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Fauler Kompromiß

07.06.1999  00:00 Uhr

- EditorialGovi-Verlag

Fauler Kompromiß

von Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur

Vor dem Hintergrund der im Referentenentwurf zur Gesundheitsreform 2000 geplanten Positivliste, fragt man sich, ob der Apotheker als Berater des Arztes über Arzneimittel überhaupt noch gefragt ist? Sind Vorträge, wie sie in Meran den fortbildungswilligen Apothekerinnen und Apothekern zur Bewertung von Arzneimitteln angeboten wurden, überhaupt noch notwendig? Ich möchte diese Frage schon an dieser Stelle mit einem klaren Ja beantworten.

Abgesehen davon, daß die geplante Positivliste noch einige Jahre auf sich warten lassen wird und dann höchstwahrscheinlich die Juristen mehr beschäftigen wird, als die Ärzte und Apotheker, muß man zunächst festhalten, daß auch nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfes die Kriterien für die Aufnahme eines Produktes auf der Positivliste nach wie vor nicht feststehen.

Für mich ist darüber hinaus vollkommen unklar, wie ein Gremium, das für die Erstellung der Positivliste zuständig sein wird, die Produkte für die alternativen Therapierichtungen im Anhang von den anderen Produkten abgrenzen will. Auch halte ich es für kontraproduktiv, wenn Phytopharmaka, die ihre Wirksamkeit in klinischen Studien nicht valide nachweisen konnten, bisher als "umstritten" apostrophiert und als Kostentreiber bei den Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung diskriminiert wurden, eventuell über den Anhang der Positivliste auf einmal erstattungsfähig werden.

Andere dagegen, die einen wissenschaftlichen, schulmedizinischen Anspruch für ihre Produkte reklamieren, werden nicht in die Positivliste aufgenommen, weil dieselben Experten die erbrachten Wirksamkeitsnachweise nicht anerkennen. Eine Schizophrenie, die nicht akzeptiert werden kann und sich nur als fauler Kompromiß der verschiedenen Vorstellungen der Koalitionspartner charakterisieren läßt.

Dieser Kompromiß - würde er Gesetz - wird alle Anstrengungen der Phytopharmakahersteller, die in den letzten Jahren mit millionenschweren Investitionen versucht haben, die Qualität ihrer Produkte, sowohl in pharmakologischer als auch pharmazeutischer Hinsicht, zu verbessern, zunichte machen. Dieser Kompromiß steht auch im Widerspruch zum Anspruch des grünen Gesundheitsministeriums, die Qualität im Gesundheitswesen zu steigern.

Mit dieser Positivliste werden weder Qualität gesteigert, noch Kosten gesenkt, auch wenn genau dies immer wieder als Argument angeführt wird. Den Ärzten wird das Gefühl vermittelt, die Positivliste würde ihnen mehr Sicherheit bei der Verordnung geben, auch vor einem möglichen Regreß. Das allerdings ist eine trügerische Empfindung, denn solange die Ausgaben budgetiert werden, droht der Regreß bei Überschreitung; egal ob die verordneten Arzneimittel auf der Positivliste standen oder nicht.

Bei so vielen Ungereimtheiten sollten die Apotheker nicht müde werden, den Ärzten ihre Kompetenz als Arzneimittelfachleute anzubieten, um eine rationale Arzneimitteltherapie zu erreichen. Dazu bedarf es keiner Positivliste, schon gar nicht die des Gesundheitsreformgesetzes, die nur ein fauler politischer Kompromiß ist. Top

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