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Trojas Gold auf Wanderschaft
Wie ein spannender
Roman liest sich die Geschichte um den griechischen
Schatz: Heinrich Schliemann barg ihn in der Türkei,
schaffte ihn außer Landes und vermachte ihn dem
deutschen Volk. Das Gold kam in das Berliner Museum für
Völkerkunde und überdauerte dort gut versteckt den
Zweiten Weltkrieg. Die Besatzer forderten den Schatz für
sich und verschleppten ihn nach Rußland. Das Gold galt
jahrelang als verschollen, bis es vor zwei Jahren in
Moskau "wiederentdeckt" wurde.
Der Schatz des Priamos, wie diese archäologischen Funde
genannt werden, ist zur Zeit im Moskauer Puschkin-Museum
ausgestellt. Das Gold kann täglich von 9 bis 18 Uhr für
50.000 Rubel (15 DM) Eintritt besichtigt werden. Auf
großen Wandtafeln lesen die Besucher, sofern sie der
russischen Sprache mächtig sind, Details über den
Schatz und die Fundstätte. Englische Beschriftungen gibt
es nur im Ausstellungraum. Ausländische Besucher bleibt
ansonsten nichts anderes übrig, als sich über weitere
Details in ihrem heimischen Lexikon zu informieren. Dort
erfahren sie, daß der Schatz auf etwa 2200 bis 2100 vor
Christus datiert wird.
Der Ärger ist allerdings vergessen, sobald man den
Ausstellungsraum betritt: Aus Glasvitrinen und auf
schwarzen Hintergrund gebettet, leuchten den Besuchern
die Goldobjekte entgegen. Unfaßbar, wie gut die
Goldschmiede vor über 4000 Jahren ihr Handwerk
beherrschten. Gefäße, Diademe, Ohr- und Lockenringe,
Perlenschnüre, Knöpfe, Anhänger und Prunknadeln sind
neben Linsen aus Bergkristall, Figuren und Axthämmern
Teile der Sammlung. Ein Gefäß in Form eines Schiffchens
mutet besonders bezaubernd an. Es sieht aus wie eine
Sauciere mit zwei Ausgüssen und zwei Henkeln.
Wahrscheinlich diente das Gefäß wohlhabenden Trojanern
für tägliche Rituale.
Die Golddiademe sind aus Tausenden von Blättchen und
Kettengliedern zusammengesetzt. Ob sie in der Antike
Kultstatuen oder Menschen schmückten, ob sie als
Brustschmuck getragen wurden oder als Kopfschmuck auf
Textilien geheftet waren, ist ungeklärt. Von
ausgesuchter Schönheit sind auch vier Axthämmer aus
poliertem Stein, einer aus blauem Lasurit, die übrigen
aus grünem Nephrit oder Jadetit. Goldspuren, die mit
bloßem Auge nicht zu erkennen sind, lassen vermuten,
daß die Objekte nie als Axt verwendet wurden, sondern
als Paradewaffen oder Machtinsignien dienten.
PZ-Artikel von Tanja Schweig, Moskau
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