Im Alter individuell behandeln |
Regelmäßige moderate Bewegung gehört zu den wichtigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen und wirkt sich zudem günstig auf den Blutdruck aus. / Foto: Adobe Stock/De Visu
Von hochbetagten Personen spricht man ab dem 85. Lebensjahr. 1991 lebten in Deutschland knapp 1,2 Millionen Hochbetagte. Bis 2019 hat sich die Zahl verdoppelt auf 2,4 Millionen (1). Etwa 18 Millionen Menschen sind älter als 65. Schon deshalb sollte der »altersgerechten« Behandlung der Hypertonie besondere Beachtung geschenkt werden.
Bluthochdruck (Hypertonie) ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die wiederum die häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter (35 bis 36 Prozent) sind (2). Kann man diesen Risikofaktor minimieren, indem man den Blutdruck konsequent bis ins hohe Alter senkt? Ganz so einfach lässt sich das nicht beantworten, denn es sind individuelle Parameter zu berücksichtigen. In den neuen Auflagen der Leitlinien zur Behandlung der Hypertonie werden Lebensalter, Begleiterkrankungen, Nierenfunktion, Lebensumstände, Polymedikation und andere Faktoren berücksichtigt und damit eine individuell angepasste Therapie empfohlen.
Die Hypertonie-Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) (3) in der 2018 aktualisierten Version ist die wichtigste Leitlinie in Deutschland (und Europa), die zu Therapie und Management der Hypertonie herangezogen wird. Weiterhin zu beachten sind die S3-Leitlinie »Hausärztliche Risikoberatung zur kardiovaskulären Prävention« und die Nationale Versorgungsleitlinie Hypertonie (geplante Fertigstellung 09/2022).
In weiteren Leitlinien zu verwandten Erkrankungen wie der ESC-Pocket-Guideline »Chronisches Koronarsyndrom«, Version 2019 (4), gibt es Verweise beziehungsweise spezielle Therapieempfehlungen zur Behandlung einer Hypertonie im Kontext der jeweiligen Erkrankung. Dies gilt auch für die S2k-Leitlinie »Erkrankungen der Nierenarterie«.
Auffällig ist, dass es keine Leitlinien zur Hypertonie-Behandlung speziell für Menschen im höheren Lebensalter und für hochaltrige Menschen gibt. Dies ist verwunderlich, da etwa zwei Drittel der über 65-Jährigen an Bluthochdruck leiden (5).
Die Definition einer Hypertonie hat sich gegenüber der Leitlinienversion 2013 nicht verändert: Systolische Blutdruckwerte (SBD) größer/gleich 140 mmHg und diastolische Blutdruckwerte (DBD) größer/gleich 90 mmHg gelten als Hypertonie. Die Diagnose ist definiert »als das Blutdruckniveau, bei dem der Nutzen einer Behandlung eindeutig deren Risiken überwiegt« (3, S. 10).
Im Gegensatz dazu wurden die Diagnosekriterien in der US-Leitlinie (2017) auf eine Grenze von 130/80 mmHg herabgesetzt, was zu intensiven Diskussionen geführt hat und zeigt, dass es unterschiedliche Bewertungen des Risikos durch Bluthochdruck gibt. Nach Meinung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie gibt es zu wenig epidemiologische und klinische Daten, die diese Verschärfung der Definition rechtfertigen (6).
Die Definition einer Hypertonie gilt für alle Personen ab 16 Jahren. Die in Tabelle 1 genannten Blutdruckwerte beziehen sich auf die sogenannte Praxisblutdruckmessung im Sitzen. Es gibt keine differenzierte Definition für Menschen über 65 und Hochaltrige. Übrigens: In der ESC-Leitlinie wird die Altersgruppe der »sehr alten« Patienten ab 80 Jahren definiert, was von der Eingruppierung des statistischen Bundesamts der »Hochbetagten« ab 85 Jahren abweicht.
