Pharmazeutische Zeitung online

Die Revolution des Sehens

30.04.2001  00:00 Uhr

Ingelheimer Tage

Die Revolution des Sehens

von Ulrike Abel-Wanek, Ingelheim

Dass Künstler wie Manet, Degas oder Toulouse-Lautrec ihre besten Anregungen den Japanern verdanken, ist zurzeit in einer außergewöhnlichen Ausstellung über den Einfluss der japanischen Kunst auf Europas Moderne um 1900 zu sehen. Das Alte Rathaus in Ingelheim zeigt vom 29. April bis 1. Juli 2001 rund 180 Werke von Manet bis Klimt, von Tiffany bis zu den Wiener Werkstätten und stellt sie farbenprächtigen Holzschnitten aus Fernost gegenüber.

Kühne Bildausschnitte, hochgezogene Horizonte, die Vereinfachung der Form oder einfach leere Fläche - die japanischen Künstler offenbarten eine Auffassung von Wirklichkeit, die die westliche Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht kannte. Radikale Reduktion zum Beispiel auf dem weltbekannten Künstlerplakat "Aristide Bruant" von 1893. Der Chansonnier der Pariser "Demimonde", porträtiert von Toulouse-Lautrec, steht als beinahe lebensgroße Rückenfigur vor einfarbig gelbem Hintergrund in großflächig angelegtem Schwarz und zeigt auf einen Blick die japanischen Wurzeln - sparsam, diszipliniert, unter Verzicht auf Licht und Schatten.

Und doch zeigt Ingelheim keine Japan-Ausstellung. Vergebens wird der Besucher nach Kimonos, Lackkästen, Teehäusern, Fächern oder Ikebana suchen, die es bereits 1967 auf den Ingelheimer Tagen zu sehen gab, als dem fernöstlichen Land eine große Präsentation gewidmet war. 34 Jahre später setzt das Konzept weniger auf Sichtbares und Alltägliches als vielmehr auf Inspiration. Gegenstand der Ausstellung ist der Japonismus, die Inspiration aus Fernost auf die Avantgarde des Abendlandes. "Was die japanische Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa ausgelöst hat, führte zu einer tiefgreifenden Revolution des Sehens, die uns heute kaum noch bewusst ist, da sie uns so selbstverständlich geworden ist", so Dr. Patricia Rochard, verantwortlich für die Konzeption und Leiterin der Ausstellung.

Nach über 200 Jahren Isolation öffnete sich Japan 1854 Europa. Die Weltausstellungen in London 1862, Paris 1867 und Wien 1873 konfrontierten die Öffentlichkeit mit einer völlig neuen Ästhetik. Und trafen die Künstler an einem offen liegenden Nerv. Sie steckten in der Krise, suchten neue Ausdrucksformen: weniger naturalistisch und detailverliebt, mehr Klarheit statt tupfenhafter Pinselstrich. Im Bewusstsein einer "fin-de-siècle"-Stimmung wurde die ostasiatische Gestaltung als frisch und unverbraucht empfunden, befreit von den Schlacken des Historismus. Der Mut der Japaner zum Wesentlichen, die ungewöhnlichen Farbzusammenstellungen entsprachen ihren auf Erneuerung bedachten Vorstellungen. Es ging nicht um Imitation vordergründiger, einzelner Bildmotive (Monet malte seine Frau Camille 1876 im Kimono). Die Zeit war reif für eine neue und zeitgemäße Ausdrucksform, einen umwälzenden, kompositorisch neuen Stil.

Tiffany hat mit "japonisierenden" Vasen angefangen, zu sehen im ersten Stock neben Karaffen von Gallé, Mosaiken von Gustav Klimt und wunderschönen Farbholzschnitten von Edvard Munch. Ein sparsam akzentuierter Paravent von Pierre Bonnard mit viel Mut zur leeren Fläche neben schwarz-weißen Färberschablonen, eindeutig zu identifizieren als Vorlage der prägnanten Schwarz-Weiß-Bilder von Félix Vallotton. Die flächige Raumdynamik bei Degas, die Stilisierung durch Farbe und Fläche bei Gauguin, der prägnante Plakatstil bei Toulouse-Lautrec haben in den japanischen Holzschnitten ihren Ursprung. Den farbenprächtigen "Ukiyo-e"-Holzschnitten aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist im Erdgeschoss des Alten Rathauses ein eigener Raum gewidmet. Ihre Aufnahme durch die westlichen Kunstströmungen war jedoch gleichzeitig ihr Untergang, denn sie wurden dadurch ihrer formalen Eigenständigkeit beraubt.

Die von dem pharmazeutischen Unternehmen Boehringer Ingelheim veranstalteten Ingelheimer Tage wurden 1959 von Dr. Ernst Boehringer, Mitinhaber des Familienunternehmens, ins Leben gerufen. Die Idee, Ausblicke auf Leben und Kultur anderer Nationen und Völker zu geben, jährt sich mit der Ausstellung "Japan - Quelle der Inspiration" zum 42. Mal. Sie ist von Dienstag bis Freitag, 10 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der sehr schön gestaltete Katalog kostet 54 DM. Top

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