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Puzzle

24.03.2003  00:00 Uhr

Puzzle

Es soll Menschen geben, die ungern puzzeln. Ich bekenne freimütig: Ich gehöre dazu. Aber Ulla Schmidt, Karl Lauterbach, Horst Seehofer, Gerhard Schröder, Edmund Stoiber und wie sie noch alle heißen – sie gehören zur Puzzleelite des Landes. Die Rangliste der Puzzler scheint schier unendlich.

Seit Jahrzehnten wird eifrig vor sich hin gepuzzelt. Mal mehr, mal weniger. Aber nie so viel wie heute. Es ist eines der größten Puzzles, das jemals hier zu Lande begonnen wurde. Viele haben sich daran versucht, viele haben sich die Zähne ausgebissen. Es ist das heißeste Spiel. Ministerinnen und Minister sind daran gescheitert.

Denn das größte Problem bei diesem Puzzle sind nicht die zahllosen Stückchen, die irgendwie miteinander und dann noch passend verzahnt werden wollen. Das Problem besteht auch nicht in der Größe des Puzzles.

Das grundsätzliche und kaum lösbare Problem liegt darin, dass niemand genau weiß, wie das Bild, das aus all den kleinen Puzzleteilen zusammengesetzt wird, einmal aussehen soll. Es gibt so viel vage Vermutungen, dass sich den Mitspielern die Haare sträuben.

Soll es ein bisschen mehr rot sein, vielleicht eine Nuance gelber oder grüner, oder lieber dunkler, eher schwarz? Ist es ein modernes Bild, vielleicht ein abstraktes? Oder im Stil der alten Meister, eher konservativ? Ist alles wirklich so wirr und verwoben oder ist unser Vorstellungsvermögen einfach zu mickrig, um die wirkliche Größe des Bildes zu begreifen?

Die Probleme werden mit der Dauer des Spiels komplexer. Und damit gewinnt das Puzzle an Reiz und gleichsam Gefahr. In der Mathematik, und nicht nur dort, arbeiten und rechnen die Künstler ihres Fachs mehrdimensional. Nicht anders ist es bei diesem Puzzle. Nur, dass sich genau dies nicht so leicht erschließt.

Jeder Mitspieler muss die Folgen seines Tuns bedenken. Er oder sie muss Verbündete finden, eine gemeinsame, möglichst langlebige Strategie entwickeln. Dieses große Puzzle braucht Zeit und Puzzleprofis, denn das fertige Bild soll Bestand haben. Jeder Handgriff, jede Veränderung hat Folgen – für das Bild und sogar für das Spiel selbst. Das Bild verändert sich stetig, ist abhängig von der Kreativität der Spielerinnen und Spieler.

Das Puzzle wird seit Jahren gebaut. Es wird verändert. Dabei gibt es bestimmt einen Königsweg. Aber es gibt keinen König, der diesen Weg kennt. Und auch keine Königin. Strategiepapiere hin, Erklärungen her – bis heute kennt niemand das fertige Bild, nur seinen Titel: Gesundheitswesen.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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