Wenig warme Worte |
02.10.2000 00:00 Uhr |
Die Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer kam nicht zum Apothekertag, um ihren Gastgebern Honig um den Bart zu schmieren. In den meisten Punkten unterscheiden sich ihre Vorstellungen von den Reformen im Gesundheitswesen erheblich von denen der Apotheker.
Auf konkrete Aussagen, inwieweit sich die anstehenden Veränderungen auf die Apotheker auswirken werden, wollte sich die Ministerin in ihrer Rede zur Eröffnung des Deutschen Apothekertages nicht einlassen. Statt klare Positionen zu beziehen, forderte sie immer wieder die Selbstverwaltung auf, Regelungen zu erarbeiten. Sie wolle erst dann gesetzgeberisch eingreifen, wenn die Selbstverwaltung einen konsensfähigen Vorschlag liefere.
Dies gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln über das Internet. Das neue Medium sei zu dynamisch, um heute eine verlässliche Prognose über die Entwicklung des E-Commerce abzugeben, sagte Fischer. Zurzeit sei der Vertrieb von Arzneimitteln über das Netz mit erheblichen Risiken behaftet. Doch langfristig werden die Verbraucher entscheiden, ob sie Arzneimittel lieber in einer Online-Apotheke bestellen wollen.
Die Ministerin forderte die Apotheker auf, sich mit eigenen Konzepten diesem Wettbewerb zu stellen. Prinzipiell sei der E-Commerce mit dem Endverbraucher nicht ausgeschlossen. Sie lud die Apotheker ein, in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Bundesgesundheitsministerium über die Erfahrungen mit Versandhandel via Internet in den angelsächsischen Ländern zu diskutieren.
Bei Budgets und integrierter Versorgung liegt die Ministerin weit von der Position der Apotheker entfernt. So sieht Fischer in den Budgets kein untaugliches Instrument zur Ausgabensteuerung. In vielen Regionen hätten die Kassenärzte gezeigt, dass eine ausreichende Arzneimittelversorgung auch im vorgegebenen finanziellen Rahmen möglich sei.
Der Selbstverwaltung warf sie vor, die Budgets nicht rechtzeitig anzupassen. Im Gesetz sei eine Anpassung an neue Entwicklungen ausdrücklich vorgesehen. Es sei nicht die Schuld der Regierung, wenn Krankenkassen und Ärzte dies nicht umsetzen.
In der integrierten Versorgung sieht die Ministerin einen Weg, die verschiedenen Leistungsbereiche im Gesundheitssystem besser aufeinander abzustimmen. Mit dem Modellcharakter der Versorgungsform ist sie nicht zufrieden. Mittelfristig soll die integrierte Zusammenarbeit in die Regelversorgung übernommen werden. Welche Versorgungsformen - integrierte oder konventionelle - sich durchsetzen, solle in einem "Wettbewerb um Qualität" entschieden werden.
Die Ministerin ließ keinen Zweifel daran, dass dies auch Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung, vor allem auf die Trennung ambulant und stationär haben werde. Die strikte Trennung verunsichere den Kranken. Viele Patienten seien irritiert, wenn sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus andere Medikamente erhalten als zuvor.
Uneingeschränktes Lob erhielten die Apotheker für ihre Initiative zur neuen Versichertenkarte 2000plus. Die Apotheker hätten sich einer großen Herausforderung gestellt und seien auf dem richtigen Weg.
Mit dem Fortschritt in der medizinischen Telematik allgemein ist die Ministerin nicht zufrieden. Sie sei die wesentliche Basis für Transparenz im Gesundheitswesen. Zurzeit würden Daten an zahlreichen Stellen gesammelt, aber nicht zusammengeführt. Das Transparenzgesetz der Regierung, mit dem dieser Zustand verbessert werden sollte, wurde von der Opposition gekippt.
Fischer kündigte einen zweiten Anlauf für ein Transparenzgesetz an. Sie verspricht sich von dem Gesetz eine wesentliche Erleichterung, Wirtschaftlichkeitsreserven und qualitative Mängel im System aufzuspüren. Fischer: "Nur so kann eine optimale Steuerung der GKV erreicht werden."
Trotz der angekündigten Veränderungen gibt Fischer den Apothekern eine gute Chance, weiterhin eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen einzunehmen. Das von ABDA-Präsident Hans-Günter Friese angekündigte Internetportal der Apotheker und die Initiative Versichertenkarte 2000plus zeige, dass der Berufsstand Lösungen für Zukunftsthemen finde.
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