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Nachhaltigkeit

30.06.2003  00:00 Uhr

Nachhaltigkeit

Hand aufs Herz: Haben Sie sich schon einmal über den Begriff Nachhaltigkeit Gedanken gemacht? Der Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung wird neben „Erneuerung“ und „Gerechtigkeit“ auch mit „Nachhaltigkeit“ überschrieben.

In der Diskussion um das Vorziehen der Steuerreform wird der Begriff von den Kritikern, insbesondere den Ministerpräsidenten der Länder, als Leitargument ihres Widerstandes genutzt. Aber auch in der Diskussion um eine Gesundheitsreform spielt die Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle. Was aber bedeutet Nachhaltigkeit?

Brundtland hat diesen Begriff 1987 folgendermaßen definiert: „Nachhaltigkeit bedeutet, den Bedürfnissen der heutigen Generation zu entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.“

Für eine Neuordnung des Gesundheitssystems bedeutet das: Jede Reform muss bei Einführung einer neuen Finanzierungsgrundlage unbedingt das Demografieproblem berücksichtigen. Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird in der Bundesrepublik Deutschland die Bevölkerung bis 2050 um rund 17 Millionen Menschen schrumpfen. Der Anteil der über 65-Jährigen wird auf mehr als 30 Prozent steigen.

Vor diesem Hintergrund würde der Nachhaltigkeit nicht mehr entsprochen, wenn das gegenwärtige Finanzierungssystem der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufrecht erhalten bliebe. Der Beitragssatz läge 2050 bei rund 30 Prozent. Das ist der nächsten Generation nicht zumutbar. Auch die im Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) geplante verstärkte Belastung der Leistungserbringer entspricht nicht dem Konzept der Nachhaltigkeit.

Die Politiker müssen den Mut haben, verantwortungsbewusst nicht nur für die eigenen, sondern eben auch für die zukünftigen Generationen zu planen.

Eine Lösung wäre, das bisherige Umlageverfahren zu verlassen und bei der GKV zumindest eine teilweise Kapitaldeckung anzustreben. Diese ist nach Ansicht vieler Gesundheitsökonomen der gegenwärtigen Lösung ohnehin überlegen. Das würde das System unabhängiger von demografischen Veränderungen, von Wirtschaftskrisen und steigenden Arbeitslosenzahlen machen. Zukünftige Generationen würden dann nicht unverhältnismäßig hoch belastet.

Erste Ansätze gibt es zwar zumindest in der Diskussion, ob einzelne Leistungen aus der GKV herausgenommen und in eine kapitalgedeckte Versicherung überführt werden sollen. Man wird aber misstrauisch, wenn weiterhin, insbesondere von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und den Gewerkschaften, die solidarische Finanzierung der GKV hochgehalten wird. Mit Nachhaltigkeit hat das nichts mehr zu tun.

Man darf gespannt sein, was bei den Gesprächen der Regierungsparteien mit der Opposition herauskommt. Noch ist alles offen. Auch all die Positionen, die die Apotheken betreffen.

Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
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