Eicheln |
06.09.1999 00:00 Uhr |
Das Unwort des Jahres 1999 könnte "Eicheln" werden. Es bezeichnet die von Bundesfinanzminister Hans Eichel initiierte Sparaktion im Bundeshaushalt. An der Notwendigkeit, dass im Bundeshaushalt wie auch in den Ländern und Kommunen - gespart werden muss, wird kein Bürger zweifeln.
Seit langem wurde dem Bundesbürger allzu oft nachdrücklich bestätigt, dass der Staat in vielen Fällen zu großzügig mit den Steuermitteln umgeht. Defizite im Bundeshaushalt waren erste Signale. Doch die wirklichen Folgen spüren wir heute: horrende Staatsschulden, Neuverschuldungen und hohe Zinszahlungen, die noch unsere Kindeskinder belasten werden.
Schon die letzte Regierung hatte ein Sparprogramm im Rahmen einer Steuerreform vorgelegt. Das damalige Mehrheitsverhältnis im Bundesrat verhinderte, dass aus dem Entwurf ein Gesetz wurde. Es blieb beim Stückwerk, da nur die Maßnahmen durchgeführt werden konnten, die nicht auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen waren.
Die Taktik der SPD-Mehrheit in der Länderkammer war offenkundig. Man wollte die Regierung Kohl ausbremsen, sowohl in der Steuer- als auch in der Rentenpolitik. Von Verantwortung für das Land war keine Rede mehr; schließlich wollte man die Bundestagswahlen im September 1998 gewinnen. Diese Rechnung ist aufgegangen.
Die SPD übernahm zusammen mit Bündnis90/Die Grünen die Regierungsverantwortung. Trotz des Wechsels blieben die Probleme. Nun musste die rot-grüne Koalition zeigen, dass sie die Staatsfinanzen besser in den Griff bekommt. Der erste Versuch mit Oskar Lafontaine scheiterte. Sein Nachfolger Hans Eichel versucht nun auf seine ihm eigene pragmatische Art zu sparen. Er kürzt die Ausgaben des Bundes gärtnergleich mit der Heckenschere. In Bonn und Berlin macht "Eicheln" die Runde.
Jedes Ministerium ist aufgefordert, einen bestimmten Prozentsatz seines Haushaltes einzusparen. Ob dies der richtige Weg zur Konsolidierung des Bundesfinanzen ist, bezweifle ich. Denn bei dieser Vorgehensweise wird nicht zwingend hinterfragt, ob eine Einsparung sinnvoll ist oder nicht. Der Plan muss erfüllt werden - also wird gespart. Dabei wird zum Beispiel beim Verteidigungsetat nicht beachtet, dass internationale Verpflichtungen einzuhalten also zu finanzieren sind. Scharping hat Recht wenn er meint, Deutschland könne außenpolitisch nicht Bundesliga spielen wollen, die Bundeswehr aber nur mit Regionalliga-Mitteln ausrüsten.
Auch bei der Rentenpolitik ist es der falsche Weg, die Renten in den nächsten zwei Jahren und eventuell auch darüber hinaus nur um die Inflationsrate und nicht nach der Nettolohnsteigerung zu erhöhen.
Aus meiner Sicht ist es keinesfalls vertretbar, wenn im Bildungsetat Kürzungen vorgenommen werden. Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft, insbesondere in Deutschland, das volkswirtschaftlich auf den Export von Innovationen angewiesen ist. Innovationen sind aber nur möglich, wenn das Bildungswesen finanziell so ausgestattet ist, dass Talente und Wissen gefördert werden können; an den Schulen, in Ausbildungsbetrieben und Hochschulen.
Sicher ist es notwendig, über neue Strukturen an den Universitäten nachzudenken, das Beamtentum zur Diskussion zu stellen und eine stärkere Leistungskontrolle auch bei den Lehrenden und Forschenden vorzunehmen. Aber auch dies kostet Geld. Deshalb darf bei der Bildung kein Geld eingespart, sondern es muss mehr investiert werden, wenn Deutschland auch im 20. Jahrhundert international wettbewerbsfähig bleiben will.
"Eicheln" ist der falsche Weg. Sinnvolles, differenziertes Sparen der
richtige.
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