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Systemwandel

29.01.2001  00:00 Uhr

Systemwandel

von Dr. Hartmut Morck, Chefredakteur

Dass die demographischen Veränderungen in der deutschen Bevölkerung Auswirkungen auf die zukünftige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems haben werden, bezweifelt niemand mehr. Auch die von der Enquête-Kommission nach Berlin eingeladenen Gesundheitsökonomen waren sich einig, dass mit dem jetzigen System Kostensteigerungen unvermeidbar sind. Diese werden zu Sprengsätzen im sozialen Sicherungssystem. Deshalb ist die Politik aufgefordert, die Lunte möglichst vor der Detonation auszudrücken.

Ob die Rettung des Systems ausschließlich mit einer konsequenten Primärprävention möglich sein wird, wie Professor Dr. Karl Lauterbach sie fordert, bezweifele ich. Einen Zwang zur Prävention wird es in unserer Gesellschaft kaum geben können. Auch der Rat, die Finanzierungsgrundlage zu verbreitern und das Gesamteinkommen als Basis zu nehmen, wird politisch kaum durchsetzbar sein. Bleibt als möglicher Kompromiss, den Leistungskatalog neu zu definieren, Versicherungen auf der Basis von Grundleistungen und Wahlleistungen anzubieten und auf diesem Weg eine Kapitaldeckung anzustreben. Aber auch hier werden Kritiker schnell von einer Zwei-Klassen-Medizin sprechen.

Die Enquête-Kommission "Demographischer Wandel" hat sich mit der Bearbeitung des Themas "Reformbedarf des Gesundheitswesens" keine leichte Aufgabe gestellt, zumal sie gewährleisten muss, dass medizinischer und therapeutischer Fortschritt nicht durch Finanzierungsprobleme auf der Strecke bleiben. Man darf gespannt sein, wie am Jahresende die Empfehlungen der Kommission ausfallen.

Ob die politisch Verantwortlichen diese Empfehlungen aufnehmen und in Gesetze schmieden, ist eine andere Frage. Nur eines ist sicher: Der Einzelne wird mehr für seine Gesundheit bezahlen müssen, wenn das hohe Qualitätsniveau erhalten und durch den Fortschritt weiter angehoben werden soll. Die Refinanzierung kann nur durch höhere Beiträge oder durch stärkere Selbstbeteiligung erfolgen.

Das neue System wird wohl auch die Solidarität der Gesetzlichen Krankenversicherung neu definieren müssen. Das bisherige Prinzip "der Gesunde zahlt für den Kranken", das sich immer mehr in das Prinzip "die Jungen zahlen für die Alten" gewandelt hat, wird in Zukunft mit dieser Konsequenz nicht aufrecht erhalten werden können. Dies war das wichtige Fazit der Anhörung vor der Enquête-Kommission in der Hauptstadt.

Egal wie das Krankenversicherungssystem der Zukunft aussehen wird: Es sollte gewährleisten, dass der medizinische Fortschritt der Versichertengemeinschaft zugute kommt, und nicht nur Privatpatienten davon profitieren. Eines sollte die Gesellschaft bedenken: Viele neue Erkenntnisse wurden erst durch die Förderung von Wissenschaft und Forschung mit öffentlichen Mitteln möglich. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es fatal, wenn deren Ergebnisse nicht der Versichertengemeinschaft zur Verfügung gestellt werden können.

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