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Gewollte Strukturzerstörung?

01.10.2001  00:00 Uhr

Gewollte Strukturzerstörung?

In einer einzigartigen Hauruckaktion haben sich das Bundesgesundheitsministerium, Krankenkassen, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter am 24. September 2001 vor dem Hintergrund der aktuellen Ausgabenentwicklung auf "Vorschläge zur Kostensenkung der Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung" verständigt. Vertreter der Apotheker, des Großhandels und der Industrie waren nicht geladen. Das am Nachmittag des 24. September vorgestellte Paket bestand aus zwei Teilen:

Zum einen ging es um Maßnahmen, die alle Beteiligten in der pharmazeutischen Wertschöpfungskette (also Industrie, Großhandel und Apotheken) treffen. Zusätzlich zu der bereits beschlossenen Festbetragsabsenkung und der von der Schiedsstelle festgesetzten Importabgaberegelung sollen die Herstellerabgabepreise um 5 Prozent abgesenkt und für die Jahre 2002 und 2003 eingefroren werden; des Weiteren sind eine neue Aut-idem-Regelung und Empfehlungslisten bei Analogpräparaten vorgesehen. Diese Maßnahmen hätten nach unseren Berechnungen die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) um insgesamt 3 bis 3,5 Milliarden DM entlastet. Die Apotheken hätten hiervon, entsprechend ihrem 20-prozentigen Wertschöpfungsanteil in der GKV-Versorgung, 600 bis 700 Millionen DM tragen müssen, also 27.000 bis 33.000 DM Einkommensrückgang (vor Steuern) je Apotheke.

Zum anderen ging es um eine Maßnahme, die ausschließlich die Apotheken träfe, nämlich die Einführung umsatzgestaffelter Apothekenrabatte von 4 bis 9 Prozent in Verbindung mit einer Erhöhung des durchschnittlichen Rabattsatzes auf 7 Prozent. Dies hätte die GKV um 900 Millionen DM entlastet, je Apotheke wären dies zusätzliche 37.000 DM Belastung gewesen.

Dass wir uns - nicht nur in der intensiven Pressearbeit, sondern insbesondere auch in allen Gesprächen, auch direkt mit der Bundesgesundheitsministerin - kategorisch ablehnend zu diesen Vorstellungen ausgesprochen haben, ist deutlich geworden. Eine Belastung der Apotheken mit durchschnittlich bis zu 70.000 DM würde die flächendeckende Arzneimittelversorgung zerstören und muss unseren maximalen Widerstand finden.

Nun beginnen sich erste Änderungen herauszukristallisieren. Der Herstellerabgabepreis soll offensichtlich um 4 Prozent (statt wie bisher vorgesehen um 5 Prozent) gesenkt werden. Anstatt umsatzgestaffelter Rabatte mit einer im Durchschnitt zweiprozentigen Erhöhung soll nun der Kassenabschlag von einheitlich 5 auf 6 Prozent angehoben werden. Es ist völlig klar, dass diese Änderungen das Ausmaß der wirtschaftlichen Bedrohung für die Apotheken zwar graduell reduzieren würden, aber dennoch die Gesamtbelastung mit 45.000 bis 49.000 DM je Apotheke nach wie vor betriebswirtschaftlich nicht zu verkraften wäre.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, treten wir auch weiterhin in all unseren Aktivitäten mit einer klaren Forderung auf: Sonderopfer der Apotheken sind weder indiziert noch volkswirtschaftlich erforderlich! Zur Rabatterhöhung wäre die "Drehung" der Arzneimittelpreisverordnung eine systemkonforme Alternative, die die GKV sogar stärker entlasten würde und dennoch für die Handelsstufen ertragsneutral wäre.

Wir sind erklärtermaßen bereit zum Dialog - aber ebenso bereit, Widerstand gegen strukturzerstörende Maßnahmen zu leisten!

Hans-Günter Friese
Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
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