Dem gemütlichen Blubbern verfallen |
31.03.2003 00:00 Uhr |
Die Wasserpfeife wird seit geraumer Zeit zum modischen Kultobjekt. In orientalisch angehauchten Cafés, sei es in Zürich, im Londoner Stadtteil Soho oder im noblen Hampstead, kann man Leute beim stundenlangen Inhalieren von Tabakrauch aus langen Schläuchen einer als „Nargileh“, „Sisha“oder Houka“ bezeichneten Wasserpfeife beobachten.
Im Gegensatz zur Zigarette oder Zigarre, in Eile konsumiert, verbindet man mit diesem uralten gesellschaftlichen Ritual geruhsame Lässigkeit und Abstand von den weltlichen Dingen. Abgeklärte Weisheit scheint über den Konsumenten zu kommen in einer Aura harmlosen Genießens.
Sinnbild des Orients
Die Wasserpfeife ist Sinnbild des Orients schlechthin. Auf zahllosen Gemälden und Bildern festgehalten, in vielerlei Form und Dekor, oftmals kunstvoll gearbeitet, ist sie das Symbol orientalischen Flairs. Das Rauchen der Wasserpfeifen gehört zum orientalischen Leben wie Essen und Trinken. Es ist der Ruhepol des Tages.
Gästen wurde die Pfeife als Zeichen des Vertrauens und der Gastfreundschaft angeboten. Gemeinsam rauchen bedeutete, dass man zusammengehörte. Man teilte Mahl und Pfeife mit Menschen anderer Religion, Geschlechts oder sozialer Herkunft. Heute ist dieses Ritual aus hygienischen und gesundheitlichen Gründen nicht mehr so stark verbreitet.
„Die Orientalen sind uns absolut überlegen, was das Genießen materieller Dinge betrifft. Die Houka wie auch die Narghile sind sehr elegante Gefäße mit den ausgefallensten ästhetischen Formen, die dem Benutzer eine noble Aura verleihen. Wie könnte man besser ins poetische Träumen verfallen als, hingegossen auf den reich verzierten Kissen eines eleganten Diwans aus Damast, von Zeit zu Zeit den intensiven Geschmack der Wasserpfeife zu inhalieren“, schwärmte schon Anfang des 19. Jahrhunderts Honoré de Balzac, der französische Gesellschaftschronist und - Nichtraucher.
In „Alice im Wunderland“ lässt Lewis Caroll die große blaue Raupe so konzentriert an einer „Hooka“ rauchen, dass sie die Ankunft von Alice zunächst nicht bemerkt. Sehr träge und gemächlich lässt sie schließlich den Blick über sie schweifen.
Ursprung noch ungeklärt
Bei der Wasserpfeife wird der Tabakrauch durch eine Passage im Wasserbad gefiltert. Der untere Glaskörper wird mit Wasser gefüllt. Auf ihn steckt man die Säule, an der oben der Tabakkopf, das Herz der Sisha sitzt. Dieser „entnimmt“ dem Tabak den Rauch, wenn man am „lai“, dem flexiblen Schlauch, saugt. Die Materialien für die Vorrichtung sind sehr unterschiedlich und reichen von Glas über Stahl, Messing, Gold und Silber bis zu Holz oder Schilfrohr.
Über die Ursprünge der Wasserpfeife streiten sich die Gelehrten. Sie könnte sich aus der südafrikanischen „Dakka-Pfeife „ entwickelt haben, die schon lange vor der Entdeckung des Tabaks zum Hanfrauchen benutzt wurde. Hanf besitzt eine intensive und plötzliche Rauschwirkung. Das Prinzip, den Rauch durch Wasser gefiltert zu inhalieren, um seine Wirkung zu mildern, nutzte man bereits damals. Als Wasserbehälter wurden Antilopenhörner oder Kürbisse eingesetzt. Die Dakka-Pfeife erklärt auch die Assoziation zur „Kifferpfeife“.
Eine andere Theorie sieht die Ursprünge in Indien, beim ältesten Rauchgerät der Alten Welt: der Dhoon netra aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Sie war noch recht primitiv aus Kokosnussschale gefertigt und bestand aus zwei Halbkugeln. Die obere, an der das Mundstück befestigt war, enthielt zum Beispiel Kräuter zum rauchen. In der unteren Hälfte befand sich glühende Holzkohle. Später entwickelte sich der Dhoon netra weiter, indem der Tabak- beziehungsweise Verbrennungsraum außerhalb der inzwischen mit Wasser gefüllten Kugel angebracht und mit ihr durch ein zweites Rohr verbunden wurde.
