Kein Grund zum Jubeln |
19.05.2003 00:00 Uhr |
Das Wirtschaftsforum fand genau zum richtigen Zeitpunkt statt. Eine Woche nach der Veröffentlichung des überarbeiteten Entwurfes des Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz (GMG) konnten Apothekerinnen und Apotheker in Berlin mit der Politik über das GMG, aber auch die Auswirkungen des Beitragsatzsicherungsgesetz (BSSichG) diskutieren. Wer allerdings gehofft hatte, Staatssekretärin Marion Caspers-Merk würde die Eckpunkte des GMG konkretisieren oder Horst Schmidbauer, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit und Soziale Sicherung der SPD, würde in der Diskussion die Meinung der Fraktion verdeutlichen, sah sich getäuscht. Sowohl die Vertreterin des Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung als auch der Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion blieben inhaltlich unverbindlich. Sie boten zwar den Dialog an. Ob aber Änderungen, insbesondere in den Knackpunkten für die Apothekerinnen und Apothekern wie Versandhandel, Mehrbesitz, Arzneimittelpreisverordnung oder Einzelverträge möglich sind, war nicht ersichtlich.
Offensichtlich wollte man vor der Klausurtagung der SPD am Wochenende öffentlich keine Aussagen machen, die in der Fraktion noch nicht abgestimmt sind.
Da hatte es die Vertreterin der Opposition, Annette Widmann-Mauz von der CDU/CSU-Fraktion, schon einfacher. Sie sprach sich erwartungsgemäß gegen den Versandhandel und die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes aus. Die Konsequenz seien Ketten, die die CDU/CSU nicht wolle. Auch die Aufhebung der Preisbindung bei OTC- Produkten bezeichnete sie als Unsinn. Aus ihren klaren ablehnenden Worten war nicht einmal ansatzweise ein Kompromiss mit der Regierungskoalition ersichtlich. Ihrer Meinung, das GMG sei ein abzulehnendes unmoralisches Angebot, kann ich nur zustimmen.
Das GMG ist systemverändernd, das wurde auf dieser Tagung jedem Teilnehmer bewusst. Wobei die Systemveränderung durch Versandhandel, Mehrbesitz und Preisfreigabe bei OTC-Produkten noch von dem Vorhaben übertroffen wird, den Krankenkassen Verträge mit einzelnen Leistungserbringern zu gestatten. Was Jahrzehnte als ordnungspolitisch notwendig erachtet wurde, eine Leistung oder ein Arzneimittel überall zum selben Preis anzubieten und durch kollektive Rahmenverträge Planungssicherheit für die Leistungserbringer zu schaffen, soll jetzt über Bord geworfen werden. Existenzbedrohender Wettbewerb ist angesagt und offensichtlich gewünscht. Einzelverträge leistungsstarken Anbieter werden die ökonomischen Knebel für kleinere Betriebe werden, die eigenverantwortliches Handeln nicht mehr ermöglichen. Wie die Politik durch diese Ökonomisierung die Qualität im Gesundheitswesen sichern will, verriet weder die Staatssekretärin noch der SPD-Politiker. Und ob wirklich durch die in den Eckpunkten festgeschriebenen Maßnahmen Kosten gesenkt werden, bleibt vollkommen offen.
In Berlin wurde außerdem deutlich: Nach Meinung der politisch Verantwortlichen sind Arzneimittel keine besonderen Waren mehr und deshalb ist Verbraucherschutz in diesem Zusammenhang nicht mehr notwendig.
Aus meiner Sicht eine fatale Fehleinschätzung, die sich rächen wird. Nur dann ist es zu spät, das System zerstört und eine Regenerierung nicht mehr möglich.
Apotheker können aus dem Wirtschafsforum nur die eine Lehre ziehen: Alle Kräfte müssen jetzt gebündelt werden, um die Systemveränderung zu verhindern und eine sinnvolle, zukunftsweisende Reform, die nicht nur die Ausgaben reguliert, sondern auch die Einnahmen neu strukturiert, einzuleiten.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur
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