Pharmazeutische Zeitung online

Fußball, Frauen, Faltencreme

17.12.2001  00:00 Uhr

WAS BISLANG ZU KURZ KAM

Fußball, Frauen, Faltencreme

von Daniel Rücker, Eschborn

Jedes Jahr dasselbe: Mehr als 4500 Seiten haben wir in 50 Ausgaben produziert. Wir hielten Sie über die Spargesetze auf dem Laufenden, bereiteten die Ereignisse um den Rückruf von Lipobay auf und gaben die Diskussion um die Stammzellforschung wieder. Trotzdem sind viele Themen liegen geblieben. Im letzten Heft des Jahres steigen wir deshalb vom akademischen Elfenbeinturm herunter und stellen mit Erstaunen fest: Es gibt noch ein Leben außerhalb der Apotheke.

Und dieses Leben ist bisweilen recht gefährlich, vor allem für Männer. Glaubt man den Agenturmeldungen, dann hat sich der Rest der Welt gegen das Geschlecht verschworen, das sich immer noch in grober Selbsttäuschung als stark bezeichnet. Im Teufelsdreieck zwischen Fußball, Frauen und Faltencreme drohen den Männern Gewalt, Krankheit und Tod.

Doch der Reihe nach. Beginnen wir mit dem Fußball: Offensichtlich magisch angezogen vom munteren Treiben unter freiem Himmel auf der grünen Wiese, pilgern wöchentlich hunderttausende von Männern in die Stadien. Doch dort lauert der Herztod. Wenn es gilt, einer Schar gut bezahlter Brasilianer, Ägypter und Bulgaren im Namen der Stadt Kaiserslautern den Rücken zu stärken, die gegen ein Freiburger Kollektiv georgischer, tunesischer und französischer Herkunft zu Felde ziehen, erwacht im Manne der ansonsten aus dem öffentlichen Leben verbannte Lokalpatriotismus.

Der Vorstoß in emotionale Grenzbereiche hat für einige Ballsport-Sympathisanten schlimme Folgen, zumindest für die Pfälzer. Ein Notfallmediziner aus Kaiserslautern hat festgestellt, dass die Gefahr, auf dem Betzenberg einem Herzstillstand zu erliegen, sechsmal höher ist als im normalen Leben.

Vorsicht, TV. Lebensgefahr!

Lebensgefahr droht aber auch vor dem TV-Gerät. Aus gegebenem Anlass möchten wir noch einmal auf eine Meldung aus PZ 5/2001 verweisen. Dort hatten wir berichtet, dass niederländische Wissenschaftler nach einem entscheidenden Länderspiel ihrer Mannschaft eine ungewöhnliche Häufung von Herzinfarkten und Schlaganfällen registriert hatten. Die knappe Niederlage der Holländer gegen Italien hat einigen Zuschauern das Herz gebrochen, leider im wörtlichen Sinn.

An dieser Stelle geht ein Dank der PZ-Redaktion an die deutsche Nationalmannschaft. Sie versteht sich immer wieder auf den herzschonenden Kick. Ein deutliches 1:5 ist allemal verträglicher fürs Organ als ein 4:3 nach Verlängerung. Jetzt warten wir auf den Werbe-Trailer zur Fußball-WM: "Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Herzstiftung".

Nicht allein die Liebe zum Fußball ist es, die dem Manne Schaden zufügt. Und wieder nähert er sich seinem Untergang aus freien Stücken. Wie ein britischer Psychologe feststellte, attackieren Frauen ihre Partner viel häufiger als bislang angenommen. Gewalt gegen Männer hat der Gewalt gegen Frauen mittlerweile den Rang abgelaufen. Allerdings sind die Verletzungen in der Regel nicht so schwer. Ob dies Ausdruck größeren Sanftmutes oder schlicht mangelnder Körperkraft ist, wollen wir an dieser Stelle nicht erörtern.

