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Stumme Zeugen

08.07.2002  00:00 Uhr

Stumme Zeugen

von Brigitte M. Gensthaler, Ingolstadt

Knochen sind unbestechlich. Noch Jahrhunderte, sogar Jahrtausende nach dem Tod des Menschen erzählen sie von Verletzungen, Brüchen und Krankheiten, die „ihr“ Mensch einst erlitten hat. Ebenso künden sie von harter Arbeit und Mangelernährung.

Eine „ganz besondere, fast sensationelle Ausstellung“ präsentiert Museumsdirektorin Professor Dr. Dr. Christa Habrich derzeit im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt. Unter dem Titel „Stumme Zeugen ihrer Leiden“ werden Leihgaben der Osteopathologischen Sammlung der Eberhard-Karls-Universität Tübingen gezeigt. Die Skelettreste stammen aus dem Zeitraum vom Neolithikum bis in die Neuzeit, wobei Knochenfunde aus einer Krypta in Vaihingen/Enz aus dem 14. bis 16. Jahrhundert den Schwerpunkt bilden. Mit Hilfe moderner diagnostischer Verfahren konnte man rückschließen auf Krankheiten, Unfälle und Lebensumstände.

Meist muss man genau hinsehen, um „die Abweichungen vom Normalen der knöchernen Gestalt“ zu sehen, wie es Dr. Alfred Czarnetzki von der Uni Tübingen bei der Eröffnung Ende Juni formulierte. Ganz offensichtlich ist der Schaden, wenn ein Schwerthieb ein Loch in den Schädel geschlagen hat. Genauere Informationen liefern die Wundränder. Abgerundete Kanten zeigen an, dass der Verletzte das Drama einige Zeit überlebt hat. Eine löchrige Struktur im neu gebildeten Knochen deutet auf eine Entzündung hin, die möglicherweise zum Tod geführt hat.

Gerade an Hiebverletzungen wird das ärztliche Wirken deutlich. 60 Prozent der schweren Verletzungen wurden überlebt, berichtete Czarnetzki, denn die Ärzte beherrschten schon früh die Kunst der Blutstillung und aseptischen Wundbehandlung. Sogar Knochensplitter wurden wieder zusammengefügt und Schenkelhalsfrakturen reponiert. Der Erfolg war oft gut, aber manchmal resultierten gravierende Fehlstellungen daraus. Vom ärztlichen Können zeugen auch Trepanationen, also Schädelöffnungen.

Karies und Knochenfraß

Eine der ältesten nachweisbaren Krankheiten ist die Zahnkaries. Ein Bewohner aus Zambia litt offensichtlich bereits 350.000 Jahre vor Christus an Karies und Parodontitis. Völlig abgeschliffene Zähne, Entzündungen im Mund und Fehlstellungen der Zähne bereiteten den Menschen rasende Schmerzen und erhebliche Probleme beim Essen. Unvorstellbar in unserer heutigen Zeit – da behandelbar – ist eine Aktinomykose, eine örtliche Pilzinfektion, die sich bis in den Knochen hineinfraß und den Patienten mit schlimmen Schmerzen quälte und entstellte.

Mit ein wenig Phantasie kann sich der Besucher leicht ausmalen, wie schmerzhaft das Leben in früheren Jahrhunderten sein konnte. Schwerste Abnutzung der Gelenke und Wirbelsäule, Osteoporose, Arthritis und Arthrose, Infektionen, Tumoren und Knochenmetastasen verursachten rasende Qualen, denen der hart arbeitende Mensch kaum entkommen konnte.

Knochen verraten auch Überraschendes. So ist die Rachitis ausgesprochen selten in der frühen Zeit. Zum großen Problem wird sie in der Zeit der industriellen Revolution, als Heerscharen von mangelernährten Kindern in geschlossenen Räumen schuften mussten, erklärt die kommissarische Leiterin der osteologischen Sammlung, Dr. Miriam Haidle.

Dem eiligen oberflächlichen Besucher mag die Ausstellung knochentrocken erscheinen. Das Ausstellungsgut ist ein „sehr forderndes Material“, das man genau betrachten muss, um seine Aussage zu erkennen, sagt die Pharmazie- und Medizinhistorikerin Habrich. „Es konfrontiert uns mit unser aller Ende und beweist zugleich, dass früher nicht alles besser war.“ Wer die knöcherne Botschaft verstanden hat, wird sich dankbar an seinen Zahnarzt oder Orthopäden erinnern.

 

Die Ausstellung „Stumme Zeugen ihrer Leiden“ ist bis zum 25. August zu sehen im

Deutschen Medizinhistorischen Museum
Anatomiestraße 18-20
85049 Ingolstadt.

Alle Ausstellungstücke sind beschrieben in einem wissenschaftlichen Katalog von Alfred Czarnetzki und Stefanie Kölbl, der für 15 Euro an der Museumskasse erhältlich ist.

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