Pharmazeutische Zeitung online

Auf der Kippe

28.07.2003  00:00 Uhr

Auf der Kippe

Die Halbwertszeit der verkündeten Reform ist rekordverdächtig – rekordverdächtig kurz. Keine Woche nachdem Ulla Schmidt und Horst Seehofer auf ihr dünnes Papierchen miteinander anstießen, macht sich Katerstimmung breit, ist von der Reform nach der Reform die Rede.

Die Stimmung ist schlecht. Mittendrin und voll getroffen von den schwarz-rot-grünen Reformfantasien sind Deutschlands Apotheken. Wie ein Bauernopfer fielen sie im Parteiengeschacher. Und es wurde ernst mit dem, was nicht wenige vermuteten: Apothekerinnen und Apotheker haben zu wenige Unterstützer. Und auf Horst Seehofer konnte man sich eben doch nicht verlassen.

Nachdem also nun Regierung und Teile der Opposition ihr Machwerk veröffentlicht haben, fliegen die Fetzen. Man wird den Eindruck nicht los, dass es nur noch auf die Zahl der geschriebenen Wörter ankommt. Manches Fachblatt schafft es, aus den 19 weitgehend inhaltsleeren Seiten des Eckpunktepapiers mindestens ebenso lange Interpretationen herauszuholen. Das ist aller Ehren wert, aber wenig erhellend. Denn ob das Papier in dieser Gestalt zum Gesetz wird, wird jeden Tag fraglicher. Die Reform steht auf der Kippe. Um keine Vorfreude zu verbreiten: Es kann tatsächlich noch schlimmer kommen. Die jüngsten Forderungen des grünen Vizekanzlers zum Mehrbesitz klingen in den Ohren ...

Und doch kreisen die Aasgeier nicht erst seit gestern über der deutschen Apotheke. Dass ein kleiner Haufen Versandapotheker die Öffentlichkeit eifrig nach Gutdünken manipuliert, ist nicht neu. Und dass die Medien nicht auf den Seiten der zu gut funktionierenden Apothekerschaft stehen, ist ein altes Lied.

Wer erwartet hatte, eine Reform treffe all die anderen, nur einen selbst nicht, ist freilich bitter enttäuscht – ein weiteres Mal. Denn diese Lehre hätte nach den gruseligen Gesetzeswerken von Rot-Grün – und von CSU-Vize Seehofer – im Pharmazeutenhirn verankert sein müssen. Auch die Hatz nach einem Sühneesel in den eigenen Reihen ist bereits angelaufen.

Aber all das ist nicht entscheidend, denn die Opferrolle schmeckt Apothekerinnen und Apothekern nicht. Das muss jetzt deutlich werden. Deutlicher als je zuvor. Fühlen Sie sich belogen und betrogen von Schmidt, Seehofer & Co? Fühlen Sie sich von Teilen der Pharmaindustrie oder anderen Marktpartnern verschaukelt, die für Versandhandel und Fremdbesitz einstanden, um die eigenen Renditen zu festigen?

Dann ist es an der Zeit, sich zu wehren – jeder für sich und alle an einem Strang. Die besten Argumente müssen jetzt gesammelt und forciert nach außen getragen werden.

Eine gute Initiative ist das Hausapothekenmodell. Ein Verband der Hausapotheken hat sich gegründet  – eine richtige Reaktion auf das Papier des Duo infernale Schmidt/Seehofer. Den Kopf in den Sand zu stecken, war schon immer falsch. Und heute wäre es erst recht fatal.

Es klingt einfach, aber ist das beste Mittel im Wettbewerb: Seine Tugenden muss nun jeder Einzelne nach außen kehren und damit für sich werben. Jenseits ihrer politischen Arbeit müssen alle Verbände vorbereitet sein und jetzt schon den Auswirkungen eines möglichen Reformgesetzes aktiv begegnen. Die Kammern müssen die Offizinapotheke über die Faktoren Qualität und Leistung gegenüber möglichen Mitbewerbern abgrenzen und sichern.

Auch wenn Sie jetzt durch die Reform vergrätzt sind  – es hilft alles nichts: Beraten und helfen Sie Ihren Patienten noch besser denn je. Und informieren Sie über die Folgen dieser Reform, die keine ist.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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