Der richtige Ton |
22.05.2000 00:00 Uhr |
Gesundheitsprofis müssen die Sprache der Patienten sprechen. Was so trivial klingt, scheint weitaus schwieriger zu sein als man meint. Der Aspekt Kommunikation tauchte in nahezu allen Vorträgen und Diskussionen beim 36. Jahrestreffen der europäischen Selbstmedikationshersteller (AESGP) in Helsinki auf. Und immer wurden auch Apotheker in diesem Zusammenhang genannt.
Verantwortlich für eine erfolgreiche Kommunikation sollten sich alle Gesundheitsprofis fühlen, die sich um Patienten und Kunden bemühen: Industrie, Ärzte und Apotheker. Offensichtlich läuft aber noch vieles schief. Dabei könnten die Apotheker in dem Spiel leicht die Hauptrolle übernehmen. Im Dschungel der Informationen könnten sie dem Kunden die Wege ebnen und aus dem gesetzlich hochregulierten Beipackzettel überflüssiges Gestrüpp entfernen, um den Nutzer mit ans therapeutische Ziel zu führen.
Der Vergleich mit Gebrauchsanweisungen von Waschmaschine und Videorecorder stimmte die Kongressbesucher in der finnischen Hauptstadt nachdenklich: Entweder erschließt sich die Bedienung des Gerätes dem Verbraucher von alleine oder er versteht die umständliche Beschreibung nicht, legt sie zur Seite und benutzt das Gerät dann eben nicht. Genau das darf mit dem Beipackzettel und dem Arzneimittel nicht passieren.
Welches Potenzial die Kommunikation mit dem Kunden vor allem für Apotheker noch in sich birgt, ist vielen beim Vortrag von Rolf Jensen vom Institut für Zukunftsforschung in Kopenhagen klar geworden. Die Bürger erwarten in Zukunft noch viel mehr als heute, dass sie mit einem Produkt auch Gefühle, Emotionen und Geschichten kaufen. Jensen sagt voraus, dass aus der übersättigten Informationsgesellschaft eine Traumgesellschaft wird.
Muskelarbeit kann durch Maschinen ersetzt werden, intellektuelle Arbeit durch Computer. Die Aufgaben von Augen, Ohren und Stimme können bis zu einem gewissen Grad Scanner und Sensoren übernehmen, aber die emotionalen Wünsche der Menschen können nur Menschen erfüllen. "Appellieren Sie an das Herz der Verbraucher", riet Jensen, "und verbinden Sie das Produkt mit einem emotionalen Nebeneffekt."
Disneyland steht für Familienspaß und BMW für die Freude am Fahren. Jensen kann sich sogar vorstellen, dass der Marlboro-Mann, der heute nicht mehr nur Abenteuer verkörpert, sondern Abenteuer-Reisen bewirbt, eines Tages sagt: "Ich habe aufgehört zu rauchen und kaufe mir jetzt neue Möbel im Country-House-Stil." Die Marke wechselt ihr Image und erzählt das in einer Geschichte.
Was streckenweise höchst amüsant klang, zeigt, dass wir auch für abwegig anmutende Aspekte offen sein sollten. Das Gesundheitswesen mit seinem System der medizinischen Versorgung ist auf dem Weg zum Gesundheitsmarkt, dessen angestrebte Ziele Lifestyle, Wellness und Fun sind. Das ist "ohne Worte", sagen Sie?
Der Patient ist mehr als ein Kostenfaktor, die Gesundheitspolitik mehr als Ökonomie. Wer hier sprachlos zuschaut, wird meiner Meinung nach das Nachsehen haben. Selbstmedikation ist zugegebenermaßen nur die eine Seite der therapeutischen Medaille. Aber sie ist nicht wegzudenken. Die Firma mit dem Stern spricht in ihrer Werbung auch nicht mehr von Technik und Sicherheit, sondern sagt: "Plötzlich ist alles anders." Das Land Baden-Württemberg strahlt den Slogan aus: "Wir können alles außer Hochdeutsch." Das sind nach Jensen Botschaften, die den Menschen emotional ansprechen, weil sie ihm mit dem Produkt eine Geschichte verkaufen.
Ich finde, es lohnt sich, über ein solches Thema nachzudenken. Nur wer den richtigen
Ton trifft, kann die Menschen wirklich erreichen.
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