Aufgaben gemeinsam lösen |
22.09.2003 00:00 Uhr |
PZ: Herr Dr. Pietzner, Sie sind jetzt seit circa zweieinhalb Jahren im Vorstand der BAK und im GFV der ABDA. Wie fühlt man sich da als Krankenhausapotheker?
Pietzner: Wer in solche Funktionen gewählt wird, muss sich darüber klar sein, dass es sich nicht um die Vertretung von Partikular- oder sogar Eigeninteressen handeln kann. Jeder weiß, dass ich Krankenhausapotheker bin. Dies hindert mich nicht daran, überall dort mitzureden, wo es um die Apotheken und die Pharmazie insgesamt geht, und ich trage auch meinen Teil der Verantwortung für die gemeinsame Arbeit in den Gremien.
PZ: Auf diesem Apothekertag haben sich einige Krankenhausapotheker mit sehr heftigen - zum Teil als beleidigend empfundenen - Beiträgen über die Krankenhausversorgung öffentlicher Apotheken zu Wort gemeldet. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Pietzner: Die Wortbeiträge erfolgten in der Debatte über einen Antrag (Antrag "Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken in der ambulanten Versorgung"), den auch ich zumindest in einem Teilansatz als rückwärtsgerichtet gesehen habe. Ich kenne auch keinen Krankenhausapotheker, der die Konstruktion der krankenhausversorgenden öffentlichen Apotheken, mit ihren enormen Wettbewerbsvorteilen gegenüber jeder anderen Apothekenform, wirklich gut findet. Leider haben sich da auch einige Mega-Apotheken herausgemendelt, die groß angelegte Krankenhausversorgung, Altenheimversorgung und Großhandel betreiben. Sie haben alle Arten von Arzneimitteln unter ihrem Dach und können die Patienten ohne Schnittstellenproblematik direkt aus ihrer stationären in ihre ambulante Betreuung überführen und haben bei sich schon alles integriert. Sie haben daher die besten Voraussetzungen, Ausschreibungen jeglicher Art zu gewinnen. Einige werden wohl auch als Versandapotheken tätig werden, was ihnen leicht fallen dürfte. Sie sind auch zum Teil in Verhandlungsgemeinschaften vernetzt.
Wenn man nun bedenkt, dass nach der neuen Gesetzgebung Filialapotheken in benachbarten Kreisen gegründet werden können, die jede für sich, in die benachbarten Kreise hinein, Krankenhausversorgungsverträge schließen können und zumindest in Nordrhein-Westfalen der Begriff benachbart seit neuestem so definiert wird, dass alles versorgt werden kann, was in einer Stunde Fahrzeit erreichbar ist, dann kann man sich ausrechnen, dass eine krankenhausversorgende öffentliche Apotheke zum Beispiel in Bochum mit ihren Filialapotheken eine Region versorgen könnte, die von Bielefeld bis Aachen und von Osnabrück bis Siegen reicht und in der rund zehn Millionen Einwohner wohnen.
Nun ergibt es keinen Sinn, cleveren Leuten vorzuwerfen, dass sie die ihnen gegebenen Möglichkeiten nutzen. Ich habe auch großen Respekt vor den vielen Kollegen aus öffentlichen Apotheken, die ortsnah Krankenhäuser versorgen. Und auch bei den Krankenhausapotheken sind einige Konstruktionen entstanden, die wenig Freude machen.
In Zukunft wird es darum gehen, Einkaufvorteile auf sich zu bündeln. Dies geht nur über Umsatzvolumen und Steuerung des Arzneimitteleinsatzes. Hier haben die großen krankenhausversorgenden öffentlichen Apotheken alle Vorteile auf ihrer Seite.
PZ: Nun bringt die neue Gesetzgebung, so wie sie denn beschlossen wird, auch Änderungen für die Krankhausapotheken. Gibt es hier schon Überlegungen über die möglichen Auswirkungen?