Doch manchmal droht bei der Annäherung ans Weib auch Lebensgefahr. Um ein Haar wäre ein junger Italiener Opfer seiner im Umgang mit Biowaffen versierten Gattin geworden. In einem Anflug von Sentimentalität drängte es ihn, seiner Frau vor dem Gang ins Büro einen Kuss auf die Wange zu drücken. Ein folgenschweren Fehler. Die Frau hatte ihr Gesicht mit einer Faltencreme auf Gräserbasis eingerieben. Der Mann war Pollenallergiker. Eine Cortisonspritze konnte das Äußerste verhindern. Die Naivität, hier an einen Unfall zu glauben, hat zumindest der männliche Teil der PZ-Redaktion verloren.

Sexsucht und Kondomvertrieb

Da kommt die Erkenntnis der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren nicht überraschend: "Zahl der Sexsüchtigen in Deutschland nicht sehr hoch", teilt die Organisation in der Fachzeitschrift "Sucht" mit. Wir wundern uns nicht. Auf den Schlachtfeldern des Geschlechterkampfes ist für Zärtlichkeit kein Platz. Wenn zwischengeschlechtlicher Körperkontakt zum Russischen Roulette wird, ist Abstinenz Lebensschutz.

Die Norweger sind da anders. Sie bereiten sich in jeder Lebenslage auf unvermittelten Sex vor. Im Sommer spendierte das städtische Gesundheitsamt den Osloern 50.000 Kondome. Verteilt werden sie dort, wo man sie am dringendsten braucht - im Taxi. "Kondom vergessen? Frag den Fahrer!", ermuntert ein Aufkleber in der Droschke den Gast, sich bei Bedarf an den Chauffeur zu wenden. Nach Ansicht der kommunalen Gesundheitswächter falle es im Taxi leichter, seine heiklen Wünsche loszuwerden. Vielleicht weil es nirgendwo so leicht ist, das Gespräch zwanglos in die richtige Richtung zu lenken: "Was für ein Verkehr heute wieder!" - "Apropos Verkehr, haben Sie vielleicht ein Kondom für mich?"

Zurück ins enthaltsame Deutschland. Hier wollen die Menschen anderes. Zum Beispiel Schlaf. Konkret Mittagsschlaf. Aber nicht irgendwo, nein, im Büro soll Zeit und Raum für das kleine Koma zwischendurch sein. "Jeder dritte Deutsche zwischen 14 und 60 Jahren träumt vom Mittagsschlaf am Arbeitsplatz", lautet das Ergebnis einer Umfrage der Berlin-Kölnischen Krankenversicherung. Experten springen den Schläfern mit harten Fakten zur Seite: Ein kurzes Schläfchen reiche für einen Energieschub aus.

Hardcore-Nickerchen im Büro

Die Amerikaner sind uns da mal wieder weit voraus. Was wir in stillen Träumen begehren, ist jenseits des Teichs bereits ein Trend. Der temporäre Bewusstseinsverlust auf Kosten des Arbeitgebers kommt dort auch nicht als schlichter Mittagsschlaf daher, sondern als "Power-Napping". Das hört sich zwar nicht sonderlich erholsam an, soll aber in amerikanischen Büros bereits weit verbreitet sein. Das Hardcore-Nickerchen gehört angeblich zwischen New York und Los Angeles bereits zum guten Ton. Wir wissen nicht so recht, was wir davon halten sollen. Wir fühlen uns so ausgebrannt..., irgendwie ein wenig müde..., jetzt, so direkt nach dem Mittagessen...

Schlecht beraten sind diejenigen, die zur Entspannung einen Saunagang einlegen. Die fatalen Konsequenzen ihres Handelns werden sie nicht wahrnehmen, ihre Umgebung dafür umso mehr. Denn: "Sauna lässt den Intelligenzquotienten sinken", sagt Siegfried Lehrl von der psychiatrischen Universitätsklinik Erlangen. Um 10 bis 14 Punkte sinkt die Hirnleistung nach einem Aufenthalt in dem überheizten Kiefernholzschuppen. Auch am nächsten Tag ist die hyperthermische Demenz noch nicht verschwunden. Mit stiller Sorge um unsere finnischen Mitbürger nimmt die PZ-Redaktion die dramatischen Auswirkungen dieses nordischen Freizeitvergnügens zur Kenntnis.