Kategorie | Blutdruck systolisch (mmHg) | mit | Blutdruck diastolisch (mmHg) |
---|---|---|---|
optimal | < 120 | und | < 80 |
normal | 120 bis 129 | und/oder | 80 bis 84 |
hochnormal | 130 bis 139 | und/oder | 85 bis 89 |
Hypertonie Grad 1 | 140 bis 159 | und/oder | 90 bis 99 |
Hypertonie Grad 2 | 160 bis 179 | und/oder | 100 bis 109 |
Hypertonie Grad 3 | ≥ 180 | und/oder | ≥ 110 |
Isolierte systolische Hypertonie | ≥ 140 | und | < 90 |
► Die häufigste Form im Alter ist die isolierte systolische Hypertonie (ISH) mit einer Prävalenz über 75 Prozent bei den über 70-Jährigen. Sie ist definiert als erhöhter systolischer Blutdruck mit normalen oder niedrigen diastolischen Werten (Tabelle 1). Die große Blutdruckamplitude entsteht bei zunehmender arterieller Gefäßsteifigkeit und erhöhter Reflexion der Druckwelle.
Die Blutdruckmessung ist eine sehr wichtige, kostengünstige, schnelle und nichtinvasive Methode zur Diagnostik der Hypertonie. Man unterscheidet die Praxisblutdruckmessung, die ambulante Langzeitmessung und Eigenmessungen (zu Hause).
Die beiden Letzteren werden auch als »Out-of-Office«-Messungen bezeichnet und können/sollten zusätzlich zur Diagnosestellung herangezogen werden. Damit wird der »Goldstandard« der Praxismessung als alleiniges Kriterium verlassen, um eine präzisere Diagnostik zu ermöglichen. Die Praxishypertonie oder eine maskierte Hypertonie können so einfacher entdeckt werden.
Regeln für die Praxisblutdruckmessung sind:
Viele Ärzte stufen die Praxisblutdruckmessung in der beschriebenen Form als schwer umsetzbar im oft hektischen Alltag ein. Die Folge sind Fehldiagnosen durch eine »Weißkittel-Hypertonie«. Daher sind gemäß Leitlinie Out-of-Office-Messungen zur Diagnosestellung unbedingt hinzuzuziehen.
Die Messung sollte mit qualifizierten Messgeräten und immer einige Tage vor einem Praxisbesuch morgens und abends, am besten mit je zwei Messungen, erfolgen. »Zwischendurch-Messungen« haben wenig Aussagekraft.
Hier haben Apotheker eine wichtige Rolle. Sie sollten den Patienten am besten schon beim Kauf eines Blutdruckmessgeräts zum richtigen Vorgehen anleiten. Die Regeln für die Praxismessung können größtenteils auch zu Hause umgesetzt werden. Ein übersichtlich gestalteter Blutdruckpass hilft bei der Dokumentation.
Die Out-of-Office-Methoden können sehr gut durch die Messung in der Apotheke ergänzt werden. Da ein Bluthochdruck »nicht weh tut«, sind das Screening oder Gelegenheitsmessungen in der Apotheke sehr wertvoll bei der Hypertonie-Erkennung und werden in der ESC-Leitlinie empfohlen (Empfehlungsgrad I). Die Apotheken sind für viele Menschen aller Altersgruppen eine erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen.
Insbesondere hochbetagten Menschen kann das Apothekenteam helfen, wenn sie die häusliche Messung nicht mehr optimal umsetzen können. Hochbetagte sollten sich einige Tage hintereinander morgens und abends den Blutdruck in der Apotheke messen und dokumentieren lassen.