Pietzner: Lassen Sie uns einen Augenblick den Status quo beleuchten. Neben der stationären Versorgung kann die Krankenhausapotheke im Bereich der ambulanten Operationen, der vorstationären und nachstationären Versorgung und bei der Überbrückung von stationär nach ambulant zum Beispiel vor Sonn- und Feiertagen tätig werden und auch Arzneimittel in streng definierten Rahmen mitgeben. Auch die Erstattung über den Pflegesatz ist geregelt. Nach der letzten Änderung vom § 14 Apothekergesetz dürfen Arzneimittel, die in Krankenhausambulanzen und von ermächtigten Ärzten im Krankenhaus angewendet werden, ebenfalls von Krankenhausapotheken geliefert werden.
Hier ergibt sich für die Kostenerstattung ein sehr buntes Bild. Nur in wenigen Fällen gibt es Verträge. Vor kurzem hat eine Krankenkasse, so wird kolportiert, in Nordrhein-Westfalen versucht, herauszufinden, wie Krankenhäuser in diesem Bereich abrechnen. Man soll auf circa 50 verschiedene Modelle gekommen sein. Das würde mich nicht wundern. Die Versuche, einheitliche Regelungen zu finden, sind aus vielerlei Gründen bisher nicht erfolgreich gewesen.
Nun weist das GKV-Modernisierungsgesetz den Krankenhäusern und zum Teil auch den Krankenhausapotheken neue Aufgaben zu. Im Bereich der Integrierten Versorgung, bei den medizinischen Versorgungszentren und den strukturierten Behandlungsformen wird die Krankenhausapotheke wohl keine Rolle spielen. Im Gegensatz zur krankenhausversorgenden öffentlichen Apotheke darf sie ja nur das liefern, was im Krankenhaus angewendet wird. Damit kann man keine Ausschreibung gewinnen. Da kann man sich höchstens mit öffentlichen Apotheken zusammentun. Auch weitere Formen, wie zum Beispiel dann einzuspringen, wenn eine Unterversorgung vorliegt, dürften keine Rolle spielen.
Anders wird es bei der Versorgung nach § 116 b sein, also bei hoch spezialisierten Leistungen, bei Behandlungen seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen. Hier werden in Zukunft zusätzliche Aufgaben auf die Krankenhausapotheke, allerdings auch nur bei der Anwendung der Arzneimittel im Krankenhaus, zukommen. Eine Kostenerstattung kann hier nur stattfinden, wenn entsprechende Verträge bis zum 31. Dezember 2003 geschlossen werden. Einzelne Verträge gibt es bereits. An anderen Stellen werden vom Krankenhausträger Verhandlungen angestrebt. Inwieweit hierbei die DKG oder die Landeskrankenhausgesellschaften eine Rolle spielen können und wollen, ist wohl noch nicht ganz klar. Vertragsentwürfe einzelner Krankenkassenverbände liegen ebenfalls vor, und auch Krankenhausapotheker, zum Teil bevollmächtigt durch ihre Träger, schalten sich ein.
Es besteht also die Gefahr, dass durch die Zersplitterung der Einzelaktivitäten, die zu erzielenden Erlöse sowohl für die Krankenhäuser als auch im Anschluss daran für die öffentlichen Apotheken in den Keller rutschen. Daran sollte niemand, auch die Krankenkassen nicht, mit denen in großer Offenheit fair zu sprechen ist, interessiert sein. Ich freue mich, dass bei allen Beteiligten das Bewusstsein wächst, dass hier eine Aufgabe gemeinsam zu lösen ist.
Vielleicht noch das: Ich glaube, dass ganzheitliche Versorgungsformen in der Medizin eine immer stärkere Rolle spielen werden. Die Arzneimittelversorgung wird folgen. Da werden wir auf Dauer mit Abgrenzungsstrategien nicht weiterkommen. Wir werden neue intelligente Lösungsvorschläge brauchen.
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