzt die OTC-Ausnahmeliste gezeigt ­ werden zuweilen auch gegen den Protest der Patientenseite gefällt. Dennoch ist die Vertretung der Patienten notwendig und hilfreich, auch um Transparenz und Akzeptanz der zum Teil unbequemen Entscheidungen des Bundesausschusses zu erhöhen. Sein Auftrag gleicht oftmals der Quadratur des Kreises, nämlich Qualität sowie Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung zu gewährleisten. Diesem Ziel fühlt sich auch die Patientenseite verpflichtet, denn der Anspruch der Patienten auf die bestmögliche Behandlung und das Interesse der Versicherten nach einer angemessenen Beitragsbelastung lassen sich in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem nicht auseinander dividieren.

Gastartikel der DMSG: Gesundheitsreform machte unsicher

Die Diskussionen bezüglich des GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) und die Unsicherheit, die sich vor allem bei den GKV-Versicherten ausgebreitet hat, bringt auch den Selbsthilfeverbänden viel Arbeit. So waren bisher chronisch Kranke ganz von Zuzahlungen befreit, nun gilt die Belastungsgrenze von ein Prozent für »schwerwiegend chronisch Kranke«. Aber wer zählt als »schwerwiegend chronisch krank«? Zu dieser Frage gab es viel Unsicherheit. Auch die neue Fahrtkostenregelung bringt Probleme für MS-Erkrankte: Wenn zum Beispiel nicht das Merkzeichen »aG« (außergewöhnliche Gehbehinderung), sondern nur »G« (Gehbehinderung) oder gar kein Merkzeichen in ihrem Schwerbehindertenausweis registriert ist, es ihnen aber an einem Tag nicht besonders gut geht. Denn dies wirkt sich immer auch auf Symptome wie die Gehfähigkeit aus. Wenn dann der Weg zu öffentlichen Verkehrsmitteln, zum Arzt oder Physiotherapeuten zu weit ist, können sie diese nicht erreichen. Hier sind Ausnahmeregelungen notwendig, die die DMSG nachdrücklich einfordert.

Mit der neuen Heilmittelrichtlinie traten Probleme durch Unsicherheiten bei den verordnenden Ärzten und nicht ausreichend geschulten Mitarbeitern einzelner Krankenkassen auf ­ etwa bei der Bewilligung der Physiotherapie. Grundsätzlich besteht immer ein Anspruch auf die Verordnung von Krankengymnastik, wenn diese medizinisch erforderlich ist. Unklarheiten gibt es zudem immer noch bei den maximalen Verordnungsmengen und den Verordnungen außerhalb des Regelfalles, obwohl längerfristige Verordnungen inzwischen geregelt sind. Sie müssen auf Antrag des Arztes von der Krankenkasse genehmigt werden. Trotz der OTC-Ausnahmeliste müssen viele MS-Erkrankte die Kosten für zahlreiche Medikamente des Therapiestandards nun jedoch selbst tragen.

Der DMSG Bundesverband, 1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple-Sklerose-Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Unter seiner Federführung wurde 2001 die Einrichtung eines flächendeckenden MS-Registers initiiert, um epidemiologische Daten zur Anzahl der MS-Erkrankten, den Verlaufsformen und der Versorgungssituation in Deutschland zu gewinnen. In der auf zwei Jahre angelegten Pilotphase beteiligten sich fünf Zentren (Berlin, Bochum, Hamburg, Rostock und Würzburg). Derzeit stehen standardisiert dokumentierte Basisdatensätze von mehr als 3200 Patienten zur Verfügung. Seit März 2005 sammeln zehn weitere Zentren entsprechende Patientendaten.

 

Die Autoren:
Heidi Hartmann, zweite Vorsitzende, Öffentlichkeitsarbeit DDB LV Berlin
Dr. Jutta Hundertmark-Mayser, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Nakos
Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsreferent der vzbv
Dr. Gabriele Seestaedt, Leiterin des Referats Gesundheits- und Sozialpolitik, DMSG Bundesverband
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