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Die längste Geschichte der Welt

26.09.2005  00:00 Uhr
Evolution

Die längste Geschichte der Welt

von Karen Aust, Dresden

»Warum ist das Leben auf der Erde, wie es ist?« Nicht nur Philosophen, Theologen und Evolutionsforscher gehen dieser Frage seit langem nach, auch das Dresdener Hygienemuseum begibt sich in der Sonderausstellung »Evolution ­ Wege des Lebens« auf Spurensuche.

Der Geologe Charles Lyell (1791-1875), und der Biologe Alfred Russel Wallace (1823-1913), stellten schon fest, dass die Erde mit ihrer Vielzahl von Lebewesen nicht immer so war, wie sie sie kannten. Stetige, zum Teil fast unmerkliche Veränderungen in der Umwelt von Pflanzen und Tieren waren offensichtlich nicht ohne Folgen geblieben.

Charles Darwin (1809-1882), der ihre Schriften gelesen hatte, bemerkte Gemeinsamkeiten, aber auch Widersprüche zu seinen eigenen Beobachtungen. Durch seine leidenschaftlich betriebene Taubenzucht verstand er früh die Prinzipien der künstlichen Selektion. Als er 22-jährig auf dem Forschungsschiff H.M.S. Beagle zur Kartierung der Küste Südamerikas mitreiste, machte er auf den Galapagos-Inseln erstaunliche Beobachtungen. Fast ungestört hatte sich auf der noch heute als ökologisches Juwel geltenden Inselgruppe ein Nebeneinander zahlreicher Arten entwickelt.

Darwin beobachtete, dass sich stark ähnelnde Vögel, heute als Darwinfinken bekannt, deutlich verschiedene Schnabelformen aufwiesen und in ihren jeweiligen ökologischen Nischen friedlich nebeneinander existierten. Daraus folgerte er, dass sie gemeinsame Vorfahren gehabt haben müssten. Wie natürliche und sexuelle Selektion als Motoren der Evolution zur Veränderung von Arten führten, belegte er bereits in den ersten Kapiteln seines Buches zur Evolutionsforschung. Die Wissenschaftswelt war begeistert: Sein 1859 veröffentlichtes Lebenswerk »On the Origin of Species« (Die Entstehung der Arten) war bereits am Erscheinungstag vergriffen.

Darwin überzeugte

Darwins Erkenntnisse sind in der Evolutionstheorie tief verwurzelt. Selbstverständlich ist, dass sich das Leben auf der Erde in langwierigen, dynamischen Prozessen entwickelt hat.

Mit der Sonderaustellung führt das Dresdener Hygienemuseum seine Besucher durch die Etappen der Geschichte der Evolutionsforschung. Umgeben von einer Wanddekoration aus hellroten Anfangsbuchstaben der DNA-Basenbezeichnungen auf dunkelrotem Untergrund begegnet der Besucher den beeindruckenden Theorien Darwins und neuen Erkenntnissen der Forschung. Hier erfährt man, was den Menschen zum Menschen gemacht hat und bekommt Einblicke in die großen »Werkstätten« der Evolution.

»Weg von der Inszenierung und hin zur Vitrine«, mit diesem Konzept holte Klaus Vogel, Direktor des Hygiene Museums, einmal mehr eine unkonventionelle, didaktische Ausstellung in sein Haus, ohne den Besucher mit dem erhobenen Zeigefinger zu verschrecken. Ausgewählt platzierte Exemplare und Installationen spannen ein Netz, das für eigene Ideen viel Raum lässt.

Erblickt man das auf einem Sockel thronende Exemplar eines ausgestopften Hirsches mit seinem imposanten Geweih und daneben den Rad schlagenden Pfau, kommt unweigerlich die Frage auf, ob das Geweih im Alltag des Hirsches nicht ebenso hinderlich sein könnte wie die langen Schwanzfedern für den schillernden Vogel. Selektion setzt an zufällig variierter Ausstattung der Lebewesen an, ein Merkmal ist selten das denkbar beste. Oft ist es nur ein Kompromiss aus Vor- und Nachteilen. Pfauenschwanzfedern sind demnach gerade so prachtvoll, dass sie dem Tier bei der Partnerwahl, der sexuellen Selektion, von Vorteil sind, jedoch bei der Flucht vor Fressfeinden nicht zum Verhängnis werden.

