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Auf den Spuren der Hardenbergs

26.08.2002  00:00 Uhr

Oderbruch

Auf den Spuren der Hardenbergs

von Bernd Theimann, Eschborn

Im Grenzland zwischen Deutschland und Polen, im östlichen Brandenburg, liegt das Oderbruch. 60 Kilometer lang und 15 Kilometer breit – Ziel einer historisch-kulturellen Tagesfahrt anlässlich der Expopharm und des diesjährigen Deutschen Apothekertages in Berlin.

Mitten durch dieses Gebiet fließt die Oder als natürliche Grenze zur polnischen Republik. In zweiten Teil seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ widmet sich Theodor Fontane diesem Landstrich, einem großflächigen, menschenleeren Naturschutzgebiet mit seltenen Tieren und Pflanzen. Zu DDR-Zeiten galt die Region als Gemüsegarten der Hauptstadt Berlin. 60.000 Tonnen Gemüse lieferten die Produktionsgenossenschaften jährlich dorthin.

Die historisch-kulturelle Tagesfahrt führt die Teilnehmer zunächst nach Lietzen, das in einer landschaftlich reizvollen, von See, Park und Hügeln umgebenen Landschaft liegt. In Lietzen sind die steinernen Zeugen der Templer- und Johanniterritter anzutreffen. Unter ihrem Schutz siedelten sich Kolonisten aus aller Herren Länder an. Die Komturei (Verwaltungsbezirk eines Ritterordens) Lietzen war vermutlich seit 1229 im Besitz des Templerordens. Ein Teil der Klostermauer ist noch zu sehen. Nach der Auflösung des Templerordens 1312 ging der größte Teil des Besitzes an den Johanniterorden über. Die Komture (Ordensritter) von Lietzen, waren vertraute Berater der brandenburgischen Kurfürsten.

Im Zuge der Säkularisierung war Lietzen seit 1810 preußisches Eigentum. Durch königliche Schenkung im Jahre 1814 wurde Lietzen Bestandteil der Standesherrschaft des Staatskanzlers Fürst Hardenberg. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren die Hardenbergs mit ihren elf Gütern und 8000 Hektar Land die größten Landbesitzer des Oderbruchs. Wegen der Teilnahme des Grafen Carl-Hans von Hardenberg am Stauffenberg-Attentat vom 20.Juli 1944, erfolgte die Enteignung durch die Nationalsozialisten. Die Ländereien, nach 1945 in die Bodenreform einbezogen, wurden 1993 im Rahmen der Restitutionsansprüche an die Familie rückübertragen.

Einschiffige Kirche mit fünfseitigem Ostschluss

Die alte Komtureikirche in Lietzen hat ihren Ursprung vermutlich im 13. Jahrhundert. Die älteste Bausubstanz dieser einschiffigen Kirche besteht aus Granitmauerwerk. Der fünfseitige Ostschluss mit den äußeren Strebepfeilern aus Backstein, das schöne Gewölbe im Schiff und die größeren, spitzbogigen Fenster stammen aber aus dem 15.Jahrhundert. Die ursprünglich romanisch-rundbogigen Fenster sind als vermauerte Nischen an der Süd- und Nordseite des Gebäudes noch erkennbar. Der Fachwerkturm mit dem viereckigen, laternenartigen Aufbau stammt aus jüngerer Zeit, die Wetterfahne trägt die Jahreszahl 1727. Der vielfarbig bemalte, reich geschnitzte Kanzelaltar auf dem mittelalterlichen Stein-Unterbau stammt vermutlich aus dem 18. Jahrhundert.

Die Fahrt geht weiter nach Friedersdorf, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts im Besitze der Familie von der Marwitz, die zu den ältesten Familien in der Mark gehört. Ein herausragender Vertreter dieses Geschlechts war der im Jahre 1777 in Berlin geborene Friedrich August Ludwig von der Marwitz, dessen politisches Auftreten einen Wendepunkt im staatlichen Leben bedeutete. Erst seit von Marwitz’ Zeiten existierte in Preußen ein politischer Meinungskampf. In Friedersdorf erfahren die Besucher, wie dieser seinem König gegenüber Befehle verweigert hat. Der erste Bundespräsident nach dem Zweiten Weltkrieg, Theodor Heuss, bezeichnete das auflehnende Verhalten von der Marwitz’ als Ausdruck der „moralischen Substanz Preußens“.

Neogotischer Stuck

In Seelow besuchen die Exkursionsteilnehmer eine Gedenkstätte, die an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert – dieser Ort wurde unter anderem bekannt durch die Schlacht auf den Seelower Höhen, eine der letzten blutigen Schlachten des Zweiten Weltkriegs. In unmittelbarer Nachbarschaft, am Rande der Seelower Höhen, liegt Gusow, das anschließend besucht wird. Besondere Aufmerksamkeit verdient das zweigeschossige Schloss, das im neugotischen Stil errichtet wurde. Der Gartensaal des Schlosses weist noch heute reichhaltige neogotische Stuckarbeiten auf und ermöglicht einen Blick in den großen Landschaftspark. Ein Museum in den unteren Räumen des Schlosses gibt Einblick in die wechselvolle brandenburgisch-preußische und deutsche Geschichte. Der bekannteste Gusower, Generalfeldmarschall Georg Freiherr von Derfflinger, der Schöpfer der brandenburgischen Armee, hat einen besonderen Platz in dieser Ausstellung.

Anschließend geht es weiter zur Schlossanlage Neuhardenberg, deren Ursprünge auf das Ende des 17. Jahrhunderts zurückgehen. Im Jahre 1814 erhält der preußische Staatskanzler Karl-August Freiherr von Hardenberg auf Grund seiner besonderen Verdienste um die Reformen („Stein-Hardenberg’schen Reformen“) in Preußen von König Friedrich Wilhelm III. das Schloss zum Geschenk. Er benennt es vom ursprünglichen Namen „Quilitz“ in „Neuhardenberg“ um. Um 1820 wird das Schloss nach Plänen von Schinkel in ein zweigeschossiges klassizistisches Palais umgebaut, der Gartenarchitekt Fürst Pückler gestaltete den Park. Im Altar der Schlosskapelle wird bis heute das einbalsamierte Herz des Kanzlers aufbewahrt. Im Zweiten Weltkrieg war Neuhardenberg Treffpunkt der Widerstandsgruppe um Stauffenberg, die das Attentat auf Hitler verübte. Die historisch-kulturelle Tagesfahrt endet im Schloss mit einem musikalischen Ausklang. Top

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