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Der Zuckerfabrikant

28.04.2003  00:00 Uhr
Franz Carl Achard

Der Zuckerfabrikant

PZ/Bernard Unterhalt, Marburg  Franz Carl Achard war Schüler und Mitarbeiter des Apothekers Andreas Sigismund Marggraf, der 1747 in der Runkelrübe Saccharosekristalle entdeckt hatte. Nach ausgedehnten Anbauversuchen zur Steigerung ihres Zuckergehalts errichtete er 1801 die erste Rübenzuckerfabrik der Welt. Von dem vielseitig interessierten, rastlos tätigen Mann erschienen mehr als 200 Publikationen.

Anders als der Grundlagenforscher Marggraf war Achard an der wirtschaftlichen Verwertung des Rübenzuckers interessiert. In einem Brief an den preußischen König Friedrich Wilhelm III wies er 1799 darauf hin, dass Marggraf zwar den Zucker in den Rüben nachgewiesen habe, diese wichtige Entdeckung jedoch seit 52 Jahren ruhe. Erst Achard machte die Entdeckung von 1747 also zu einem Thema.

Der Spross aus Frankreich geflohener Hugenotten wurde vor 250 Jahren, am 28. April 1753, in Berlin als Sohn des aus Genf stammenden Pastors Guillaume Achard und dessen Ehefrau Marguerite geboren. Er studierte Physik und Chemie und veröffentlichte bereits 1773 erste physikalische Aufsätze. Im Oktober 1774 wurde er in die „Naturforschende Gesellschaft in Berlin“ als Ehrenmitglied aufgenommen. Mit 23 Jahren schloss er sich Marggraf an der Berliner Akademie an und wurde ein Jahr später Professor für Chemie. Nach dem Tode Marggrafs 1782 folgte er ihm als Direktor der Physikalischen Klasse der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin nach. Ein Student charakterisierte seinen Lehrer mit folgenden Worten: „Achard ist ein kleiner, jetzt äußerst schlecht aussehender, aber nicht unangenehmer, lebhafter Mann, der in seinem märkischen Dialekt recht gut und deutlich spricht“.

Ab 1784 züchtete er auf seinem Gut in „Caulsdorff ohnweit Berlin“ zuckerhaltige Gewächse, darunter auch Runkelrüben. Gewinnung und Reinigung des Zuckersafts sowie die Kristallisation der Saccharose wurden studiert und Großversuche unternommen. Achard gelang es, den Zuckergehalt der Rüben durch Züchtung von 1,6 auf 5 Prozent zu steigern (heute sind es 15 bis 20 Prozent). Schließlich errichtete er mit Unterstützung von Friedrich Wilhelm III. im schlesischen Cunern eine Rübenzuckerfabrik, die 1802 aus je 100 Kilogramm Rüben 4 Kilogramm Rohzucker lieferte und eine tägliche Verarbeitungskapazität von 3,5 Tonnen Rüben erreichte.

Am 21. März 1807 brannte die Fabrik in weniger als zwei Stunden ab und wurde 1812 als Lehranstalt für die Zuckergewinnung wieder eröffnet. 1809 erschien Achards dreiteiliges Standardwerk „Die europäische Zuckerfabrikation aus Runkelrüben in Verbindung mit der Bereitung des Brandweins, des Rums, des Essigs und eines Coffee-Surrogats aus ihren Abfällen“. Ein Jahr später wurde Achard als Direktor der Physikalischen Klasse abgelöst und pensioniert.

Die Rübenzuckerindustrie in Preußen blühte nur so lange, wie sie durch die napoleonische Kontinentalsperre zwischen 1806 und 1813 gegen die „westindische“ Konkurrenz geschützt war. Nach dem Sturz Napoleons, als der Rohrzucker wieder ins Land strömte, war es mit dem Rübenzucker vorbei, und für die Industrie begann eine unaufhaltsame Talfahrt. Auch die Achardsche Lehranstalt wurde geschlossen. Achard starb verarmt und vergessen, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, am 20. April 1821. Auf der Rückseite des Grabsteins in der Nähe von Cunern auf dem Friedhof von Herrnmotschelnitz steht der Satz: „Heiter und leicht ist der Tod des Gerechten, groß ist sein Lohn“.

 

Literatur

  • H. Olbrich, Zucker-Museum Berlin, Druckhaus Hentrich, Berlin 1889.
  • A. Neubauer, Das süße Salz, MAZZ-Verlagsges. mbH, Berlin 1997.
  • B. Unterhalt, Zuckerrübenindustrie begann vor 200 Jahren, Pharm. Ztg. 144, 2555 (1999); dort weitere Literaturhinweise.
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