In Zürich hat die Zukunft begonnen |
29.01.2001 00:00 Uhr |
Neue Wege in der Aus-, Fort- und Weiterbildung gehen die Pharmazeuten der Universität Zürich. Dabei nutzen sie die modernsten Mittel der Technik, um Lehren und Lernen effektiver zu gestalten. Professor Dr. Gerd Folkers demonstrierte seine Projekte in einem Seminar während des Pharmacon Davos.
Nach Ansicht des Züricher Hochschullehrers müssen universitäre Lehrinhalte und -Methoden interdisziplinär angelegt sein und flexibel neuen Herausforderungen angepasst werden können. So teilt sich der theoretisch ausgerichtete pharmazeutische Chemiker Folkers die Hauptvorlesung mit seinem eher synthetisch orientierten Kollegen in Basel. Wöchentlich zwei Vorlesungsstunden werden per Videokonferenz in die jeweils andere Stadt übertragen. Das Interesse der Studenten gilt dabei weniger der vortragenden Person als den Unterrichtsmaterialien und den Erläuterungen. Diese werden in einer Datenbank gespeichert und können von den von der Universität mit Notebook und Internetanschluss ausgestatteten Studenten jederzeit abgerufen werden.
Zweidimensionalität sprengen
Komplexe Lerninhalte, wie sie in den pharmazeutischen Wissenschaften üblich sind, lassen sich am besten durch graphische Visualisierung begreifen. Wirklichkeitsnahe Darstellungen sprengen aber die Zweidimensionalität klassischer Lehrbücher. So erlaubt es die eingesetzte Technik, Ligand-Rezeptor-Wechselwirkungen mit dreidimensionalen Darstellungen zu veranschaulichen. Noch einen Schritt weiter gehen Animationen und Simulationen, die Teil der über Internet angebotenen virtuellen Lernwelt sind: In einem Trickfilm werden physiologische Abläufe schematisch dargestellt; Simulationen erlauben es dem Nutzer, die Animationen durch Veränderungen der Prozessparameter systematisch zu verändern und aus den Resultaten Schlüsse zu ziehen. Auf diese Weise werden individuell steuerbare, virtuelle Experimente möglich, die zum besseren Verständnis physiologischer Zusammenhänge führen.
Das Lernen wird interaktiv, asynchron und repetitiv, das heißt, es baut auf Experimentierfreude, Vorstellungsvermögen und Kreativität des Studierenden, ist nicht an feste Vorlesungs- oder Seminarzeiten gebunden und kann jederzeit und so oft wie gewünscht, wiederholt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Art des Lernens äußerst zu den effektivsten Formen der Wissensaneignung gehört. Warum also sollte sie nicht auch in der pharmazeutischen Fortbildung genutzt werden?
Fortbildung unabhängig von Ort und Zeit
In einem Projekt planen Folkers und seine Mitarbeiter, Fortbildungsinhalte übers Internet zum Lernenden hin zu transportieren anstatt sie nicht wie üblich, zum Beispiel auf zentralen Vortragsveranstaltungen, abholen zu lassen. Dann bestimmen nicht mehr Kongressveranstalter, Zugfahrpläne und Personalsituation der Apotheke den Rhythmus der Fortbildung, sondern das persönliche Zeitmanagement jedes einzelnen. Das "Web based training" verlangt zudem vom Lernenden in kurzen Abständen eigene Aktionen und beugt so Langeweile und geistigem "Abschalten" vor. Eine erste komplexe Lernumgebung des Züricher Teams ist dem Thema Diabetes gewidmet und wird bald dem Selbststudium zur Verfügung stehen, das Thema "Arzneimitteltherapie von Herz-/Kreislauferkrankungen wird demnächst in Angriff genommen. Ein auf seine aktuellen Bedürfnisse anzupassendes Programm führt den Lernenden wie ein Pilot durch die virtuelle Fortbildung.
Voice and Slides
Zusätzlich zu großen interaktiven und visuell aufwendig gestalteten Fortbildungsmodulen beginnt die Schweizer Arbeitsgruppe, eine Sammlung von Vorträgen zu unterschiedlichen Themen über das Internet zugänglich zu machen. Die Dias stehen mit dem dazu gesprochenen Text in einer Datenbank zur Verfügung und können sowohl wie im Vortrag nacheinander als auch thematisch von Interessierten nach eigenen Bedürfnissen neu selektiert werden. Mit dem "Voice and Slides" genannten Projekt versucht man, hochklassige Vorträge über den Moment hinaus nutzbar zu machen. Durch Abruf und Kombination der Datenbankinhalte wird es eines Tages möglich sein, aus verschiedenen Lehrmeinungen zu einem Thema eigene Schlüsse zu ziehen.
Quick Reference
Für Nutzer, die kurzfristig konkrete Informationen, etwa zur Patientenberatung benötigen, wird in Zürich ein weiteres Modul aufgebaut. Die "Quick Reference" genannte Datenbank soll in erster Linie praktische Erfahrungen sammeln und zugänglich machen sowie ein Forum zum Erfahrungsaustausch bieten. Die Inhalte werden sich zunächst auf dem Bereich von Galenik und Rezeptur beziehen.
Alle virtuellen Fortbildungsprojekte wurden und werden zunächst mit Mitteln der Universität (ETH) Zürich gefördert. Nach Ende einer Anlaufphase von wenigen Jahren ist eine kommerzielle Vermarktung geplant, für die bereits ein eigenes Unternehmen, die "Pharma Nation Network AG" gegründet wurde.
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