Eine den aktuellen Leitlinien angepasste Dokumentation der Blutdruckmessung und in der Apothekenpraxis erprobte Unterstützung bieten die »Informationsbögen Blutdruck« der ABDA. Es gibt zwei Bögen, die sich nach den Zielgruppen richten und für Personen mit bestehendem sowie ohne bekannten Bluthochdruck vorliegen (7). Die Bögen führen sehr gut durch die dreimalige Messung, wobei der Mittelwert der zweiten und dritten Messung als Berichtswert verwendet wird. Ein Ampelschema mit kurz und prägnant formulierten Maßnahmen gibt eine praxisnahe Hilfestellung, den ermittelten Wert zu interpretieren. Der Patient hat damit eine kompakte Dokumentation für sich selber und/oder den nächsten Arztbesuch. Die ABDA bietet ebenfalls eine Arbeitsanweisung zur korrekten Blutdruckmessung an, die sich auch zur Schulung der Mitarbeiter als qualitätssichernde Maßnahme heranziehen lässt (8).
Eine einzelne Blutdruckmessung ist nur eine Momentaufnahme. Dagegen liefert die Langzeitmessung den Durchschnitt der Blutdruckwerte über meist 24 Stunden. Alle 15 bis 30 Minuten wird ein Wert ermittelt und die Mittelwerte sowohl für den Tag als auch für die Nacht berechnet. Da die Out-of-Office-Methoden im Schnitt niedrigere Werte zeigen als die Praxisblutdruckmessung, gelten auch niedrigere Grenzwerte für die Diagnose (Tabelle 2).
Art der Blutdruckmessung | Blutdruck (mmHg) systolisch und/oder | diastolisch |
---|---|---|
Praxisblutdruck | ≥ 140 | ≥ 90 |
Langzeitblutdruck | ||
• Mittelwert tagsüber | ≥ 135 | ≥ 85 |
• Mittelwert nachts | ≥ 120 | ≥ 70 |
24-Stunden-Mittelwert | ≥ 130 | ≥ 80 |
häusliche Messung | ≥ 135 | ≥ 85 |
Grundsätzlich ist die Blutdruckmessung am Oberarm zu bevorzugen. Dabei ist auf eine korrekt sitzende Manschette zu achten. Viele ältere Patienten haben einen geringen Armdurchmesser, der eine kleinere Manschette erfordert. Stark Adipöse brauchen eine weitere Manschette. Bei der Auswahl eines präzisen Messgeräts hilft das Siegel der deutschen Hochdruckliga. Diese zertifiziert nur Geräte, die bei zusätzlichen unabhängigen Messungen die ausreichende Präzision gezeigt haben (Liste unter www.hochdruckliga.de).
Die Messung am Handgelenk ist fehleranfällig. Patienten müssen daher genau wissen, wie sie korrekt vorgehen sollen. / Foto: Adobe Stock/Aleksandra Suzi
Geräte zur Messung am Handgelenk gibt es ebenfalls mit dem Siegel der Hochdruckliga. Dieses Vorgehen wird jedoch nur empfohlen, wenn die Messung am Oberarm schwierig für den Patienten und eine regelmäßige häusliche Messung erwünscht ist.
Die Fehlermöglichkeiten sind größer als bei der Messung am Oberarm. Häufig ist die Manschette nicht korrekt angelegt. Ist sie zu locker, werden zu hohe Blutdruckwerte gemessen. Ist sie zu klein und zu schmal (übergewichtige Personen haben häufig kräftige Handgelenke), so wird der systolische Blutdruck falsch niedrig gemessen und der diastolische Blutdruck falsch hoch. Da die Blutdruckmessung auf »Herzhöhe« stattfinden soll, legen viele Patienten den Arm auf der Lehne des Stuhls ab; diese ist meist zu hoch, sodass falsch niedrige Werte gemessen werden.
Im Gegensatz zu den Diagnosekriterien haben sich die Kriterien zum Start einer medikamentösen Therapie und die Zielblutdruckwerte geändert.
Die neue Leitlinie und die SPRINT-Studie (9) empfehlen bereits eine Therapie bei hochnormalem Blutdruck, wenn der Patient ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko oder kardiovaskuläre Erkrankungen hat. Ein sehr hohes Risiko liegt zum Beispiel vor, wenn der Patient Diabetes mellitus mit Endorganschäden hat, signifikante Plaques nachweisbar sind oder eine klinisch relevante kardiovaskuläre Erkrankung über Wochen und Monate, zum Beispiel akuter Myokardinfarkt oder akutes Koronarsyndrom, oder eine schwere chronische Nierenerkrankung vorliegen.
