Pharmazeutische Zeitung online

Flexibel

24.02.2003  00:00 Uhr

Flexibel

Die Skala der Verunsicherung ist nach oben offen. Jedes neue Konzept, jedes neue Papier, jeder neue Entwurf, der in der Öffentlichkeit landet, provoziert bei Apothekerinnen und Apothekern Fragezeichen.

Es ist ein ungutes Gefühl zu wissen, dass vielleicht noch ein großes Beben kommt. Die ständige Angst macht mürbe. Doch die Konzepte und Entwürfe sind nichts anderes als seismische Störungen, kleine Vorbeben. Schon sind erste Risse und Störungen erkennbar. Und damit wird klar, was noch kommen könnte.

Ob bei Rürup-Kommission, den Sachverständigen für die Konzertierte Aktion, bei der Arbeitsgemeinschaft Gesundheit der SPD, in Koalition oder Opposition: Es wird zwar immer deutlicher, dass dem Versicherten die Wahrheit nicht mehr verschwiegen werden kann. Dass er für seine Gesundheit und Absicherung mehr bezahlen muss. Aber trotzdem und unbedingt sollen auch die Leistungserbringer ihren „Beitrag“ leisten. Tatsache aber ist, dass auch der Sachverständigenrat nicht den Mut hatte, seine Meinung deutlich zu artikulieren. Die Entlastung der GKV ist nichts anderes als eine Verklappung der Probleme ins Versicherungswesen und eine Umverteilung ins Steuersystem – dies geht zu Lasten von Steuerzahlern; und von denen sind die allermeisten auch GKV-Beitragszahler.

Der jüngste Entwurf aus dem BMGS, der von seinem endgültigen Aussehen noch weit entfernt ist, macht deutlich, was manche wirklich wollen.

Während Ulla Schmidt intoniert, die starken Gewerkschaften an der Seite, man komme am Systemwechsel schon irgendwie vorbei – und damit auch an der ehrlichen Klärung der Finanzierungsprobleme –, sollen Apotheker und andere Leistungserbringer bluten. Was als Rettung für ein ach so krankes System verkauft wird, ist nichts anderes als die Apokalypse der Apothekenlandschaft.

Was will die Ministerin? Sie will Versandhandel, sie will Mehrbesitz (und wohl auch den Fremdbesitz). Sie will vor allem niedrigere Preise. Es spielt keine Rolle, was die Apotheker wollen, was sie können, was sie müssen, was sie leisten und zu leisten bereit sind. Die Ministerin will es anscheinend anders.

Ein erstes Beben war das Beitragssatzsicherungsgesetz. Schon zeigen sich Risse, werden Schäden sichtbar. Eine große Umfrage in den Apotheken kommt zu dem Ergebnis, dass dort an allen Ecken und Enden gespart werden muss. Die Angst geht um: Existenzangst, Zukunftsangst. Selbstständige Apotheker zweifeln, das Personal leidet emotional wie finanziell, wegen fehlender Investitionskraft sind die Lieferanten und schließlich sogar der Fiskus betroffen. Nicht von ungefähr haben Sozialdemokraten – leider zu spät – erkannt, was wirklich abläuft.

Man ist heutzutage in der Lage, Erdbeben intelligent zu begegnen. Nicht das starre Haus wird das große Beben überstehen. Der moderne Bau überdauert die Erdstöße dank seiner Elastizität.

Die Forderungen der Politik sind bekannt. Nun wird am erdbebensicheren Haus Apotheke gebaut werden müssen. Sicher, flexibel und solide soll es sein. Ein Umbau reicht, Abriss und Neubau müssen nicht sein.

Zwischen all dem politischen Kalkül wird es darum gehen, dass Architekten mit kreativem Verhandlungsgeschick und guten Argumenten in die Planungen einsteigen. Und die eigenen soliden Konzepte einbringen und damit überzeugen. Je schneller, desto besser. Dann muss manche Abrissbirne wieder einpacken.

Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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