Das Vorbild der Hooka war entstanden. Aus ihr leitete sich in den arabischen und osmanischen Ländern sowie in Persien die Nargileh ab. Die persische Bezeichnung „nargil“ steht für ein Wassergefäß aus einer ausgehöhlten Kokosnuss.
Im Syrien des 19. Jahrhunderts zündeten Diener die Pfeifen mit meist liebevoll verzierten Pinzetten an. Mit ihnen holten sie die Holzkohle aus den Kohlebecken, die mitten im Raum standen. Eigene, kunstvoll verzierte Mundstücke führte jeder mit sich. Es gab Narghiles aus Gold, Silber, aus ziseliertem Eisen, schön wie antike Vasen, mit Türkisen, Korallen und anderen wertvollen Steinen verziert, oder mit filigranen Arabesken. Sie bezeugten nicht nur den sozialen Status des Besitzers, sondern auch den gesellschaftlichen Stellenwert der Wasserpfeife selbst.
Ab Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich auch hier zunehmend die Zigarette durch, so dass der Wasserpfeifengebrauch sich stark in die öffentlichen Cafés verlagerte. Die Bezeichnungen und Schreibweisen der Wasserpfeife sind so variabel wie die Formen und Verzierungen - und der Inhalt.
Tabak und Melasse und Honig
Die gerauchten Substanzen sind vielfältig. Einerseits handelt es sich um „den Wasserpfeifentabak „Mu’assel“, ihn gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Weltbekannt ist die Marke „Zaghloul“. „Mu’assel“ entsteht aus der Verbindung von Tabak mit Melasse, ein bei der Zuckergewinnung zurückbleibender schwarzbrauner Sirup, bekannt auch von der Rum- und Spiritusherstellung. Seltener setzt man dem „Mu’assel“ auch Honig als agglutinierendes Bindemittel zu oder eine Verbindung aus Honig und destilliertem Wasser im Verhältnis eins zu zwei. Oft werden kleine Mengen Glyzerin beigefügt. Die reiche Auswahl an Essenzen verleiht dem Tabak eine große geschmackliche Variabilität. Sehr verbreitet sind die Essenzen von Apfel, Erdbeere und Melone, Minze, Süßholzwurzel , Grapefruit und Patchouli , neuerdings auch „Cappuchino“ und „Schokolade.“
Außerdem gibt es den reinen Tabak, „tumbak“. Eine Zwischensubstanz von „Mu’assel“ und „tumbak“ kommt aus Indien, sie heißt „Jurak“ und erfreut sich hoher Beliebtheit auf der Arabischen Halbinsel. Hier wird sie verfeinert durch Frucht- und Ölingredienzien.
Kein unbedenkliches Dampfritual
Lange wurde propagiert, die Wasserpfeife sei viel gesünder als Zigaretten. Schädliche Substanzen wie beispielsweise Aldehyde und Phenole sollten durch den Wasserfilter zumindest abgeschwächt werden; manche behaupteten, dass die gesamten Schadstoffe des verbrannten Tabaks, wie beispielsweise Teer, im Gerät und in der braunen Sauce verblieben, die beim Austausch der Kühlflüssigkeit aus der Pfeife rinnt. Man gab an, der tatsächlich inhalierte Nikotingehalt sei wesentlich niedriger als bei der modernen Konkurrenz, der Zigarette.
Das Wasserpfeifenrauchen ist erst seit kurzem Gegenstand der Tabakforschung. Die WHO bereitet einen umfassenden Bericht zu der Thematik vor. Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme SFA teilt in ihrem Pressedienst auf der März-Website mit, dass die Wasserpfeife nicht unbedenklicher sei als anderes Tabakrauchen. Die krebserregenden Rauchpartikel blieben nicht im Wasserfilter hängen, sondern überfluteten mit jedem tiefen Zug am Schlauch die Lungen und andere Organe. Das abhängig machende Tabakalkaloid Nikotin gelange genauso pur ins zentrale Nevensystem der Rauchenden. Beim Abbrennen der Tabakmischung auf dem Holzkohlengrill entstehe zudem Kohlenmonoxyd, welches eingeatmet eine zusätzliche Belastung für das Herz-Kreislaufsystem darstelle. Hinzu komme in Dritte-Welt-Ländern die Gefahr der Übertragung von Tuberkulose durch das Kühlwasser.
Schlechte Nachrichten für neue und alte Wasserpfeifenfans kamen am 12.
März 2003 auch von der Universität Münster: Beim Inhalieren würde die
gleiche Menge Nikotin wie beim herkömmlichen Tabakrauchen und sogar mehr
Kohlenmonoxid sowie eine 20fache Menge an Teerstoffen und somit an
krebserregenden Substanzen eingeatmet.
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