Bei einer Hypertonie Grad 1 mit hohem oder sehr hohem Risiko wird ebenfalls sofort eine medikamentöse Therapie empfohlen (Altersgruppe 18 bis 79 Jahre). Hat der Patient keine weiteren Risiken, zum Beispiel renale Erkrankungen, wird zunächst für drei bis sechs Monate eine Blutdrucksenkung durch Lebensstiländerung versucht. Diese Interventionen sollten immer beibehalten werden; die medikamentöse Therapie ist kein Ersatz dafür.
► Bei Patienten ab 80 Jahren soll eine medikamentöse Therapie erst ab einem Wert von 160 mmHg (Grad 2) begonnen werden, wobei das biologische Alter (Gebrechlichkeit, Organfunktionen) entscheidend ist. Bei diastolischen Werten über 90 mmHg startet die Therapie unabhängig vom Alter.
Auch die Empfehlungen für die Zielblutdruckwerte in der neuen Leitlinie berücksichtigen nun das Lebensalter:
Mit diesen Zielwerten erreicht man das niedrigste Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder schwere chronische Niereninsuffizienz. Besonders Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom profitieren von einem Therapiebeginn bereits bei hochnormalen Werten. Daher ist die Bewertung des gesamtkardiovaskulären Risikos besonders wichtig. Dieses steigt bei linksventrikulärer Hypertrophie, chronischer Niereninsuffizienz Stadium 3 und/oder Diabetes deutlich an.
Gerade im Alter ist eine gute Verträglichkeit der Blutdruckmedikation wichtiger als die Einhaltung strenger Werte. / Foto: Adobe Stock/fizkes
Die gute Verträglichkeit der Arzneimitteltherapie hat jedoch Vorrang vor den anzustrebenden Zielwerten. Auch Toleranz und Adhärenz des Patienten werden berücksichtigt. Eine stärkere Senkung wird häufig mit mehr Nebenwirkungen »erkauft«, was dazu führt, dass Patienten eigenständig Tabletten weglassen oder die Medikamente unregelmäßig einnehmen. Daher wird ein »schlechterer« Zielwert akzeptiert, wenn dafür die Adhärenz und damit regelmäßige Tabletteneinnahme gesichert sind.
Neu sind auch die unteren Grenzen der Blutdrucksenkung, da dauerhafte Werte unter 120/70 mmHg sogar das Risiko für kardiovaskulären Tod oder Herzinsuffizienz erhöhen.
► Diese neuen Sichtweisen führen zu einer individualisierten Therapie, die besonders der Verträglichkeit eine sehr hohe Priorität einräumt. Nur wenn Patienten ihre Pharmakotherapie akzeptieren und vertragen, werden sie sie dauerhaft befolgen. Die Adhärenz ist wichtiger, selbst wenn die Zielblutdruckwerte damit höher als gewünscht liegen.
Wie schon in der ESC-Leitlinie 2013 werden auch 2018 fünf Haupt-Substanzklassen empfohlen:
Alle Arzneistoffe aus diesen Substanzklassen senken nachweislich den Blutdruck, reduzieren kardiovaskuläre Ereignisse und senken die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Die Arzneistoffe sind weitestgehend längerfristig bewährt, verfügbar und wirksam. Dennoch wird die Hypertonie weltweit als nicht ausreichend kontrolliert bis unkontrolliert bewertet.
Dies liegt an der sogenannten Behandlungsträgheit (das heißt: eine Therapieintensivierung versagt) und der schlechten Adhärenz der Patienten bei komplexer Pharmakotherapie (3, Seite 35). Die Motivation, eine komplexe Medikation täglich und regelmäßig korrekt einzunehmen, ist nachweislich umso geringer, je größer die Anzahl der Tabletten ist.
