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Zöliakie

Strategien der Arzneistoff-Forscher

03.04.2018  16:27 Uhr

Von Sven Siebenand / Das A und O in der Zöliakie-Behandlung wird aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren die glutenfreie Ernährung bleiben. Wissenschaftler arbeiten aber an verschiedenen therapeutischen Ansätzen. In der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon« stellt Dr. Gregor Fuhrmann von der Universität des Saarlandes sie vor.

Schätzungsweise 1 Prozent der europäischen Bevölkerung leidet unter der Auto­immunerkrankung Zöliakie. Bei den Betroffenen reagiert die Dünndarmschleimhaut überempfindlich auf das Klebereiweiß Gluten, das in vielen Getreidesorten vorkommt. Die Folge ist eine chronische Entzündung mit Zerstörung des für die Nährstoffaufnahme so wichtigen Darmepithels. Patienten mit Zöliakie sollten daher auf Produkte mit glutenhaltigen Getreidesorten verzichten.

 

Zugelassene Medikamente für die Zöliakie-Behandlung gibt es bislang keine, Wissenschaftler verfolgen bei den experimentellen therapeutischen Ansätzen jedoch mehrere interessante Strategien. Eine davon hat zum Ziel, das Vorhandensein toxischer Glutenpep­tide, die die Autoimmunreaktion auslösen, zu verhindern. Zu diesem Zweck wurde ein wasserlösliches Polymer ­(BL-7010) entwickelt, das im Magen-Darm-Trakt unlösliche, nicht resorbierbare Komplexe mit Gluten bildet. Die toxische Wirkung von Gluten auf Darmzellen wird somit umgangen. Untersuchungen zeigen, dass sich diese Komplexierung günstig auf Permeabilität und Entzündung der Darmschleimhaut auswirkt. BL-7010 befindet sich in Phase I/II der klinischen Erprobung.

 

Auch die Gabe von exogenen Enzymen hat das Ziel, das Anfluten toxischer Glutenpeptide zu reduzieren, indem Gluten verstärkt gespalten wird. Getestet werden sogenannte Gluten­asen, meist prolinspezifische Endopeptidasen (PEP), die eine hohe Aktivität gegen Gluten zeigen. Zwei solcher Enzymsysteme befinden sich in klinischen Studien (Phase IIa): ALV003 und AN-PEP.

 

Target Zonulin

 

Schon weiter in der klinischen Erprobung (Phase II/III) ist man beim Zonulin-Rezeptor-Antagonisten Larazotid­acetat. Die Substanz soll die bei Zöliakie gelockerten Tight Junctions (TJ) im Darm regulieren. Die erhöhte trans­zelluläre Durchlässigkeit kommt durch die Öffnung der TJ zustande. Über das körpereigene Protein Zonulin werden die TJ geöffnet. Larazotidacetat unterbindet das. Zu bedenken ist, dass Zonulin-Rezeptor-Antagonisten hauptsächlich die transzelluläre Glutenpassage reduzieren, Gluten kann weiterhin auch para­zellulär die Darmwand überwinden.

 

Der Wirkstoff Elafin verfolgt einen ganz am Anfang der Entwicklung stehenden Therapieansatz zur Hemmung der transzellulären Glutenpassage: Der Serinprotease-Hemmer soll den natürlichen Zonulin-Spiegel regulieren und zudem proinflammatorische Prote­asen in ihrer Aktivität hemmen und damit das Entzündungsgeschehen reduzieren.

 

Wie bei anderen Autoimmunerkrankungen wird auch bei Zöliakie nach Therapien gesucht, die die überschießende Immunantwort regulieren sollen. Unter anderem werden zwei gegen das Interleukin-15 (IL-15) gerichtete Anti­körper bei Gluten-Unverträglichkeit getestet, da bekannt ist, dass IL-15 eine bedeutende Rolle in der Patho­genese der Zöliakie spielt.

 

Eine Interferenz mit der Immun­antwort ist auch das Ziel von Transglutaminase-Hemmern und HLA-Blockern. Das Enzym Gewebetransglutaminase sorgt dafür, dass die Affinität von Antigen-präsentierenden Zellen gegen Glutenpeptide erhöht ist. Die Hemmung dieses Enzyms ist daher ein logischer therapeutischer Ansatz. Bindung und Erkennung von Glutenpeptiden auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen werden über das humane Leukozytenantigen (HLA) vermittelt. HLA-Blocker sollen diese Interaktion verhindern und stellen damit einen weiteren therapeutischen Ansatz bei Zöliakie dar. Klinische Studien mit Vertretern dieser beiden Wirkstoffklassen laufen noch nicht.

 

Wurmkur mal anders

 

Last but not least gibt es Versuche, die Immuntoleranz wiederherzustellen. Klinische Studien laufen bereits. Beispielsweise versucht man es mit einer Vakzinierung, die die Patienten gegen Gluten immunisieren soll (Nexvax2). Eine andere Methode ist die Desensitivierung durch Fadenwürmer. Dabei werden ­Betroffene per Injektion mit Larven des Amerikanischen Hakenwurms (Necator americanus) infiziert. Die Würmer siedeln sich im Darm an und produzieren offenbar Stoffwechselprodukte, die sich positiv auf die Glutenverträglichkeit auswirken. Eine kleine Studie zeigte erste positive Ergebnisse. Patienten konnten nach der Wurmkur wieder mehr glutenhaltige Speisen vertragen als vorher. Alle Probanden lehnten nach der Studie übrigens eine anthelminthische Kur ab, weil sie den Wurm nicht wieder loswerden wollten. / 

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