Zu lange in der Sauna war möglicherweise auch die Mitarbeiterin einer Agentur, über deren Namen wir an dieser Stelle den Mantel des Schweigens breiten wollen. Den Text über ein neues Desinfektionsmittel leitete sie mit der Erkenntnis ein, dass die Zahl der Desinfektionskrankheiten immer weiter ansteige. Derartig angefixt lasen wir das Elaborat natürlich bis zum bitteren Ende. Die Antwort auf die drängendsten Fragen offenbarte er allerdings nicht. Bis heute bleibt uns verborgen, was eine Desinfektionskrankheit ist; wer daran erkrankt - Menschen oder Toilettenschüsseln? Wie sind die Symptome? "Erst habe ich immer häufiger Jod getrunken, dann habe ich mich dann in meine WC-Ente verliebt." Wir befürchten, dass hier eine sich dramatisch ausbreitende Krankheit aus Unkenntnis in der Fachöffentlichkeit unterschätzt wird.

Was Sie schon immer über Pizza wissen wollten

Unterschätzt wird ganz offensichtlich auch eine kreisrunde mediterrane Spezialität, die im wesentlichen aus Mehl, Hefe, Wasser, Tomatensauce und Käse besteht. Der italophile Leser wird an dieser Stelle bereits vermuten, dass es sich hierbei nur um Pizza handeln kann. Unklar wird ihm allerdings sein, welches Potenzial in den beliebten Teigscheiben steckt. "Pizza ist ein Sonnenschutz", jubelt das Institut für Physiologische Chemie der Universität Düsseldorf.

Die Ingredienzien sollen der Sonne ihren Schrecken nehmen. Tomatenmark enthalte Lycopin. Carotinoide im Belag verstärken den Effekt. Täglich 40 Gramm Tomatenmark hätten dieselbe Wirkung wie Lichtschutzfaktor 2 bis 3. Wir nehmen dies zur Kenntnis, befürchten aber beim Sonnenbader Compliance-Probleme. 40 Gramm Tomatenmark pro Tag bringen Lichtschutzfaktor 2. Selbst bei der wohlwollenden Annahme einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung müsste man täglich 200 Gramm Tomatenmark konsumieren, um einen vernünftigen Sonnenschutz zu erzielen. Nur fanatische Saunafreunde werden die kognitiven Voraussetzungen mitbringen, ihre Ernährung auf eine Tomatenmarkmonotherapie umzustellen. Wer eine Pizza dennoch als Sonnenschutz verwenden will, dem empfehlen wir Folgendes: An zwei möglichst weit voneinander entfernten Stellen ein Loch in den Teig machen. Ein Band durchziehen. Dieses an den Enden verknoten und dann wie einen Sombrero auf den Kopf setzen. Das hilft nicht nur gegen Sonnenstrahlen, sondern garantiert dem mutigen Träger auch die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen.

Nicht länger vorenthalten wollen wir Ihnen auch die Erkenntnis eines Historikers. "Kinder werden immer erwachsener, Erwachsene werden immer kindischer", hat der Leiter des Nürnberger Spielzeugmuseums festgestellt. Für den zweiten Teil der Aussage können wir ein Beispiel liefern. Zum Africa Malaria Day stellte eine Hilfsorganisation ein Computerspiel vor, bei dem der Nutzer statt Moorhühner Anopheles-Mücken jagt. Dafür erhält er Punkte. Wer die meisten Punkte sammelt, erhält als Preis ein Moskitonetz. "Ganz nebenbei" lerne er dabei etwas über Ansteckungswege, Symptome und Prophylaxe der Infektionskrankheit.

Nun ist der spielerische Erkenntnisgewinn sicherlich eine der schönsten Formen des Lernens. Ob dieses Projekt aber den harten Anforderungen der Realität standhält, erscheint uns doch eher zweifelhaft. Nach unserem Wissensstand kommen Computer und Plasmodien nur selten in derselben Region vor. Noch kleiner dürfte die Zahl der Afrikaner sein, die zwar einen Computer besitzen, sich aber kein Moskitonetz leisten können. Jetzt warten wir darauf, dass Brot für die Welt für Kochbücher sammelt, schließlich wissen die Menschen in den Hungergebieten ja nicht, was sie kochen sollen. Top

© 2001 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Mehr von Avoxa