Dass Evolution nicht nur im Tierreich stattfindet zeigt ein Blick auf den Wasserhahnenfuß (Ranunculus aquaticus). Hätte er auch unter Wasser dreilappige Blätter, könnte er keiner noch so leichten Strömung standhalten. Die ausgestellte Nachbildung zeigt, was beim Betrachten der schwimmenden Pflanzenteile unerkannt bleibt: Gefiederte Unterwasserblätter setzen dem Wasser weniger Widerstand entgegen, so dass selbst starke Strömungen der Pflanze nichts anhaben können.

Dass Darwins Erkenntnisse nur die Basis der Evolutionsforschung sind, wird mit jedem weiteren Ausstellungsstück deutlicher. Was wohl der Mensch mit der Fliege gemein hat? Leicht verständlich wird gezeigt, was ein Hox-Gen ist und welchen Stellenwert Verhalten und die Entwicklung von Kulturen in der Evolutionstheorie einnehmen.

Präparierte Vertreter verschiedener Hunderassen, vom Schoßhündchen bis zum Bernhardiner, geleiten den Besucher in den abschließenden Teil der Ausstellung. Zu seinem eigenen Nutzen griff der Mensch schon früh in natürliche Selektionsprozesse ein. Es wird vermutet, dass die Domestizierung des Hundes bereits vor 12.000 Jahren begann.

Bewusst und unbewusst bewegte der Mensch einzelne Rädchen im Uhrwerk der Evolution. Bestehende Ökosysteme geraten dadurch aus dem Gleichgewicht, es entstehen aber auch neue. Beispielsweise haben sich Fledermäuse an das Stadtleben gewöhnt. Allein in Berlin sind 16 Arten beheimatet. Wie sich Populationen in Ökosystemen ausbreiten, in denen es an Artenvielfalt fehlt, zeigt sich an der vermutlich aus Asien stammenden Miniermotte. Deren Population wächst so lange es Kastanienbäume gibt, von deren Blättern sich die Larven bis zur Verpuppung ernähren.

Anschaulich erläutert die Ausstellung, welche Gefahren, aber auch welche Chancen, vor allem auf medizinischem Gebiet, die Gentechnik und der technische Fortschritt mit sich bringen. Folgenlos scheinen die Eingriffe des Menschen in gewachsene ökologische Strukturen nicht zu sein. Wie lange wohl ein Virus für eine Reise um die Welt braucht?

Das Buch zur Ausstellung

Warum sind Schweine nackt? Wie lautete das erste gesprochene Wort? Diese und 18 weitere Fragen, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen interessieren, wurden anlässlich der Ausstellung an 20 namhafte Wissenschaftler weitergereicht. Dabei entstand unter der Federführung von Johann Grolle, Leiter des »Spiegel«-Wissenschaftsressorts, das Buch »Evolution. Wege des Lebens«. Unterhaltsam vermittelt es elementares Fachwissen der Evolution. Nicht unberührt bleiben auf den 214 Seiten auch Fragen nach Sinn und Unsinn menschlicher Eingriffe in natürliche, gewachsene Prozesse und den Gefahren, denen er sich aussetzt, wenn er unbekanntes Terrain betritt.

 

Evolution. Wege des Lebens.
Hrsg.: Johann Grolle für das Deutsche Hygiene-Museum;
DVA Deutsche Verlagsanstalt, München 2005,
ISBN 3-421-05904-7; 19,90 Euro.

Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Sonderaustellung »Evolution ­ Wege des Lebens«,
geöffnet vom 24. September 2005 bis 23. Juli 2006,
Lingnerplatz 1,
01069 Dresden,
Telefon: (03 51) 48 46 304,
info@dhmd.de
www.dhmd.de

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