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Where´s the beef?

04.03.2002  00:00 Uhr

Where´s the beef?

In immer kürzeren Abständen werden Gutachten zur zukünftigen Arzneimittelversorgung publiziert. Der inhaltliche Neuigkeitswert tendiert dabei gegen Null, vielmehr werden die stets gleichen Politbotschaften nur in redaktionellen Umformulierungen wiederholt. Gleichwohl, die gegenseitige Zitationsregie ist geschickt inszeniert und findet ihren Niederschlag in den Medien.

Im Kern reduzieren sich die Vorschläge zur Reform der Arzneimittelversorgung auf eine radikale Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs. Allen Vorschlägen gemeinsam ist letztlich die Etablierung multipler Vertriebswege in der Arzneimittelversorgung: Erlaubnis des Arzneimittelversandes, Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, Freigabe der Endverbraucherpreise bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, vom bundeseinheitlichen Abgabepreis abweichende Vertragspreise in Teilen der GKV-Versorgung, Einführung eines (partiellen) Dispensierrechts für Ärzte und die vollständige Öffnung der Krankenhausapotheken für die ambulante Arzneimittelversorgung sind Vorschläge, die auf der Liberalisierungshitliste ganz oben stehen. Obwohl die Strukturkomponente als der ausgabentreibende Faktor unstreitig identifiziert ist, also die komplette Wertschöpfungskette involviert ist, befassen sich die Liberalisierungsvorschläge nur mit dem Arzneimittelvertrieb.

Es gibt ein Land, in dem fast alle diese Ideen bereits in die Praxis umgesetzt worden sind: die Vereinigten Staaten von Amerika. Insofern gibt es damit ein Land, an dem sich die Erfolgswahrscheinlichkeit solcher Reformvorschläge anhand empirischer Evidenz überprüfen lässt. "Where´s the beef?" pflegt der amerikanische Präsident George W. Bush zu fragen, wenn ihm neue Politikvorschläge unterbreitet werden. Was also taugen diese Liberalisierungsvorschläge vor dem Hintergrund der amerikanischen Erfahrungen? Genau dieser Frage gehen wir in dem Titelbeitrag dieser PZ gründlich und detailliert nach.

Das Ergebnis ist, dass die von den Liberalisierungspropheten versprochenen, aus gesamtgesellschaftlicher Sicht positiven Effekte in den USA jedenfalls nicht eingetreten sind. Die Performance des amerikanischen Systems des Arzneimittelvertriebs ist im Vergleich zum deutschen System geradezu jämmerlich:

  • Pro Kopf sind die Arzneimittelausgaben doppelt so hoch wie in Deutschland.
  • Die Arzneimittelausgaben wachsen erheblich schneller als in Deutschland.
  • Die Vielfalt der Endverbraucherpreise überfordert die Patienten.
  • Eine politische Steuerung der Arzneimittelausgaben ist an den Markt wegdelegiert worden und die Marktergebnisse müssen als nicht veränderbar hingenommen werden.
  • Von den insgesamt steigenden Ausgaben profitieren insbesondere die Pharmahersteller.

Auch wenn interessierte Kreise wider besseres Wissen immer wieder die Vorteile der Liberalisierungsstrategie in der Arzneimittelversorgung (also den amerikanischen Weg) propagieren und viele Journalisten dies publizistisch verstärken, wird letztlich niemand umhin kommen zu erkennen, dass harte Fakten nicht demokratisierbar sind und auch nicht ignoriert werden können.

Der prüfende Blick auf das amerikanische System und die dortigen Erfahrungen zeigt, dass die ABDA-Vorschläge zur Weiterentwicklung der Arzneimittelversorgung das überlegene Konzept sind: Here´s the beef!

Dr. Frank Diener
Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales
ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
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