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Ausgebremst

02.04.2001  00:00 Uhr

Ausgebremst

von Daniel Rücker, PZ-Redakteur

Beim Risikostrukturausgleich hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die Notbremse gezogen. Der von ihrem Vorgänger Horst Seehofer initiierte Wettbewerb zwischen den Krankenkassen wird durch die Einführung eines Mindestbeitragssatzes von 12,5 Prozent gebremst. Dass gleichzeitig der Stichtag für den Kassenwechsel aufgehoben wurde, ändert daran wenig.

Jetzt können gesetzlich Krankenversicherte zwar zu jedem Zeitpunkt im Jahr die Krankenkasse wechseln; es gibt aber keinen Grund mehr, dies zu tun. Der Leistungskatalog der Kassen ist bis auf wenige Nuancen einheitlich, die Beiträge sind es bald auch.

Keine Frage, die Lage war kompliziert. Die Versicherten hatten Seehofers Ziel, durch die Öffnung einen fairen Wettbewerb zwischen den Kassen zu schaffen, ad absurdum geführt. Offenbar flexibler als andere Bevölkerungsgruppen, meldeten sich junge und gesunde Gutverdiener in Scharen bei den preisgünstigeren Betriebskrankenkassen an. Den Ersatzkassen und Ortskrankenkassen lief das zahlungskräftige Klientel davon. Ihnen blieben die weniger wechselfreudigen kostenintensiven Versicherten. Die Beitragssatzschere klaffte immer weiter auseinander.

Dieser Trend dürfte jetzt gestoppt sein. Dafür besteht die Aussicht, dass der Konkurrenzkampf zwischen den Kassen zum Erliegen kommt. Wenn überall dieselbe Leistung zum selben Preis geboten wird, hat der Wettbewerb keine Chance. Auch dies schadet den Versicherten, denn ohne Wettbewerb fehlt den Kassen der Anreiz, die eigene Effizienz zu steigern.

Wenn Schmidt keinen Preiswettbewerb zwischen den Krankenkassen will, dann sollte sie zumindest einen begrenzten Leistungswettbewerb ermöglichen. Gut arbeitende Krankenkassen müssen ihren Versicherten bessere Leistungen anbieten dürfen als ineffiziente Kassen.

Entscheidend dürfte deshalb sein, wohin das Geld fließt, das durch die staatlich verordnete Beitragssatzerhöhung eingenommen wird. Sicher ist, dass es für Disease-Management-Programme verwendet werden soll. Das ist gut so, denn davon profitieren vor allem die chronisch Kranken, also Krebspatienten, Diabetiker und Herzkranke. Unklar ist, ob die einzelnen Kassen ihre Mehreinnahmen vollständig behalten dürfen oder über den Risikostrukturausgleich mit den anderen Kassen teilen müssen.

Sinnvoll erscheint mir eine Aufteilung der Mehreinnahmen. Ein Teil des Geldes sollte in den Risikostrukturausgleich einfließen. In einem solidarisch finanzierten System haben alle Versicherten Anspruch auf eine möglichst gute Versorgung. Der andere Teil der Mehreinnahmen durch den Mindestbeitrag sollte bei den Krankenkassen verbleiben, die bislang niedrigere Beitragssätze hatten. Auf diese Weise bliebe zumindest ein bisschen Wettbewerb um die Versicherten erhalten. Die effizienteren Kassen können ihren Mitgliedern über zusätzliche eigene Disease-Management-Programme bessere Leistungen anbieten.

Werden die Mehreinnahmen dagegen komplett in den Risikostrukturausgleich eingezahlt, dann wäre dies das endgültige Ende des Wettbewerbes zwischen den Krankenkassen. Es ist nachvollziehbar, dass die Betriebskrankenkassen darauf drängen, die Mehreinnahmen aus dem Mindestbeitrag behalten zu dürfen.

Der Anreiz zur Effizienz sinkt auf Null, wenn Erspartes vollständig mit der Konkurrenz geteilt werden muss. Unwirtschaftliches Verhalten ist einfacher und bequemer als wirtschaftliches. Wird es nicht sanktioniert, setzt es sich durch.

Wenn die Ministerin an ihrem Ziel festhalten will, das Gesundheitswesen fortzuentwickeln, dann sollte sie dies berücksichtigen. Ein wenig Wettbewerb sollten auch die Krankenkassen vertragen. Sie fordern es schließlich auch von den Leistungserbringern. Top

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