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Mangelndes Interesse an Bakterientoxinen

21.01.2002  00:00 Uhr

PHARMACON DAVOS 2002

Mangelndes Interesse an Bakterientoxinen

Es sind nur wenige Spezies unter den unzähligen Bakterienarten, die dem Menschen gefährlich werden können. Die rund 50 pathogenen Keime bedienen sich fast alle derselben Waffe, um den menschlichen Organismus anzugreifen: so genannte Endo- oder Exotoxine. In den letzten Jahrzehnten konnten Forscher bis ins Detail klären, wie die Giftstoffe ihre tödliche Wirkung entfalten. Diese Grundlagenforschung habe der Infektiologie wichtige Impulse gegeben. Dennoch verschwende die Volkswirtschaft Jahr für Jahr gewaltige Summen für sinnlose Maßnahmen, kritisierte Professor Dr. Sucharit Bhakdi vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Universität Mainz.

Endotoxine sind Lipopolysaccharide und an der Oberfläche der bakteriellen Zellwand verankert. Die Toxine entfalten ihre schädliche Wirkung nicht direkt, sondern führen zu einer Überreaktion des Immunsystems, erklärte der Mediziner. In der Folge sezernieren Makrophagen übermäßige Mengen an Zytokinen wie Interleukin-1 und Tumornekrosefaktor, die dann die typischen Symptome wie Entzündungen und Fieber auslösen. Häufig mündet diese Überreaktion der körpereigenen Abwehr in einer tödlichen Sepsis.

Im Gegensatz dazu greifen Exotoxine körpereigene Zellen direkt über verschiedene Mechanismen an. Entweder zerstören sie als Proteasen wichtige Schlüsselproteine im Zellstoffwechsel, wie das Botulinumtoxin, oder koppeln störende Eiweiße an Zellbausteine. Das Tetanustoxin verhindert so die Freisetzung des Neurotransmitters Glycin in den Synapsen der Nervenzellen und blockiert damit hemmende Reize. Folge sind die typischen tetanischen Krämpfe.

Einen anderen cleveren Mechanismus nutzt Anthraxtoxin, das gefürchtete Gift des Milzbranderregers. Das Toxin besteht aus den zwei Fraktionen PA und LF, erläuterte der Referent. Erste sei für das Andocken an die Zelle verantwortlich und schleuse dann LF in das Cytosol. LF, bezeichnender Weise die Abkürzung für Letal Factor, entfalte dort seine tödliche Wirkung. Auch das Diphtherie-Toxin besteht aus zwei ähnlichen Komponenten. Wiederum schleust eine die andere in die Zelle, die dort dann die Proteinsynthese lahm legt.

Das a-Toxin von Staphylococcus aureus stanzt regelrecht ein Loch in die Zellmembranen, berichtete Bhakdi. Das Protein dockt dazu zunächst an der Zelloberfläche an. Durch Oligomerisierung bohrt sich das Eiweiß dann wie ein Zylinder durch die Zellwand. Manche Bakterien, wie E. coli, verfügen sogar über zwei Waffen. Das Coli-Bakterium hat nicht nur porenbildende Exotoxine, sondern auch Endotoxine. Dementsprechend verlaufen solche Infektionen häufig noch drastischer, erklärte der Mediziner.

Die Entdeckung von Toxinen und deren Wirkprinzipien habe schon vor Jahren neue Therapieansätze eröffnet. Es wäre relativ leicht gewesen, mit Hilfe dieses Know-hows spezifische Impfstoffe zu entwickeln. Diese Forschung galt aber oft als unrentabel und wurde eingestellt, weil man lange Zeit glaubte, bakterielle Infektionen mit Antibiotika in den Griff zu bekommen, kritisierte Bhakdi. Noch heute friste die infektiologische Grundlagenforschung zu Unrecht ein Schattendasein im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft.

Heute sterben in deutschen Krankenhäusern jährlich rund 40.000 Menschen an Infektionen. Auf der anderen Seite habe man auf Grund mangelnder Kenntnisse zum Beispiel für den Schutz vor dem Milzbranderreger allein in diesem Jahr Millionen von Mark verpulvert, bedauerte der Referent. "Gewaltige Summen werden für sinnlose Maßnahmen ausgegeben, um nicht existierende Gefahren zu bannen. Andererseits vernachlässigt man die tatsächlichen Probleme in der Infektiologie."

 

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