Menschen, Marken und Erfindergeist |
29.11.2004 00:00 Uhr |
* Aus Platzgründen musste eine Auswahl getroffen werden. Weitere Informationen bei Carl-Ewald Löwen, 12207 Berlin, Telefon (0 30) 7 12 71 28, aceloewen@freenet.de
Der Paderborner Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner experimentiert in der Apotheke am Domplatz mit der seit langem bekannten Droge Opium. Um 1804 isolierte er hier unter einfachsten Bedingungen das Morphin und prägte den Begriff Alkaloid. In zahlreichen chemischen Analysen und zum Teil lebensgefährlichen Selbstversuchen erforschte er die Eigenschaften der Substanz. Morphin ist Hauptbestandteil des etwa zehn Jahre später als Schmerzmittel eingesetzten Morphiums, benannt nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume. Sertürner gilt als Mitbegründer der Alkaloidchemie. Seit 1928 wird die gleichnamige Medaille für Verdienste in der Pharmazeutischen Wissenschaft verliehen.
Heinrich Emanuel Merck nimmt in seiner seit 1668 in Familienbesitz befindlichen Engel-Apotheke in Darmstadt 1821 die Herstellung von Morphium und anderen Alkaloiden auf. Aus diesen Anfängen entwickelt sich 1827 eine chemisch-pharmazeutische Fabrik. Sie stellt neben Arzneimittelgrundstoffen eine Vielzahl weiterer Feinchemikalien und ab 1900 auch Arzneifertigwaren her.
Unter dem Namen Bullrich-Salz ist seit 1827 eines der ältesten deutschen Fertigarzneimittel erhältlich. Bis heute kommt es mit dem Porträt seines Erfinders, Apotheker August Wilhelm Bullrich, in blau-weißer Aufmachung auf den Markt. Das vielseitige Hausmittel verdankt seine Verbreitung auch einprägsamen Werbeslogans in Straßenbahnen, Zeitungen und im Rundfunk: „Ist dir schlecht, so kann dich retten: Bullrich-Salz auch in Tabletten.“
Bei der Fülle von Arzneimitteln auf einem rasant wachsenden Markt wird es für Apotheker immer wichtiger, den Überblick über die Vielzahl der angebotenen Produkte zu behalten. Das von Franz Ludwig Gehe 1835 in Dresden gegründete Handelshaus, das in aller Welt Materialien zur Herstellung von Arzneimitteln beschafft und an Apotheken weiterverkauft, publiziert deshalb 1894 das erste Arzneimittelverzeichnis Deutschlands: Gehes Codex.
Der schweizerische Arzt Dr. Emanuel Wybert beobachtet auf einer Studienreise in Amerika Indianer, die ihre Erkältung durch Kauen von Süßholzwurzeln kurieren. Zurück in Basel, entwickelt er kleine rautenförmige Pastillen auf Süßholz-Basis. Das Rezept überlässt er der Goldenen Apotheke in Basel, die 1846 die ersten „Wybertli“ verkauft. 1921 wird die Wybert GmbH in Lörrach gegründet.
Nicht mit Süßholz, sondern mit Salz treten die Emser-Pastillen ihren Siegeszug an. Die Staatlichen Betriebe von Bad Ems pressen ab 1858 aus dem gewonnen Salzpulver die ersten Pastillen. Zwei Jahre später, 1860, bringt der Frankfurter Apotheker Karl Philipp Engelhard die Isländisch Moos Paste, die heutigen Isla-Moos-Pastillen als erstes Fertigarzneimittel in Deutschland auf den Markt. Wie der Dialon-Puder, sind sie Produkte der Engelhardschen Rosen-Apotheke. Sie stand am Anfang der 1872 gegründeten Fabrik pharmaceutischer Präparate. Engelhard gehörte zu den Mitbegründern der pharmazeutischen Industrie in Deutschland.