Daher empfehlen die Autoren der Leitlinie eine einfache und pragmatische Pharmakotherapie (Tabelle 3).
Stufe | Arzneistoffkombination | Zahl der Tabletten | Besonderheiten |
---|---|---|---|
Initial: Zweifachkombination | ACE-Hemmer oder Sartanplus Calciumkanalblocker oder Diuretikum | 1 | Monotherapie bei Niedrigrisiko-Patienten sowie sehr alten oder gebrechlichen Patienten |
Stufe 2: Dreifachkombination | ACE-Hemmer oder Sartanplus Calciumkanalblockerplus Diuretikum | 1 | |
Stufe 3: Dreifachkombination plus Spironolacton oder anderer Arzneistoff | Stufe 2 plusSpironolacton (25 bis 50 mg/d)oder anderes Diuretikum oder Alphablocker oder Betablocker | 2 | resistente Hypertonie, eventuell Überweisung an spezialisiertes Zentrum |
Dieses Therapieregime erscheint kompliziert. Eine Medikationsanalyse in der Apotheke kann eventuell Abhilfe schaffen. / Foto: Adobe Stock/Printemps
Großer Wert wird auf Kombinationsarzneimittel gelegt, die die Adhärenz nachweislich verbessern und inzwischen in sehr vielen Stärken zur Verfügung stehen. Apotheker können bei der Analyse von Medikationsplänen solche Vereinfachungen (»single-pill combination«) vorschlagen.
Initial (Stufe 1) werden zwei Arzneistoffe in einer Kombinationstablette empfohlen. Bei ungenügender Blutdruckkontrolle wird auf eine Dreifachkombination umgestellt und gegebenenfalls auf Stufe 3 eskaliert. Auch bei älteren Patienten folgt man diesem Basisschema, beginnt aber mit einer Monotherapie nach dem Motto »Start low and go slow« und unter besonderer Berücksichtigung der Verträglichkeit.
► Die Blutdrucksenkung wird nicht um jeden Preis durchgesetzt, denn sie birgt bei älteren und multimorbiden Patienten potenziell Nebenwirkungen wie erhöhte Sturzgefahr, Nierenversagen und Risiko für Nierenschäden, Frakturen, Hyper- und Hypokaliämie, Hypotension und Synkopen.
In einer Metaanalyse (10) wurden mehr als 50 Studien im Hinblick auf Nebenwirkungen ausgewertet. Der primäre Endpunkt war die Sturzhäufigkeit, da man dieses Risiko bisher als limitierend für die Intensität einer antihypertensiven Therapie angesehen hat. Die Metaanalyse zeigte keine Korrelation zwischen Therapie und erhöhter Sturzgefahr oder Frakturen. Dafür traten akute Nierenschäden, Hyper- und Hypokaliämien, Hypotension und Synkopen deutlich häufiger auf.
Das sollte dazu führen, dass der Arzt eine individualisierte blutdrucksenkende Pharmakotherapie unter Berücksichtigung insbesondere der Nierenleistung auswählt. Bei Niereninsuffizienz muss möglicherweise die Dosis gesenkt oder häufiger der Kaliumspiegel kontrolliert werden, um Hyperkaliämien, beispielsweise bei der Kombination von ACE-Hemmern und kaliumsparenden Diuretika, rechtzeitig zu erkennen. Apotheker sollten bei der Auswahl der Arzneistoffe darauf hinweisen, dass bei einer Hyperkaliämie ACE-Hemmer oder Sartane nicht empfehlenswert sind.
In der Leitlinie (3) sind weitere Therapiealgorithmen je nach Begleiterkrankungen, zum Beispiel für Koronare Herzkrankheit (KHK), Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und chronische Niereninsuffizienz, dargelegt. Diese sind nach den gleichen Regeln wie die dargestellte Basistherapie aufgebaut, um eine möglichst einfache und praktikable Pharmakotherapie zu ermöglichen.
