Pharmazeutische Zeitung online

Nur ein Job?

21.06.1999  00:00 Uhr

- EditorialGovi-Verlag

Nur ein Job?

von Götz Schütte,
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der ABDA

Mitgliedsbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht dazu da, Jobs im Gesundheitswesen zu sichern! Es gibt ohnehin zu viele Apotheken! Vier Millionen Arbeitslose bereiten den Krankenkassen Einnahmeprobleme.

Drei Äußerungen des Verwaltungsratsvorsitzenden der AOK auf einer Veranstaltung Anfang Juni in Siegburg, die nicht unkommentiert bleiben dürfen. Zunächst sei festgestellt, daß Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Apotheken keinen Job, sondern einen Heilberuf ausüben, der eine qualifizierte Ausbildung voraussetzt. Es würde sich für unser Gesundheitswesen lohnen, wenn man sich in den neu definierten Schaltzentralen der Gesetzlichen Krankenversicherung über diesen Unterschied bewußter würde.

In den deutschen Apotheken sind mehr als 110.000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie erfüllen am Ende der Verbraucherschutzkette bei der Arzneimittelabgabe und Beratung eine wichtige Funktion, auch zum ökonomischen Vorteil der Krankenkassen. Deshalb ist es falsch, den Abbau von Leistungspotentialen in öffentlichen Apotheken zu propagieren. Die Apotheke ist und bleibt mit ihren Mitarbeitern ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens. Ohne qualifizierte Mitarbeiter würde sie unweigerlich zur reinen Abgabestelle für Medikamente mutieren.

Die Auswirkungen, auch finanzieller Art, hätten die Krankenkassen zu tragen. Denn die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln über die Apotheke garantiert auch eine flächendeckende Beratung zur richtigen Anwendung der Arzneimitteln. Das spart Arztbesuche und Krankenhauseinweisungen.

Warum wollen die Krankenkassen das nicht akzeptieren? Praktizierte Arzneimittelsicherheit durch die Apothekenmitarbeiter senkt Kosten im Gesundheitswesen. Anstatt "Jobabbau" zu fordern, sollte man den Apotheken mehr Kompetenz im Gesundheitswesen einräumen.

Für mich ist vollkommen unverständlich, wie man durch noch mehr Arbeitslose die bestehenden Einnahmeprobleme der GKV beseitigen will, oder wird die Forderung nach einem Arbeitsplatzabbau in Apotheken um 20 Prozent, gleich 22.000 zusätzliche Arbeitslose, als nicht gravierend angesehen? Das wäre blanker Zynismus, der öffentlich angeprangert werden muß.

In Niedersachsen sind bei der Gesundheitskasse 6500 Mitarbeiter beschäftigt. Ob das zu viele oder zu wenige sind, möchte ich nicht beurteilen. Es muß aber erlaubt sein, dieser Zahl die 2237 in niedersächsischen Apotheken tätigen Apothekerinnen und Apotheker gegenüberzustellen, die nicht nur verwalten, sondern an der "Front" arbeiten, und außerdem Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst leisten.

§65 b des Referentenentwurfes zur GKV-Gesundheitsreform 2000 sieht vor, daß Krankenkassen Einrichtungen zur Verbraucher- oder Patientenberatung fördern können, die sich die neutrale und unabhängige gesundheitliche Information, Beratung und Aufklärung des Versicherten zum Ziel gesetzt haben. Dieser Paragraph ist aus meiner Sicht überflüssig, denn 21.500 Apothekenleiter und 110.000 Mitarbeitern stehen für diese Aufgabe zur Verfügung und erfüllen sie seit Jahren täglich bei rund 3 Millionen Mitbürgern.

Die Nichtanerkennung dieser Leistung und die ständige Forderung nach Kostensenkung bei den Arzneimitteln hat zu einer großen Verunsicherung in der Apothekerschaft geführt und dazu beigetragen, daß den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Apotheken ein der Leistung angemessener Lohn vorenthalten wurde. Außerdem ist bis heute mit dem Hinweis auf die wirtschaftlich unsichere Zukunft der Apotheken ein Tarifabschluss nicht zustande gekommen. Die Krankenkassen haben es in der Hand, Sicherheit zu schaffen, indem sie den Dialog mit der Apothekerschaft suchen würden.

Die Apothekerinnen und Apotheker, insbesondere die Mitarbeiter, fühlen sich dem Patienten aus Berufung und nicht aus der Position des "jobbing provisors" verpflichtet. Das sollten die Krankenkassen für sich nutzen. Top

© 1999 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Mehr von Avoxa