Kein Jubel |
15.01.2001 00:00 Uhr |
Die Gruß- und Glückwunschadressen der Verbände und Organisationen im Gesundheitswesen sind pflichtschuldigst an die neue Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geschickt worden - ob sich aber die vielen Hoffnungen an eine neue Gesundheitspolitik wie erwartet erfüllen werden, ist sehr zweifelhaft.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Hoffnungen geweckt. Das ist die eine Seite der so genannten doppelt geprägten Medaille. Mehr Wettbewerb soll es geben, der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung soll zurückgeführt werden, Zuzahlungen der Patienten sollen wenn nötig verstärkt werden, so lautet der Paradigmenwechsel, im Kanzleramt ersonnen, vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und der neuen Ministerin sowie ihrer neuen Parlamentarischen Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch (SPD) bekräftigt.
Allerdings erzeugte das viel Krach bei den SPD-Gesundheitspolitikern, die sich auch bei der personellen Erneuerung des Gesundheitsministeriums vom Kanzler desavouiert fühlen. Mit keinem von ihnen ist rechtzeitig die Entscheidung des Kanzlers für die Nicht-Gesundheitspolitikerin Ulla Schmidt abgesprochen worden. Keiner wusste davon, dass Gudrun Schaich-Walch aufgrund ihrer Treue zum Kanzler neue Aufgaben bekam. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die neue Führung des Ministeriums mit ihrer neuen Politik bei den altgestandenen sozialdemokratischen Gesundheitspolitikern auf Zurückhaltung trifft, um es einmal höflich auszudrücken.
Aber es gibt auch einige weitere beachtenswerte Feststellungen. So dokumentierte Kanzler Schröder seine völlige Unkenntnis über Gesundheitspolitik und das Gesundheitswesen, als er unter anderen den Risikostrukturausgleich der gesamten Krankenkassen als einen "Ausgleich für die armen Ost-Krankenkassen" bezeichnete.
Das kann - erste Feststellung - zu einigen Irritationen führen. Und es kann auch dazu führen, dass der Kanzler in Unkenntnis der Wirkung kleiner Eingriffe im Gesundheitswesen große und nicht gewollte Veränderungen bewirkt. Anderen vor ihm ist das gleiche Missgeschick widerfahren.
Andererseits sagt der Kanzler: "Die Ministerin wird die Gesundheitsreform weiterführen und den Risikostrukturausgleich neu bestimmen." Aber was heißt hier "weiterführen"? Vorsicht ist angebracht. Denn das, was der Arbeitskreis Gesundheit mit der neuen Ministerin bereits besprochen hat, lässt die Apotheker nicht jubilieren:
So soll die Novellierung des Apothekengesetzes weiter betrieben werden. Gesprochen wird von extremen Änderungswünschen. Das Mehrbesitzverbot könnte fallen, die Auseinzelung könnte erlaubt werden, schließlich soll die Krankenhausapotheke gegenüber der öffentlichen Apotheke gefördert und neue Aufgaben bei der Belieferung von ambulant versorgten ehemaligen Klinikpatienten sowie Altenheimen bekommen.
Das muss zwar mit dem Bundesrat einvernehmlich ausgehandelt werden. Dabei ist aber jetzt schon deutlich: Auch die Bundesländer lassen sich in dem einen oder anderen Fall gerne "über den Tisch" ziehen. Die Kosten der Krankenhäuser sprengen ihre Etats, sie suchen nach Entlastungen. Da käme ihnen ein solches Gesetz, das sie bereits in Teilen dem Bundestag zugeleitet haben, gerade recht. Dann wäre es der neuen Ministerin auch ein Leichtes, an der Schraube Preisspannenverordnung zu drehen.
Was weiter kommen wird, ist vorgezeichnet: Bei der Gentechnik werden sich Verkrustungen öffnen. Ulla Schmidt wird nicht mehr die restriktive Haltung der ehemaligen Gesundheitsministerin Andrea Fischer einnehmen (dürfen). Sie wird gemeinsam mit dem Bundeskanzler weitgehende Forschungsarbeiten erlauben, um der deutschen Wirtschaft ein weiteres Hinterherhinken gegenüber den Forschungen anderer Staaten zu ersparen.
Mit Sicherheit wird es in dieser Legislaturperiode ein Datentransparenzgesetz geben. Es ermöglicht dann den Krankenkassen, mit allen Daten aller 200.000 Leistungserbringer in Deutschland Morbiditätsprofile (als Grundlage für einen neuen Risikostrukturausgleich) zu schaffen. Politiker können sich mit den Daten Gesundheitsziele erstellen lassen. Und schließlich können die Leistungen aller Beteiligten massiv überprüft werden.
Unter diesen Umständen bleibt festzustellen: Die Gesundheitspolitik strebt zwar
Veränderungen an, ob sie aber zu neuen Ufern führt, ist noch lange nicht sicher.
© 2001 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de