Mit uns nicht |
17.07.2000 00:00 Uhr |
Das ZDF ist in seiner Sendung "Mit mir nicht" am 12. Juli 2000 der Frage nachgegangen, ob ein Arzt angebrochene Arzneimittelpackungen zurücknehmen und an andere Patienten verteilen darf. Er darf es nicht, so die Rechtslage. Dennoch hat sich Maria Walser des Themas angenommen, weil sie sich für "Menschen einsetzt, die ohne eigenes Verschulden in Schwierigkeiten geraten sind", lässt der Untertitel der Sendung wissen. Der Arzt ist nämlich wegen seines Tuns angezeigt worden.
Obwohl sich öffentlich-rechtliche Anstalten um Ausgewogenheit bemühen mögen, sollten sie allen Diskutanten ausreichend Zeit geben, ihren Standpunkt zu vertreten. Der Bericht zum Sachverhalt aus der Arztpraxis stellte die angeblich hehren Absichten des Arztes so dar, als ob er durch die Anzeige gleichsam zum Märtyrer wurde.
Kein Wort davon, dass der Berufsstand der Apotheker den gesetzlichen Auftrag hat, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen. Kein Wort davon, dass das Sozialgesetzbuch V die Heilberufe auffordert, für Qualitätssicherung zu sorgen, was die Aufsichtsbehörden bei den Apothekern auch regelmäßig überprüfen. Das bedeutet unter anderem - dies aufzuzählen erscheint uns fast trivial, weil es zu den Selbstverständlichkeiten unserer Berufsausübung gehört -, dass wir prüfen, dokumentieren, Auffälligkeiten bei Arzneimitteln an die Arzneimittelkommission melden und nicht zuletzt, dass wir die Lagerung der Arzneimittelvorräte ständig überwachen.
Von all dem war in dem ZDF-Bericht keine Rede und nichts zu erkennen. Im Gegenteil: Bei der im Fernsehen vorgeführten Lagerhaltung in besagter Arztpraxis würde jeder öffentlichen Apotheke die Schließung drohen. Als Möglichkeit der Kostenreduktion könnte meiner Meinung nach aber durchaus das Gespräch zwischen Ärzten und Apothekern beitragen. Der Patient hat einen Anspruch darauf, dass Apotheker und Ärzte den Dialog zur Optimierung der Arzneimitteltherapie führen. Die Apotheker stehen in allen Fragen rund ums Arzneimittel den Ärzten zur Verfügung.
Die schnelle Entwicklung neuer Arzneistoffe und neuer Applikationssysteme fordert die Sachkunde der Apothekerschaft. Der im Fernsehen gezeigte Umgang mit Arzneimitteln in der Arztpraxis disqualifiziert den Sicherstellungsauftrag unseres Berufsstandes und missachtet die pharmazeutische Tätigkeit. Wir wissen, dass Arzneimittel, die unsere Kunden in die Apotheke zurückbringen, Zweifel an der Wiederverwendbarkeit aufkommen lassen. Der Schaden, den nicht einwandfrei sichere Arzneimittel anrichten können, ist sicherlich größer als der Spareffekt solcher Maßnahmen.
Völlig offen ist auch, ob die Krankenkassen die erneute Abgabe zurückgegebener Arzneimittel in der Arztpraxis akzeptieren würden. Oder sind die Kosten, die die AOK für Arzneimittel ihrer Versicherten aufwenden muss durch den Risikostrukturausgleich geregelt, wenn diese Medikamente weil nicht benötigt von Ärzten an die Versicherten anderer Kostenträger verschenkt werden? Sicher nicht.
Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer hat am 5. Juli im Fernsehsender Phoenix gesagt, dass die Arzneimittelsicherheit ein unverzichtbarer Eckpfeiler im Gesundheitswesen und dass diese Sicherheit bei den Apotheken gut aufgehoben sei. Sie forderte allerdings, die Beratung der Patienten zu intensivieren. Die Lagerung und erneute Abgabe von nicht verwendeten Arzneimitteln in Arztpraxen widerspreche der qualitativen und ökonomischen Zielsetzung der Arzneimittelversorgung. Dieser klaren Aussage kann ich nur zustimmen.
Die einzige Antwort auf derart unqualifizierte Vorschläge, angebrochene
Arzneimittelpackungen weiter zu verwenden, kann nur heißen: Ärzte und Apotheker müssen
in Fragen der Pharmakotherapie und Compliance enger zusammenarbeiten. Die ZDF-Sendung
stand unter dem Motto "Mit mir nicht" und hat eindeutig die Auffassung des
Arztes favorisiert. Wir sind der Meinung "Mit uns nicht".
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