Wie viel und welche Wissenschaft braucht die Pharmazie? |
27.06.2005 00:00 Uhr |
Pharmazie zurück an die Fachhochschule! Manche möchten so Geld sparen und bezweifeln die Wissenschaftlichkeit der Pharmazie. Ist das Studium wirklich zu verschult und Pharmazie als Wissenschaft in der Öffentlichkeit kaum bekannt? Darüber diskutierten auf der BVT die DPhG-Fachgruppenvorsitzenden mit Fachschaftlern.
Als Wissenschaft hat die Pharmazie erst seit etwa 100 Jahren ein Standbein in der Universität und muss sich seitdem immer wieder mit dem Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit auseinander setzen. Das stark verschulte Studium verstärkt diesen Eindruck. Das dem nicht so ist, zeigten die Fachgruppenvorsitzenden der DPhG, Professor Dr. Susanne Alban (Biologie), Professor Dr. Bernd Clement (Chemie), Dr. Georg Hempel (Klinische Pharmazie), Professor Dr. Peter Langguth (Technologie) und Professor Dr. Walter Müller (Pharmakologie). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion vom Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, Professor Dr. Hartmut Morck.
In seinem Anfangsstatement stellte Morck fest, dass die Diskussion rund um das Pharmaziestudium und dessen Wissenschaftlichkeit zu stark von ökonomischen Aspekten geprägt ist, es sollte mehr um Inhalte gehen. Für das wohl am stärksten kritisierte Fach in der Ausbildung, die Chemie, stellte Clement klar, dass für alle Tätigkeitsfelder des Apothekers ein fundiertes chemisches Basiswissen notwendig ist. Kein Forschungsgebiet kommt ohne eine solide Analytik aus. Entsprechend ihrer Fähigkeiten sind Apotheker in der Forschung unterrepräsentiert; sie sollten mehr Selbstbewusstsein zeigen. Ein Problem ist jedoch, dass die meisten Professoren ihre eigene Fachdisziplin für die wichtigste halten und es so schnell zur Überfrachtung der Lehrinhalte kommt.
In ihrem Anfangsstatement warnte Alban davor, die Frage nach der Wissenschaftlichkeit der Pharmazie zu stellen, so beginne man überhaupt daran zu zweifeln. Vielmehr solle man fragen, wie viel Wissenschaft das Studium brauche. Technologe Langguth verwies darauf, dass ein Arzneimittel mehr als nur ein Wirkstoff ist. Wegen der komplexen Bewertung bedarf es des Apothekers. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollte man sich vom antiquierten Stil der Vorlesung an der Tafel verabschieden und sich hin zu interaktiven Seminaren orientieren. Die Ausbildung müsse dem Anspruch gerecht werden, dass die Pharmazie Verknüpfung ist zwischen verschiedenen Naturwissenschaften und der Medizin. Für Müller liegen die Fehler der Vergangenheit in einer falschen Gewichtung: Die Pharmakologie wurde fast ausschließlich von Medizinern abgedeckt, obwohl sich hier der Apotheker sowohl in der Offizin als auch in der Forschung etablieren kann.
Für Müller schlägt die Pharmakologie in der Pharmazie die Brücke zwischen Chemie und Klinik. Die besondere Herausforderung liegt vor allem darin, dass man direkt mit dem Patienten arbeitet und nicht mehr nur mit abstrakten Fragestellungen beschäftigt ist. Nach Müllers Ansicht hat die Pharmazie in der Öffentlichkeit Akzeptanzprobleme, weil sie zu sehr nach innen wirkt. So konnten sich die Pharmazeutischen Chemiker trotz sehr guter Forschung nicht gegen die reinen Chemiker durchsetzen, die Pharmakologie habe zu wenig Personal, um den Medizinern Konkurrenz zu machen, und die Biologen befinden sich derzeit im Konflikt zwischen der klassischen Arzneipflanze und den modernen Biologicals. Für die Klinische Pharmazie sieht auch Hempel das Problem in der mangelnden Personalausstattung. Dies erschwert die Etablierung als Wissenschaft.
Studium muss Grundlagen legen
Das Studium muss die Grundlagen für eine wissenschaftliche Laufbahn legen und deshalb sind nach Clements Ansicht die chemischen Praktika essenziell. Über den Sinn einiger Inhalte lasse sich jedoch streiten. Die Basis einer grundlagenorientierten Ausbildung steht vor den Freiheiten des eigenständigen Arbeitens.
Dieser These konnte Müller nicht zustimmen. Nach seiner Erfahrung zeigen zum Beispiel Biochemiker, dass sie mit geringeren Ausbildungsstunden auskommen und dennoch schneller praktisch mit modernen Methoden umgehen könnten. Für Clement ist aber der Apotheker im Vorteil, da er im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen strukturbezogen denken könne. Durch in vielen Vortragsreihen gesammelten Erfahrungen zeigte sich für Morck, dass der Apotheker stärker auch andere Berufsgruppen, darunter vor allem die Mediziner, unterrichten sollte. Diesen hätten häufig der größeren Vielfalt wegen erhebliche Lücken in der Ausbildung.
Die Biologie zeigt für Alban, dass die Grenzen zwischen den pharmazeutischen Fachdisziplinen immer stärker verwischen und die Pharmazie wegen ihrer großen Interdisziplinarität ein sehr modernes Fach sei.
In der Diskussion mit den Studenten stellte sich heraus, dass man sich in der Ausbildung weniger auf das Nachkochen von vorgegebenen Vorschriften beschränken sollte. In den Praktika könnten häufiger freie Aufgaben gestellt werden, anhand derer die Studenten lernen, selbst Problemlösungen zu entwickeln. Hierfür wäre aber eine Bereinigung des Faches von alten und sich wiederholenden Inhalten notwendig. In dieser Forderung rief Alban die Studenten auf, mehr Druck auf die Verantwortlichen in Lehre und Politik auszuüben.
Die Diskussion zeigte, dass die Pharmazie ganz und gar nicht
unwissenschaftlich ist. Jedes Gebiet erfordert ein hohes Maß an
Interdisziplinarität. Die Verantwortlichen in der Forschung müssen sich
nur stärker ihrer Möglichkeiten bewusst werden und die Unentbehrlichkeit
der Pharmazie in der Öffentlichkeit beweisen. Die wichtigste Fachdisziplin
lässt sich natürlich nicht bestimmen. In der Lehre konnte durch Einführung
der neuen Approbationsordnung mit einer größeren Gewichtung der Seminare
die Bedeutung der selbstständigen Tätigkeit des Studenten weiter gestärkt
werden. Denn auch die eigenständige Bearbeitung eines Themas inklusive
Literaturrecherche und dem sich dadurch ergebenden verknüpfenden Denken
sind bereits ein Einstieg in das wissenschaftliche Arbeiten.
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