In der Apotheken-Welt ist viel Dynamik |
Jennifer Evans |
28.07.2021 16:00 Uhr |
Die Anforderungen an die Apotheke vor Ort haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Der neue FIP-Report stellt die internationalen Trends vor. / Foto: Adobe Stock/831days
Das Umfeld der stationären Apotheken ist ständig in Bewegung, weil sich die Gesundheitssysteme und die Bedürfnisse der Kunden überall auf der Welt verändern, immer mehr Technologie Einfluss auf die Arbeit der Pharmazeuten nimmt und die Patienten zunehmend mehr Verantwortung für ihre Medikation übernehmen wollen. Ziel des neuen Reports der International Pharmaceutical Federation (FIP) ist es, Trends in der Branche zu identifizieren, um die Apothekerschaft möglichst gut auf die Zukunft vorzubereiten sowie mögliche Defizite schneller zu erkennen. Die Daten für die aktuelle Auswertung sammelte der Weltapothekerverband zwischen November 2020 und Januar 2021 in 79 Ländern rund um den Globus.
Seit dem letzten Report dieser Art aus dem Jahr 2016 ist nicht nur die Apothekendichte weltweit durchschnittlich um 12,1 Prozent gestiegen, sondern auch die Anzahl der Apotheken um 11,2 Prozent jeweils auf 10.000 Einwohner gerechnet. Allerdings zeigt die neue Erhebung auch deutlich, dass der Zugang zu Offizinen nicht überall gleich leicht ist, vor allem in einkommensschwachen Ländern. Und dadurch entstehen Gefahren für die Gesundheit der Patienten. »Ein schlechter Zugang zur Apotheke vor Ort kann zum Problem werden, wenn die Medikamenteneinnahme und die entsprechende pharmazeutische Beratung zeitkritisch sind, um einen verantwortungsvollen Gebrauch des Arzneimittels sicherzustellen«, sagte Lars-Åke Söderlund, der beim FIP für die Entwicklung der Offizinen und Klinikapotheken zuständig ist.
Insbesondere Länder in Afrika, Südost-Asien sowie Gegenden im Bereich des östlichen Mittelmeers berichten den Autoren zufolge häufiger darüber, nicht verschreibungspflichtige Präparate außerhalb ihrer stationären Apotheken und somit höchstwahrscheinlich ohne professionale Beratung sowie Qualitätsgarantie zu verkaufen. In einigen afrikanischen und südostasiatischen Regionen kommt es außerdem vor, dass in einer Offizinen gar kein Apotheker arbeitet. Nach Söderlunds Angaben gilt die Anzahl der Pharmazeuten jedoch generell als ein Motor dafür, mehr Dienstleistungen und eine bessere Versorgung anzubieten.
Die Studie hatte ermittelt, dass im Durchschnitt 8,54 Apotheker auf 10.000 Einwohner kommen. Den Schnitt östlich des Mittelmeers treibt übrigens Ägypten in die Höhe. Dort gibt es 13,69 Pharmazeuten gemessen an derselben Einwohnerzahl. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 6,31. Insgesamt haben einkommensschwache Länder eine sechzigmal geringere Dichte an Pharmazeuten als Staaten mit einem hohen Einkommen. In Vollzeit arbeiten in allen Ländern, die der Report unter die Lupe genommen hat, insgesamt gut 1,8 Millionen Apotheker aktiv in der Offizin. Pro Betrieb sind das 1,88 Pharmazeuten. Allerdings ist das Personal auf der Welt ungleich verteilt: In Europa und anderen Staaten mit hohem oder mittleren Einkommen ist die Pharmazeutendichte seit dem letzten Report gestiegen, wohingegen sie in den einkommensschwachen Ländern gesunken ist. 71 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass der Eigentümer einer Apotheke bei ihnen nicht zwangsweise ein Pharmazeut sein muss.
Global sieht es derzeit so aus, dass in mehr als 50 Prozent der Apotheken Produkte für die Notfallverhütung abgegeben werden dürfen. In ebenso vielen dürfen Apotheker für chronisch Kranke Wiederholungsrezepte ausstellen. Leistungen wie Notdienste bieten Betriebe in 68 Prozent der untersuchten Länder an, Heimversorgung in 54 Prozent und einen Medikationscheck gibt es in 51 Prozent der Apotheken. Und 54 Prozent der Apotheker dürfen Erste-Hilfe-Aufgaben übernehmen. Ein abgeschlossener Raum für Beratungen ist in 23 der befragten Länder gesetzlich vorgeschrieben, in 46 Ländern ist lediglich ein abgetrennter Bereich im Verkaufsraum eine verpflichtende Anforderung.
Was die Vergütungsmodelle betrifft, dominiert nach wie vor das produktbezogene Honorar in 57 Prozent der befragten Länder. Die geringe Anzahl an servicebasierten Vergütungen im internationalen Vergleich ist Söderlund ein Dorn im Auge. Seiner Ansicht nach bremst diese Situation das Angebot neuer pharmazeutischer Dienstleistungen aus. Der FIP will daher verstärkt für den Wert solcher Services werben und vor allem mit Blick auf dessen Vergütung den verantwortlichen Entscheidern auf die Füße treten.