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Kaiser Claudius' letzter Seufzer

21.07.2003  00:00 Uhr
Giftmord antik

Kaiser Claudius' letzter Seufzer

von Wiebke Plambeck, Hamburg

Giftmorde waren in der römischen Antike an der Tagesordnung. Viele berühmte Herrscher fielen den tückischen Anschlägen von Intriganten zum Opfer. Bevorzugt wurden Substanzen, für die es noch keine Gegengifte gab. Die Erforschung der gefährlichen Pflanzen fand in gut geschützten Gärten statt – in ständiger Angst vor einem Giftanschlag.

Für den vierten römischen Kaiser Claudius (Regierungszeit 41 bis 54 n. Chr.) kam jede Hilfe zu spät. Das Gift, das ihm seine vierte Frau Agrippina während eines Staatsbanketts unter eines der exotischen Gerichte gemischt haben soll, war sein Geld wert. Es wirkte zuverlässig und schnell. Zwar konnte sich der Herrscher noch in seine Gemächer schleppen – dort angelangt, blieben ihm allerdings nur noch wenige Minuten zu leben. Vorsorglich hatte Agrippina auch Claudius Leibarzt Xenophon für ihr Komplott gewinnen können. Er rief den bei einer Vergiftung in der Antike umgehend eingeleiteten Würgereiz mit Hilfe einer Vogelfeder hervor. An diesem Abend war diese allerdings vergiftet – doppelt hält besser.

Der Kaiser fiel vermutlich einer Vergiftung mit blauem Eisenhut (Aconitum napellus) zum Opfer, einem bei entsprechender Dosierung schnell wirksamen Gift. Plinius der Ältere bezeichnete es in seiner Historia naturalis auch als pflanzliches Arsen. Der Sage nach soll der Eisenhut aus dem Geifer des Höllenhundes Cerberus entstanden sein, als dieser das Tageslicht erblickte. Die Wirkung des Gifts war damals ausführlich erforscht worden. Theophrast wusste bereits im 4. Jahrhundert vor Christus, dass das „akoniton“ entweder so zubereitet werden könne, dass der Tod des Vergifteten erst nach Monaten oder gar Jahren eintrat, oder wie bei Claudius innerhalb weniger Minuten oder Stunden. Aconitum, aus der frisch blühenden Pflanze gewonnen, wird heute nur noch in der Homöopathie bei Fieber und Nervenschmerzen, insbesondere bei Trigeminusneuralgien, verwendet.

Der von Cassius Dio beschriebene spektakuläre Mord war kein Einzelfall. Dioskurides, dessen pflanzenheilkundliches Werk grundlegend für die abendländische Botanik bis in die frühe Neuzeit werden sollte, schrieb schon im ersten Jahrhundert nach Christus: „Die Vorbeugung gegen Gifte ist schwierig, weil die, welche heimlich Gift geben, es so anstellen, dass auch die Erfahrensten getäuscht werden.“

Der Handel mit Giften war gefährlich, aber äußerst lukrativ. Häufig waren es Frauen, die sich mit diesem zwielichtigen Gewerbe ihren Lebensunterhalt verdienten. Die berühmte Giftmischerin Lucusta (lat.: Eidechse), auf die sich Agrippina nicht erst seit dem Mord an ihrem Ehemann verließ, stand in der Nachfolge mythischer Namen wie Medea oder Kirke, beides Töchter der Göttin Hekate, deren Priesterinnen zu so genannten Giftkundigen ausgebildet wurden.

Angst vor einem Giftanschlag

Damals wie heute bedeutete Macht auch gleichzeitig Gefahr für das eigene Leben. Je eher man gegen einen eventuellen Anschlag gewappnet war, desto besser. „Diebe und Raubvögel machen mir weniger zu schaffen als jene Gesellen, die durch Zauberlieder und giftige Tränke den Menschen den Kopf verrücken.“ So beschreibt Horaz die ständige Angst vor einem Giftanschlag, mit der ein antiker Herrscher leben musste.

Attalos III. (171 bis 133 v. Chr.), der letzte König von Pergamon, besaß einen Garten, in dem er neben Heilpflanzen, wie der damals häufig verwendeten Nieswurz, auch Giftpflanzen wie Schierling oder Eisenhut zog. Der offensichtlich unter Verfolgungswahn leidende Herrscher liebte es, seinen Feinden, Freunden und Verwandten ganze Kräuterbouquets aus essbaren und giftigen Pflanzen zu schicken, um deren Zusammenwirken zu testen.

Mit Kalkül, aber wenig Gewissensbissen erprobte der berühmte König Mithridates von Pontus (ca. 132 bis 63 v. Chr.) seine selbst erfundenen Giftmischungen. Die Opfer waren meistens bereits zum Tode verurteilte Straftäter. Er selbst soll täglich verschiedene Gegengifte in hohen Dosen zu sich genommen haben. Die so erworbene Immunität führte letztendlich dazu, dass ihm sein eigener Selbstmord misslang.

Die von Mithridates dokumentierten Ergebnisse seiner Untersuchungen fielen später dem römischen Staatsmann und Feldherrn Gnaeus Pompeius in die Hände, der diese „mit großem Vergnügen las“ und mit nach Rom brachte, wo sie als wertvolle Quellen für die Giftsammlungen der römischen Kaiser fungierten.

Nach dem Tod des Caracalla (Regierungszeit 211 bis 217) fand man „eine Große Anzahl von Giften jeder Art, die im oberen Asien vorkommen, welche er sich gekauft hatte, um sich aller derer zu entledigen, die zu töten ihm beliebten.“ Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurden diese Vorräte vernichtet, da der Besitz von Giften offiziell verboten war. Ironischerweise ließ Kaiser Claudius vorsorglich die Sammlung seines Vorgängers und Neffen Caligula (Regierungszeit 37 bis 41) mitsamt den dazu gehörigen Büchern öffentlich verbrennen – wie man weiß ohne großen Erfolg für seine eigene Sicherheit. Gift ließ sich in Rom nahezu an jeder Straßenecke kaufen.

 

Literatur

  • Cassius Dio, Historia Romana, Buch LX
  • Cassius Dio, Historia Romana, Buch LXI, 34
  • Horaz, Sermonum, Liber Primus
  • Plutarch, Pompeius
  • Dioskurides, Liber de venenus

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