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Besuch im Grenzland der Gefühle

02.05.2005  00:00 Uhr

Besuch im Grenzland der Gefühle

von Karen Aust, Berlin

Wer vom Borderline-Syndrom betroffen ist, lebt in einer Welt der Extreme und trifft oft auf das Unverständnis seiner Mitmenschen. Die Ausstellung »Tagebuch Borderline-Borderland« im Berliner Kleisthaus soll auf Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung aufmerksam machen und so ein Zeichen gegen deren gesellschaftliche Ausgrenzung setzen.

Psychische Leiden gehören zu den gesellschaftlichen Tabuthemen. Eines der wohl häufigsten psychischen Handikaps junger Menschen ist das Borderline-Syndrom. Es manifestiert sich bei etwa 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen.

Borderline wird als Erkrankung zur Grenze der Schizophrenie aufgefasst. Es kann sich in alternierenden psychotischen und neurotischen Episoden äußern. Die Vielzahl der Symptome wird vor allem auf schwierige Beziehungserfahrungen in der Kindheit zurückgeführt. Viele Borderline-Patienten leiden durch ihr paradox-sprunghaftes Verhalten und eine verzerrte Selbst- und Fremdwahrnehmung an einer mangelnden Beziehungsfähigkeit. Einen lieb gewonnen Menschen können sie so für einen Moment wütend ablehnen, um ihn kurz darauf leidenschaftlich zu vergöttern. Depressionen, Panikattacken und extreme Verlustängste tragen weiterhin ihren Teil dazu bei, dass am Borderline-Syndrom erkrankte Menschen von ihren Mitmenschen nicht nur missverstanden, sondern regelrecht abgelehnt werden.

Mit der Kunst als Ausdrucksform soll in der Ausstellung »Tagebuch Borderline-Borderland« die Öffentlichkeit für Menschen mit psychischen Problemen sensibilisiert werden. Während der Eröffnungsveranstaltung würdigte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die im Mittelpunkt der Ausstellung stehenden Collagen der Aachener Graphik-Designerin Martina Schwarz. »Die Bilder und Texte öffnen für Ängste und Zweifel der Betroffenen«, sagte die Ministerin.

Schwarz, die selbst am Borderline-Syndrom erkrankt ist, befasste sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Erleben dieses psychischen Grenzganges. Für ihr Werk befragte sie Borderline-Patienten nach ihren Erfahrungen mit der Erkrankung. Die Graphik-Designerin fasste diese Aufzeichnungen zusammen und ergänzte sie durch ergreifendes Bildmaterial. Jede einzelne Komposition beschreibt eindrucksvoll wie die Betroffenen die Suche nach sich selbst und die Enttäuschung darüber, von anderen Menschen nicht genug geliebt zu werden in tiefe Selbstzweifel treibt. Die In-Frage-Stellung der eigenen Person, die bis zur Selbstverachtung gehen kann, führt Borderline-Patienten auf einen schmalen Pfad zwischen Leben und Tod. Um diesem Druck zu entkommen, führen sie sich nicht selten schwere Verletzungen zu. Einige finden sich sogar überhaupt nicht mehr zurecht und entscheiden sich wie Janine F. gegen das Leben. Der ihr gewidmete, gleichnamige Film wird im Rahmen einer Filmreihe zur Ausstellung am 26. Mai im Kleisthaus gezeigt. Für Schmidt besteht der große Wert der Berliner Ausstellung darin, Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung »selbst zu Wort kommen zu lassen, um als Exper-ten in eigener Sache gehört und ernst genommen zu werden«. In Anlehnung an Schmidts Aussage richtete sich der Arzt und Psychotherapeut Dr. Ewald Rahn im Rahmen der Ausstellungseröffnung an seine Patientin Christiane Tilly. Durch deren beeindruckendes Gespräch öffnete sich für den Besucher die Erlebnis- und Gefühlswelt einer Borderlinerin.

Tilly erfuhr ihre Erkrankung als ein Leben zwischen »tief Schwarz bis grell Pink«. Sie berichtete, wie Liebe und Leid oft in einem Augenblick aufeinander träfen. »In solchen Situationen kann man sich nie auf sich selbst verlassen«, so die Patientin. Doch seien diese Erfahrungen für sie nicht immer nur schrecklich gewesen: »Borderline ist ebenso faszinierend und so bunt wie ein Regenbogen.«

Rahn zufolge könne sich die Psychotherapie zur Zeit bei der Behandlung des Borderline-Syndroms auf einen nur geringen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz verlassen: »Psychiater lernen derzeit mehr von Borderlinern als umgekehrt«, sagte Rahn. Auffallend sei, dass es den Betroffenen schwer fiele, vor allem in zwischenmenschlichen Situationen angemessen zu reagieren. Der Gedanke, allein gelassen zu werden erzeuge ein Gefühl der inneren Leere, mit dem diese Menschen nicht zurechtzukommen würden.

Der Behindertenbeauftragte Karl Hermann Haack und das Bundesgesundheitsministerium wollen mit dieser Ausstellung Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, ermutigen, die »Grenze in Richtung Leben zu überschreiten«.

Die Ausstellung mit ihren Bildern und Tagebuchaufzeichnungen von Borderlinern sowie Interviews und Filmen mit und über Menschen mit psychischen Grenzerfahrungen kann noch bis zum 15.Juli 2005 im Berliner Kleisthaus besucht werden. Top

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