Vertrauen ist gut |
27.06.2005 00:00 Uhr |
Würde er uns fragen, dann würden wir uns nicht enthalten. Wir hätten uns angesichts erinnert an den Spruch »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«. Der Kanzler vertraut sich selber nicht mehr, er hat kein Zutrauen mehr. Die Kontrolle durch Bundesrat, Opposition, Medien und sogar die der Gewerkschaften war und ist Gift für einen Einzelkämpfer wie Schröder.
Das Scheitern hat viele Gründe. Nehmen wir die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel. Die grundsätzlich sympathische Parteifreundin Schröders wirbt auf ihrem offiziellen Briefpapier für den »Apothekenkatalog«, ein fragwürdiges Produkt, das angeblich positive Effekte für den Verbraucher hat. Die Patientenbeauftragte, ein Gewächs aus dem Reformsamen des GMG, hat sich mitreißen lassen von einer populistischen Strömung, die nicht mehr Qualität und Sinnstiftung in den Vordergrund stellt, sondern den Preis. Kühn-Mengel hätte prüfen müssen, wer hinter dem Werk steckt. Das hat sie allem Anschein nach nicht getan. Für Außenstehende ist es eine zu vernachlässigende Kleinigkeit. Für eine Berufsgruppe, für deutsche Pharma-Mittelständler, ist es aber wesentlich.
Der Kanzler verlor mitunter richtige Reformansätze in zu vielen handwerklichen Fehlern, Ungenauigkeiten und Halbwahrheiten. Er ist gescheitert am gedankenlosen Vertrauen an und in eine Welt von Pseudo-Sachverständigen, am wissenschaftlichen Populismus, der sich in Arbeitskreisen, an runden Tischen und allerlei Reformrunden ergossen hat. Zum unkontrollierbaren Mitstreiter war Professor Dr. Karl Lauterbach mutiert. Lauterbach brachte sich mit hochfrequenten Reformvorschlägen gerne in die Medien und verlor erst ganz zum Schluss das ministeriale Vertrauen. Der quirlige Professor, im vergangenen Wahlkampf an der Spitze der Bewegung »Wir im Gesundheitswesen für Gerhard Schröder«, will nun mit einem SPD-Mandat in den Bundestag.
Der 1. Juli 2005 ist ein besonderer Tag: Ausgerechnet an einem Tag, an dem weitere Teile der Gesundheitsreform die Öffentlichkeit erreichen, fragt der Kanzler nach dem Vertrauen der gewählten Parlamentarier. Noch ein bisschen Reform das war's. Egal, ob Schröder oder Merkel: An Reformen kommt dieses Land nicht mehr vorbei. Aber Millionärssteuer, Mehrwertsteuererhöhung oder Versandhandel mit Arzneimitteln sind keine Reformschritte. Die Wahrheit liegt tiefer. Schröder war auf dem Weg, hat aber niemanden mitgenommen, schon gar nicht die Menschen.
Die nächste Regierung muss ehrlicher sein, direkter. Das fällt schwer, weil SPD und Grüne mit einem populistischen Feldzug Reformängste und Sozialneid schüren. Es führt kein Weg mehr vorbei an Neuwahlen, Wahrheit und Wahrhaftigkeit für die Regierenden, diejenigen, die regieren wollen und für die, die regiert werden.
Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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