Gastkommentar
Laissez faire
Wenn Sie mich zum Verhältnis zwischen
Wirtschaft und Staat, Mittelstand und Großindustrie,
Abgaben und Subventionen fragen, kann ich nur mit
Montesquieu, dem Begründer des Liberalismus, antworten:
Laissez faire!" Der Staat soll sich einfach
aus wirtschaftlichen Belangen weitestgehend heraushalten.
Ein fragwürdiger Eingriff des Staates in die Wirtschaft
sind die Subventionen. Wenn ich sie ablehne, spricht aus
mir nicht etwa der Neid des nicht-subventionierten
Mittelständlers. Einem mittelständischen Unternehmen
ist der Weg zu Subventionen ohnehin administrativ
versperrt; er hat nicht das notwendige Know-how, eine
Abteilung zu unterhalten, die ihm das Tor zu diesen
Geldern öffnet. Ich spreche mich gegen Subventionen aus,
weil damit ausschließlich die Großindustrie und
sterbende Wirtschaftszweige finanziert werden. Und in der
Großindustrie werden Subventionen viel zu schnell zum
Bestandteil des Unternehmens.
Während ein großindustrielles Unternehmen seine Steuern
in Form von Subventionen vollständig zurückerhält und
deshalb als Finanzier des Staates nicht in Frage kommt,
muß ein Mittelständler etwa 65 Prozent seines Gewinns
in Form von Steuern wieder abgeben; also darf man mit Fug
und Recht behaupten, daß der Mittelstand und die
abhängig Beschäftigten den Staat finanzieren. Die
Subventionen dankt die Großindustrie dem Staat mit dem
Abbau von Arbeitsplätzen, indes der Mittelstand neue
Stellen schafft.
Unter anderem wegen der hohen steuerlichen Belastung -
aber auch, weil er einen Teil seiner Ersatzinvestitionen
aus versteuertem Gewinn bezahlen muß und keinen Zugang
zur Börse hat - fehlt dem Mittelstand das Geld für
überlebenswichtige Investitionen. Nimmt der Unternehmer
einen Kredit auf, so begibt er sich in einen
Teufelskreis, denn mit einem Kredit steigt seine
Belastung auf 70 bis 75 Prozent, und weitere Innovationen
werden zunehmend erschwert.
Ein Staat, der auf diese Weise wenig lukrative
Industriezweige unterstützt, aber verhindert, daß ein
gewinnbringender, Arbeitsplätze schaffender
Mittelständler expandiert, gehört in meinen Augen auf
die Strafbank.
Aber es ist leicht, zu jammern und zu klagen; schwieriger
ist es schon, konstruktive Kritik zu üben. Ich sagte
eingangs, daß sich der Staat weitestgehend aus
wirtschaftlichen Angelegenheiten heraushalten soll.
Weitestgehend insofern, als es eine Form von Subventionen
gibt, die ich gelten lasse: Nennen wir sie
Zukunftssubventionen. Darunter verstehe ich finanzielle
Zuwendungen, die eine Entwicklung beschleunigen können,
also Investitionen in die Grundlagenforschung. Sie bringt
keinen kurzfristigen Gewinn; deshalb kann es nicht
Aufgabe der profitorientierten und steuerpflichtigen
Privatindustrie sein, diese Forschung zu finanzieren.
Ein Weg, den gebeutelten Mittelstand zu entlasten,
bestünde darin, ihn effizienter an den Ergebnissen jener
subventionierten Grundlagenforschung teilhaben zu lassen.
Bislang habe ich den Eindruck, daß kostspielige und
nützliche Informationen in den Archiven der
Universitäten verstauben, die man über staatlich
organisierte Vermittlerinstitutionen den
mittelständischen Unternehmen zukommen lassen könnte.
Wenn dann noch die Lohnnebenkosten gesenkt würden,
hätte der Mittelstand gute Chancen auf größere
Gewinne, ohne daß der Staat ihn mit Subventionen
unterstützen müßte.
Gastkommentar von Jürgen Theis
Geschäftsführender Gesellschafter der
Arthur Theis GmbH & Co. KG
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