Unterschätzte Pneumokokken |
28.01.2002 00:00 Uhr |
PHARMACON DAVOS 2002
Zu Zeiten Manns wurden über 80 Prozent der Pneumonien durch Bakterien der Art Streptococcus pneumoniae ausgelöst, erklärte der Mediziner vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Noch heute gehen etwa 30 bis 50 Prozent der Lungenentzündungen auf das Konto der Pneumokokken. Außerdem verursachen die Erreger Meningitiden, Otitis media und Bakteriämien. Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 12.000 Menschen an den Folgen solcher Infektionen. Betroffen sind vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke, aber auch Kleinkinder unter zwei Jahren. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kosten Pneumokokken-Pneumonien weltweit jedes Jahr etwa 1,2 Millionen Kindern das Leben.
Penicillin ist bei Pneumokokken-Infektionen immer noch das Mittel der Wahl, erklärte Weinke. Die Erreger würden aber zunehmend resistent gegen Antibiotika. Während die Resistenzrate in Deutschland mit etwa 5 Prozent recht niedrig liegt, ist die Situation in Südeuropa und in Nordamerika sehr viel dramatischer: In Spanien sind bereits 21 Prozent, in Frankreich 40, in den USA 28 und in Japan 40 Prozent der Pneumokokkenstämme gegen Penicillin resistent. Daher habe die Prophylaxe durch Impfung eine so große Bedeutung, erläuterte er. Nur so ließe sich der Antibiotika-Verbrauch senken und damit die Verbreitung der Resistenzen verlangsamen.
Zurzeit stehen zwei verschiedene Impfstoffe zur Verfügung:
Polysaccharid- und seit kurzem auch Konjugatimpfstoffe. Der bereits seit
über 15 Jahren erhältliche Totimpfstoff zur aktiven Immunisierung
enthält gereinigte Polysaccharide aus den Kapseln der 23 wichtigsten von
insgesamt über 80 bekannten Serotypen. Diese 23 verschiedenen Subtypen
sind für rund 90 Prozent aller systemischen Pneumokokkenerkrankungen
verantwortlich. Die bakteriellen Polysaccharide lösen eine
B-Lymphozyten-Antwort aus: Die B-Zellen produzieren Antikörper gegen die
Antigene.
Da Kinder unter zwei Jahren noch keine reifen B-Zellen besitzen, können
sie mit dem Polysaccharid-Impfstoff nicht immunisiert werden. Bei den
Konjugatimpfstoffen sind dagegen die Kapsel-Bruchstücke an Proteine
gebunden, weshalb sie neben der B-Zell- auch eine T-Zell-Antwort
auslösen. Der Konjugatimpfstoff schützt Kleinkinder vor der Infektion
mit sieben verschiedenen Serotypen, die zusammen für etwa 70 Prozent der
Erkrankungen bei Kleinkindern in Deutschland verantwortlich sind. Im
Gegensatz zu den Polysaccharid-Impfstoffen beeinflusst die neue Vakkzine
auch die Keimbesiedlung im Nasen-Rachen-Raum. Dies könnte zu einer
Verschiebung hin zu anderen Serotypen führen, die nicht von der Impfung
erfasst werden, befürchtete Weinke. Ob dies nachteilige Auswirkungen hat,
ist allerdings noch nicht geklärte, erklärte der Referent.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung für Kinder mit erworbenem oder angeborenen Immundefekt (HIV, Asplenie), chronischen Krankheiten sowie für Frühgeborene oder Säuglinge mit Gedeihstörungen.
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