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RSV-Prophylaxe

Impfstoffe sind da, Empfehlung noch nicht

Erstmals kann in diesem Herbst gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) geimpft werden. Zusätzlich bietet ein neuer Antikörper Säuglingen Schutz. Doch ohne STIKO-Empfehlung bleiben die neuen Prophylaxeoptionen wohl erst mal Selbstzahlerleistungen. Fachgesellschaften fordern jetzt Senioren zur RSV-Impfung auf.
Elke Wolf
Christina Hohmann-Jeddi
20.11.2023  11:00 Uhr

Bei der Prophylaxe von RSV-bedingten Atemwegserkrankungen ist man in diesem Jahr ein großes Stück weitergekommen: Seit diesem Herbst stehen erstmals Impfstoffe zum Schutz zur Verfügung. So wurde Anfang Juni Arexvy® von GSK zur Immunisierung von Personen ab 60 Jahren zugelassen, im August folgte Abrysvo® von Pfizer mit einer Zulassung sowohl für Senioren als auch für Schwangere. Und auch der monoklonale Antikörper Nirsevimab (Beyfortus® von Astra Zeneca/Sanofi) zur passiven Immunisierung von Säuglingen in ihrer ersten RSV-Saison steht seit September in Deutschland zur Verfügung.

Die Erwartungen an die neuen RSV-Prophylaktika sind groß – gleichwohl ist für diese Saison noch nicht mit einer Empfehlung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) zu rechnen, machte Professor Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen und Sprecher der STIKO-Arbeitsgruppe zu RSV, bei einem Pressebriefing des Science Media Centers im September deutlich. Man brauche mehr Zeit und Daten, um die neuen Arzneimittel und den Nutzen ausreichend beurteilen zu können. Unter anderem modelliere man derzeit, wie sich RSV-Impfungen auf die Verbreitung des Atemwegserregers auswirken, und stelle Kosten-Nutzen-Analysen für verschiedene Risikogruppen an.

 

Meldepflicht für RSV

Allzu präsent sind noch die RSV-bedingten Klinikbelastungen des vergangenen Winters durch die hohen Infektionszahlen sowohl bei den ganz jungen als auch bei den älteren Patienten. Privatdozentin Dr. Nicole Töpfner von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Dresden verwies auf die DAK-Sonderanalyse, nach der sich im letzten Quartal 2022 die Klinikbehandlungen von Neugeborenen und Säuglingen mit RSV-Infektionen im Vergleich zum Winter 2018 verfünffacht hatten. »Hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik bedeutet das, dass allein Ende 2022 etwa 17.000 Neugeborene und Säuglinge nur aufgrund dieses einen Virus mit schweren Atemwegsinfektionen im Krankenhaus und mit einem Anstieg um das 350-Fache auf den Intensivstationen behandelt wurden«, schilderte sie eindrücklich. Bis zum Ende der Saison hätten rund 44.000 RSV-Kinder stationär aufgenommen werden müssen.

Auch was die Situation der Erwachsenen betrifft, gibt es Zahlen. Im Juni teilte das Robert-Koch-Institut geschätzte Zahlen zum damaligen Infektionsgeschehen mit. Danach seien in Deutschland ab November 2022 rund 12.800 Erwachsene RSV-bedingt stationär behandelt wurden, davon knapp 3000 intensivmedizinisch. Mittlerweile brachte die Bundesregierung eine Meldepflicht für RSV-Erkrankungen auf den Weg – was der STIKO helfen soll, belastbare Daten zum Ausmaß des Infektionsgeschehens zu sammeln.

Fachärzte raten zur Impfung

Derweil weisen aktuell elf deutsche medizinische Fachgesellschaften und Institutionen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in einem gemeinsamen Positionspapier darauf hin, dass RSV-Infektionen nicht nur für Neugeborene und Säuglinge gefährlich werden können, sondern auch für Senioren und chronisch Kranke. Letztere sollten sich mit einer Impfung vor schweren Verläufen der Infektion schützen.