Eine weitere Handlungshilfe gibt der Therapiealgorithmus bei chronischer Niereninsuffizienz, die gerade bei älteren Patienten häufig Anwendung findet. Die Nierenleistung nimmt physiologisch mit dem Alter ab. Eine Hypertonie verschlechtert zusätzlich die Nierenleistung. Wenn dann noch ein Arzneimittel eingesetzt wird, das das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System beeinflusst, ist eine sich beschleunigende Niereninsuffizienz unausweichlich. Daher sind bei älteren Patienten das Wirkstoffprofil und die individuelle Dosierung zu berücksichtigen.
Böse Folge einer zu starken Blutdrucksenkung / Foto: Adobe Stock/Christian Delbert
Die Therapiestrategie bei gleichzeitig bestehender KHK und Hypertonie sieht ebenfalls drei Stufen vor, wobei fixe Arzneistoffkombinationen in einer oder maximal zwei Tabletten bevorzugt werden. Die Therapie startet mit einer Zweifachkombination; es folgt eine Dreifachkombination als Stufe 2 und schließlich bei resistenter Hypertonie die Dreifachkombination plus Spironolacton (oder anderem Diuretikum, Alphablocker oder Betablocker). Bei der KHK werden initial Kombinationen aus ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor-Blocker plus Betablocker oder Calciumantagonist favorisiert. In dieser ersten Stufe sind auch Kombinationen aus Calciumantagonist oder Betablocker jeweils plus Diuretikum empfohlen. Die Kombination mit Betablockern wird bei KHK bevorzugt.
In der Leitlinie gibt es weitere speziell empfohlene Kombinationen bei weiteren Komorbiditäten wie Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz.
Alle fünf Substanzklassen senken nachweislich äquivalent den Blutdruck sowie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Ihre Nebenwirkungsprofile sowie besondere absolute und relative Kontraindikationen führen jedoch zu einer patientenindividuellen Auswahl.
Typische Nebenwirkungen der ACE-Hemmer sind Hyperkaliämie, trockener Reizhusten, Verschlechterung der Nierenfunktion, angioneurotisches Ödem, Exanthem, Pruritus und Geschmacksstörungen. Daraus leiten sich einige Kontraindikationen ab, zum Beispiel beidseitige Nierenarterienstenose sowie schwere Leberinsuffizienz.
Die Gruppe der Angiotensinrezeptor-Blocker gilt als besser verträglich im Vergleich zu ACE-Hemmern. Hier treten hauptsächlich Nebenwirkungen wie Hyperkaliämie und Verschlechterung der Nierenfunktion auf. Die Kontraindikationen sind identisch wie bei ACE-Hemmern mit Ausnahme des angioneurotischen Ödems, wo Sartane eingesetzt werden können.
Typische Nebenwirkungen der Thiazide und Thiazid-artigen Diuretika sind Hypokaliämien, Magnesium- und Chlorid-Verluste sowie Dehydratation durch vermehrte Ausscheidung. Dazu kommen eine verminderte Glucosetoleranz, Harnsäure- und Calciumretention sowie gelegentlich allergische Reaktionen.
Calciumkanalblocker: Bei der Subgruppe der Dihydropyridine (Amlodipin, Felodipin, Lercanidipin, Nifedipin) treten besonders Kopfschmerzen, Knöchelödeme, Flush und Schwindel auf. Es besteht die Gefahr der Verschlimmerung von Angina-pectoris-Zuständen. Für die Subgruppe der Nicht-Dihydropyridine (Diltiazem, Verapamil) sind besonders Bradykardie, AV-Blockaden und Obstipation zu berücksichtigen.