1866 gründet der erst 26-jährige Apotheker Dr. Willmar Schwabe in Leipzig eine Arzneimittelfabrik. Von Anfang an steht die Erforschung und standardisierte Herstellung pflanzlicher Zubereitungen im Vordergrund. 1871 eröffnet er in Leipzig die Homöopathische Central-Apotheke und erwirbt später eine zweite am Thomaskirchhof hinzu, in deren Haus sich heute das Sächsische Apothekenmuseum befindet. Die Firma wird 1946 von Leipzig nach Karlsruhe verlegt. In Leipzig geht die homöopatische Herstellung in das VEB Leipziger Arzneimittelwerk über. In Karlsruhe wird die Herstellung der homöopathischen Präparate in die 1961 gegründete Tochter, Deutsche Homöopathische Union, ausgegliedert und so die erfolgreiche Spezialisierung der beiden Bereiche fortgesetzt.
Der Chemiker Dr. Albert Knoll und sein Bruder, der Kaufmann Hans Knoll gründen im Oktober 1886 die Chemische Fabrik Knoll & Co. in Ludwigshafen. Albert Knoll entwickelt ein wirtschaftliches Verfahren zur Herstellung von Codein auf Morphiumbasis, so wird der Wirkstoff für Hustenmittel bedeutend preiswerter. 1930 zählt Knoll zu den sechs größten deutschen Pharmafirmen. Die BASF erwirbt 1975 eine Mehrheitsbeteiligung bei der Knoll AG, später folgt der vollständige Erwerb. Knoll und Abbott werden 2001 unter dem Namen „Abbott GmbH & Co. KG“ zusammengeschlossen. Von links nach rechts sind Packungen zu sehen aus den 20-er, 30er, 40er und 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Manche berühmte Pharma-Firma geht aus der Farbenindustrie hervor, so auch die „Friedrich Bayer & Co.“, gegründet 1863. Bereits 1888 richtet Bayer eine Pharmazeutische Abteilung ein, die bald den größeren Teil vom Gesamtumsatz erwirtschaftet. Aspirin macht Bayer weltweit bekannt.
Mit der Eintragung des Handelsnamens „Aspirin“ am 6. März 1899 in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamts in Berlin beginnt die Geschichte des erfolgreichsten Medikaments aller Zeiten. Zwei Jahre zuvor gelang es dem jungen Chemiker Felix Hoffmann Acetylsalicylsäure verträglicher zu machen. Zum 100- jährigen Jubiläum gab es eine Replik der ersten Aspirin-Flasche und eine nachgebildete Nostalgie-Dose von 1919.
Nach langen Versuchen entwickelt Paul Ehrlich 1910 ein erstes wirksames Medikament gegen Infektionen der Sexualorgane. Mit Salvarsan, dem weltweit ersten Heilmittel gegen die Syphilis, ist der Anfang der modernen Chemotherapie gemacht. Es hat anfangs noch gefährliche Nebenwirkungen. Zwei Jahre später beginnt mit dem verbesserten Neosalvarsan der Kampf gegen die Infektionskrankheit.
1917 gründen der Apotheker Albert Mendel und der Kaufmann Paul Preuß eine Drogen-Großhandlung in Berlin. Es entstehen eigene pharmazeutische Produkte in der Albert Mendel AG. Die 1932 bezogene neue Fabrik in Tempelhof wird im 2. Weltkrieg zerstört. Preuß gelingt es nach 1945 den Handel und die Produktion neu zu beleben. 1970 spezialisiert sich das Unternehmen auf Generika . Der erfolgreiche „Enkel“ der Albert Mendel AG heißt heute ct-Arzneimittel GmbH, Berlin.
Diese unscheinbaren Packungen aus den 50er-Jahren stehen für die Entdeckung des Antibiotikums Penicillin aus Fadenpilz 1928. Der britische Bakteriologe Alexander Fleming erhält dafür 1945 den Nobelpreis für Medizin. Seit 1943 wird Penicillin industriell hergestellt.
Die Spalt-Tablette wurde im Gründungsjahr der nach Professor Dr. med.
Hans Much benannten Aktiengesellschaft am 1. Juni 1932 eingeführt. Spalt
beginnt ihren Erfolgsweg in Berlin-Pankow - in 20er-Packungen, zum Preis
von 99 Pfennig. 1945 erfolgt die Enteignung und die Erklärung zum
„Volkseigenen Betrieb“. Das macht 1950 den Neuaufbau des Werkes in Bad
Soden im Taunus erforderlich.
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