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Wenn Panik das Hirn blockiert

19.04.2004  00:00 Uhr
Prüfungsangst

Wenn Panik das Hirn blockiert

von Anke Pfleger, Mainz

Nur wenige Studenten gehen ganz cool in eine Prüfung. Ein bisschen Angst gehört einfach dazu. Bei rund 40 Prozent der Studenten läuft diese natürliche Anspannung aber aus dem Ruder. Schon Tage vor der Prüfung werden sie panisch. Lernen ist dann kaum noch möglich.

Prüfungsangst kann selbst aus Einser-Studenten Wackelkandidaten machen. Je näher der Prüfungstermin rückt, desto schlechter arbeitet die cerebrale Festplatte. Und nicht nur das Abspeichern der Information fällt schwer, in der Prüfung steigt der Adrenalinspiegel und rät zur Flucht, konzentriertes Nachdenken ist dann unmöglich. Auch unter Pharmaziestudenten ist Prüfungsangst ein Thema. Nach einer Untersuchung des Studentenwerks gehören sie zur Hauptrisikogruppe, denn betroffen sind vor allem Studenten der Naturwissenschaften, Wirtschaft und Medizin.

Prinzipiell ist etwas Nervosität vor einer Prüfung ganz normal und sogar notwendig, erläutert Professor Dr. Ursula Luka-Krausgrill von der Psychotherapeutischen Beratungsstelle für Studierende in Mainz. Nervosität versetzt Studenten in erhöhte Aufmerksamkeit und baut den nötigen Druck auf, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. Wenn die hilfreiche Aufregung jedoch die Oberhand gewinnt, wenn Schlafstörungen und gesundheitliche Probleme auftreten, dann braucht der oder die Betroffene Unterstützung. Die Übergänge lassen sich nicht immer eindeutig feststellen. Studenten mit Prüfungsangst können sich sehr schlecht konzentrieren und zeigen ein Vermeidungsverhalten. Sie gehen zum Beispiel nicht mehr zur Uni oder flüchten sich in unwichtige Routinearbeiten. Andere zittern allein schon beim Gedanken an die Prüfung. „Oft gehen diesen Studenten katastrophierende Gedanken durch den Kopf, und ein regelrechtes Angstprogramm startet“, erläutert Luka-Krausgrill. Andere Studenten klagen über starke Kopfschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Schwindelgefühle, Herzstechen, Heißhungerattacken oder Appetitverlust.

Ursachen der Prüfungsangst

Warum haben manche Menschen mehr Angst vor Prüfungen als andere? Meistens spielen mehrere Faktoren eine Rolle, stellt Luka-Krausgrill fest: „Jeder Mensch hat eine individuelle Angstdisposition.“ Diese basiere auf genetischen und auf lerngeschichtlichen Faktoren. Prüfungsangst kann eng mit den Erfahrungen in der Kindheit zusammenhängen. Sind Eltern oder andere Bezugspersonen sehr ängstlich oder stark leistungsorientiert, übernehmen Kinder unbewusst das Verhaltensmuster. Ungerechte Prüfer in der Vergangenheit und negative Reaktionen auf Misserfolg können die Angst verstärken. In der Gesellschaft sind Erfolge wichtig, so dass der Einzelne lernt, sein Selbstwertgefühl in Abhängigkeit von der eigenen Leistung zu definieren. Ebenso flößen unklare Berufsvorstellungen und der Beginn eines neuen Lebensabschnittes vielen Angst ein.

Auslöser für Prüfungsangst kann schon die mangelhafte Vorbereitung auf Klausur, Kolloquium oder Examen sein, sagt Luka-Krausgrill. Hier bestehen oftmals Defizite, was die Einteilung und Strukturierung der Lernphase angehe. Nötige Informationen werden nicht rechtzeitig besorgt, alte Prüfungsfragen sich nicht angeschaut oder nicht rechtzeitig mit dem Lernen begonnen. Studenten, die ihr Studium selbst finanzieren, stehen ebenfalls stärker unter Druck als andere. Paradoxerweise leiden manche aber auch unter den möglichen Folgen einer bestandenen Prüfung. Angst, den danach folgenden Leistungsanforderungen nicht gewachsen zu sein.