In dem Papier heißt es: »Wir empfehlen eine Anwendung der Impfung bei Personen im Alter ab 60 Jahren. Darüber hinaus empfehlen wir nach individueller Beratung den Einsatz der Impfung bei Erwachsenen jeden Alters mit schweren pulmonalen oder kardiovaskulären Vorerkrankungen und bei Erwachsenen mit einer deutlichen Einschränkung der Immunabwehr.«

Vor allem in den Wintermonaten treten RSV-Infektionen gehäuft auf. »In den Kliniken beobachten wir eine vergleichbare Krankheitslast und Sterberate wie bei Lungenentzündungen nach Influenza- oder Pneumokokken-Infektionen. Besonders gefährdet sind auch Menschen mit bösartigen Blutkrebserkrankungen wie Leukämie oder Multiples Myelom«, erklärt Professor Dr. Martin Witzenrath, federführender Autor des Positionspapiers und Direktor der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, in einer Mitteilung. Er warnt zudem vor dem Risiko schwerer Folgeerkrankungen, die durch eine RSV-Infektion ausgelöst werden können, wie kardiovaskuläre Ereignisse.

Ohne STIKO-Empfehlung sind die Kosten für die Immunisierung in der Regel privat zu tragen. Eine Kostenübernahme könne aber auch individuell – nach Absprache mit dem behandelnden Arzt – bei der zuständigen Krankenkasse beantragt werden, heißt es.

Nestschutz für die Kleinen

»Die schwersten Erkrankungen haben sicherlich Säuglinge unter sechs Monaten«, sagte Professor Dr. Bernhard Resch; Neonatologe von der Medizinischen Universität Graz. Er verwies auf die RSV-bedingte Bronchiolitis in den winzigen Atemwegen. Das Risiko für einen schweren Verlauf steige dabei mit vulnerablen Lungen, neonatalem Intensivaufenthalt, chronischen Lungenerkrankungen und Herzfehlern. Bei Hochrisikokindern reiche zudem der Schutz durch die bisherige passive Immunisierungsmöglichkeit im ersten Lebensjahr nicht aus: Frühgeborene und Immunsupprimierte sowie neuromuskulär erkrankten Kindern könnten auch im zweiten Lebensjahr noch schwer an einer RSV-Infektion mit Hospitalisierung erkranken. Pandemiebedingt waren in den vergangenen zwei Jahren gar noch ältere Kinder betroffen.

Zum Schutz von Risikokindern gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren den gut wirksamen monoklonalen Antikörper Palivizumab (Synagis®). Allerdings muss er fünfmal während einer Saison (alle vier Wochen) injiziert werden. Hier bietet der neu zugelassene Antikörper Nirsevimab einen großen Fortschritt, da eine Einmalgabe zur Immunisierung ausreicht. Der neue Antikörper ist zudem für alle Säuglinge zugelassen, während Palivizumab nur für Risikokinder indiziert ist.

Noch frühere RSV-Prävention bietet die neue Vakzine Abrysvo, die als Einmalgabe zwischen der Schwangerschaftswoche 24 und 36 verabreicht werden soll. Geimpfte Schwangere geben nach dem Prinzip des Nestschutzes die gebildeten Antikörper an ihr ungeborenes Kind weiter, wodurch dieses nach der Geburt für etwa sechs Monate vor RSV-bedingten Erkrankungen geschützt ist.

Eine maternale Impfung schütze nur reif geborene Kinder, da bei vor der 36. Woche geborenen Kindern der Antikörpertransfer über die Plazenta zu gering ausfalle, gab Reschzu bedenken. Die Bereitschaft für Impfungen sei bei Schwangeren auch nicht stark ausgeprägt. Seiner Ansicht nach könnte es in Zukunft sinnvoll sein, die beiden Prophylaxeansätze, die nicht zu 100 Prozent schützten, zu kombinieren, also Schwangere gegen RSV zu impfen und Frühgeborene zusätzlich mit Antikörpern zu immunisieren.

Warum braucht man überhaupt eine maternale Impfung, wenn man eine passive Immunisierung hat? Laut Resch sei eine maternale Impfung die natürlichste Form, einen Immunschutz bei Neugeborenen zu erreichen. Denn ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche gehen eine Reihe von Antikörpern von der Mutter auf das Kind über und erzeugen bei diesem nach der Geburt einen vorübergehenden Nestschutz gegen verschiedene Infektionskrankheiten. Bei Grippe und Pertussis werde das Prinzip der maternalen Impfung schon erfolgreich angewendet. Ein Vorteil sei auch, dass die übertragenen Antikörper polyklonal und nicht monoklonal seien und der erzeugte Schutz etwas besser ausfalle.

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