Für alle Betablocker gilt, dass Bradykardien, AV-Block und sinuatriale Blockade auftreten können. Ein sinuatrialer Block ist eine Herzrhythmusstörung, die durch eine Verzögerung oder Unterbrechung der Erregungsleitung vom Sinusknoten zur Vorhofmuskulatur entsteht. Bei einem vorgeschädigten Herz kann dies zur Bewusstlosigkeit führen. Eine Herzinsuffizienz kann sich verschlechtern. Hinzu kommen Bronchokonstriktion, Kältegefühl an den Extremitäten, Müdigkeit, Sedierung und Beeinflussung des Glucosestoffwechsels. In Summe können die möglichen Nebenwirkungen die Adhärenz im Vergleich zu anderen Antihypertensiva verschlechtern. Die Kontraindikationen sind unbedingt zu beachten, denn in der Vergangenheit wurden zum Beispiel Asthmapatienten auch Betablocker verordnet, was zu starken Neben- und Wechselwirkungen geführt hat.
Foto: Adobe Stock/Markus Mainka
Auch wenn das erklärte Ziel eine einfache, gut umsetzbare antihypertensive Therapie ist, so sehen Apotheker im Alltag häufig komplizierte Therapieregime. Bei älteren Patienten bietet sich dann eine Medikationsanalyse an, die auch in der aktuell veröffentlichten Leitlinie »Hausärztliche Leitlinie Multimedikation« ausdrücklich erwünscht ist (11). Ziel ist es, durch Kombinationsarzneimittel und Reduktion der Einnahmehäufigkeit einfach umsetzbare Medikationspläne zu erreichen.
Bei der pharmazeutischen Betreuung des Patienten ist die begleitende regelmäßige Blutdruckmessung ein wichtiges und lohnenswertes Thema. Wichtig zu vermitteln: Sinnvoll und aussagekräftig sind nur regelmäßige Messungen morgens und abends, am besten immer sechs bis sieben Tage hintereinander, sodass im Blutdruckpass ein Verlauf dokumentiert ist. Das unterstützt den Arzt bei der Beurteilung der medikamentösen Therapie.
► Bei hochbetagten Patienten, die mit einer Selbstmessung nicht mehr zurechtkommen, kann eine regelmäßige Messung, zum Beispiel immer morgens, in der Apotheke sinnvoll sein.
Wenig aussagekräftig sind unregelmäßige Einzelmessungen, die den Patienten eher verunsichern. Dagegen sind Einzelmessungen im Rahmen eines Screenings durchaus sinnvoll, da sie für das Thema Bluthochdruck sensibilisieren. Sie können ein erster Hinweis sein, für eine präzise Diagnostik einen Arzt aufzusuchen.
Einen hohen Evidenzgrad haben Lebensstilinterventionen. Dabei zählt jede noch so kleine Maßnahme hin zu einer gesunden Lebensweise. Das Apothekenteam soll den Patienten dazu motivieren und positiv bestärken.
Für den Patienten lohnt sich der Einsatz: Lebensstiländerungen senken den Blutdruck so wirksam, dass man dadurch eine medikamentöse Therapie bei einer Hypertonie Grad 1 hinauszögern kann. Ab einer Hypertonie Grad 2 oder einem hohen kardiovaskulären Risiko ist die Änderung des Lebensstils immer begleitend sinnvoll. Langfristig können Arzneimittel geringer dosiert oder eine niedrigere Behandlungsstufe erreicht werden. Evidenzbelegte Interventionen sind:
Natürlich lassen sich nicht alle Maßnahmen umsetzen, schon gar nicht kurzfristig. Die Kunst ist es, den Patienten zu motivieren, sich die eine oder andere Maßnahme vorzunehmen. Jede Veränderung, die beibehalten wird, zählt und verringert das kardiovaskuläre Risiko. Die Apotheke kann als valide, uneigennützige und vertrauensvolle Anlaufstelle dienen.
Ilsabe Behrens erhielt 1990 die Approbation als Apothekerin und wurde 1996 promoviert. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ihrer mehr als 20 Jahre langen Offizintätigkeit war die Betreuung von Menschen mit Diabetes. Parallel widmete sich Dr. Behrens den Themen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, zunächst in einer großen Apotheke in Hamburg, dann in pharmazeutischen Unternehmen. Derzeit übt sie in einem Pharmaunternehmen die Tätigkeit als Qualified Person gemäß § 14 AMG aus und leitet die operative Qualitätssicherung.