Einfluss nehmen

„Wichtig ist es, die Angst zu erkennen und Vermeidungsmodelle zu entwickeln. Ein gutes Zeitmanagement ist sehr hilfreich, um die Angst zu vermindern und in den Griff zu bekommen“, sagt Luka-Krausgrill. Zuerst muss geklärt werden, wie viel Zeit das Lernen in Anspruch nehmen wird. Nicht jeder lernt gleich schnell. Die nötigen Unterlagen müssen rechtzeitig besorgt werden. Es kann auch nicht schaden, sich bei älteren Semestern über Prüfungsanforderungen zu informieren, um die Situation besser einschätzen zu können. Es ist sinnvoll, einen Plan zu entwerfen, der in Abschnitte eingeteilt ist und abgearbeitet wird. Jeder Abschnitt, der erlernt wurde, ist ein kleiner Erfolg, der zum weiteren Lernen motiviert. Auch Pausen sollten von vorneherein eingeplant werden.

Prüfungen sind nicht alltäglich. Damit Studenten die Situation nicht völlig überrascht, können sie Prüfungen simulieren. Das geht auch sehr gut mit Kommilitonen, sagt Luka-Krausgrill. Die Situation löse erst mal Angst aus, aber nach einiger Zeit entstehe ein Gewöhnungseffekt, und die Angst lege sich. Gleichzeitig erhalte man von seinen Mitstudenten auch Rückmeldungen, was gut gelungen oder noch verbesserungsbedürftig ist. Somit lasse sich das Präsentieren von Wissen oder das Reden über einen längeren Zeitraum üben.

Ein anderer Ansatzpunkt sind kognitive Methoden. Vermutungen und Übertreibungen wie „Oh Gott, die Prüfung schaffe ich nie“, erzeugen unnötig Angst und Anspannung. Diese Horror-Vorstellung muss durch eine realistische und adäquate Einstellung ersetzt werden. Studenten, die die psychotherapeutische Beratungsstelle aufsuchen, entwickeln in kleinen Gruppen positivere Ansichten.

„Wichtig ist es, die Aufregung bei Leistungsabfragen oder Referaten zu akzeptieren“, stellt Luka-Krausgrill fest. „Zittert die Stimme während eines Referats oder einer Prüfung, ist das nicht schlimm. Trotzdem kann der Vortrag zu Ende gebracht werden. Deshalb fällt auch niemand durch.“

Entspannen lernen

Entspannungsmethoden können eine weitere Alternative darstellen, um vor Prüfungen ruhiger zu werden und sich besser konzentrieren zu können. Die unterschiedlichsten Formen von Entspannungstechniken haben das Ziel, von negativen und katastrophierenden Gedanken wegzukommen. „Wir bieten die progressive Muskelentspannung in unseren Kursen an“, sagt Luka-Krausgrill. Bei dem Verfahren werden nacheinander verschiedene Muskelgruppen angespannt und allmählich wieder gelöst. Fortgeschrittene spannen mehrere Muskelgruppen gleichzeitig an und koppeln die Übung mit entspannenden Gedanken. Die Technik lasse sich zum Beispiel beim Warten vor dem Prüfungszimmer anwenden, müsse aber vorher geübt werden.

Psychopharmaka sind sicher nicht der richtige Weg, das Problem in den Griff zu bekommen. Nur bei ganz schweren Fällen könnten sie sinnvoll sein, betont Luka-Krausgrill. Und auch Pharmaziestudenten sollten von der Selbsttherapie Abstand nehmen. So können Benzodiazepine absolut kontraproduktiv wirken, weil sie die Leistungsfähigkeit herabsetzen. Wenn Prüfungsangst massive Panikattacken auslöst, Schlafstörungen zur Regel werden und Einzelgespräche keinen Erfolg haben, dann geht es nicht mehr ohne ärztliche Hilfe.

 

Informationen für Betroffene Im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit für die soziale und gesundheitliche Förderung von Studierenden, bieten die Studentenwerke – in Ergänzung der Beratungseinrichtungen der Hochschulen – Psychologische Beratung und Allgemeine Sozialberatung an.

39 Studentenwerke bieten psychologische Beratung für Studierende an. Sie ist für die Studierenden in der Regel unentgeltlich. Die Angebote sind speziell auf die für Studierende typischen Probleme (zum Beispiel Identitätskrisen, Selbstwertzweifel, Ängste oder Depressionen) zugeschnitten. Darüber hinaus geben die Beratungseinrichtungen vielfältige Unterstützung bei der Bewältigung von Arbeitsstörungen und Prüfungsängsten.

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