Illegale Online-Apotheken auf dem Vormarsch |
Melanie Höhn |
13.02.2025 15:30 Uhr |
Die mit der EU-Fälschungsrichtlinie verbundene Hoffnung, illegale Angebote im Internet durch die im Online-Versandhandel obligatorisch gewordenen Sicherheitsmerkmale zurückzudrängen, hat sich laut der Studie nicht erfüllt. / © IMAGO/Connect Images
Die in den Jahren 2014 bis 2016 erarbeitete Studie »ALPhA« des Forschungsverbunds um Professor Arndt Sinn, Direktor des Zentrums für Europäische und Internationale Strafrechtsstudien (ZEIS) und Lehrstuhlinhaber an der Universität Osnabrück, hatte ergeben, dass zahlreiche Lifestyle-Medikamente über illegale Online-Apotheken angeboten werden.
Fast ein Jahrzehnt später haben die Autoren die Forschung wieder aufgenommen, um zu beleuchten, wie sich der Markt illegaler Angebote zur Behandlung von erektiler Dysfunktion im Zusammenhang mit Internetapotheken entwickelt hat. Die Studie wurde in der Zeitschrift »Die Polizei« veröffentlicht. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kam es allein darauf an, die Angebote über Internetpräsenzen auszuwerten, ohne dass die angebotenen Produkte selbst einer Prüfung unterzogen wurden.
Während der Durchführung der Studie konnte laut der Studienautoren beobachtet werden, dass auch acht Jahre nach den Forschungsarbeiten zu Arzneimittelkriminalität die Betreiber illegaler Angebote die gleichen illegalen Methoden zur Produktwerbung erfolgreich einsetzen und teilweise um Verschleierungstechniken erweitert haben.
Wie bereits im Projekt »ALPhA«, sei auch im Rahmen dieser Studie für die technische Umsetzung die Grundannahme getroffen worden, dass Angebote für illegale Arzneimittel im Internet von potenziellen Kunden zunächst gefunden werden müssen, bevor sie wahrgenommen werden können. Auch heute geschehe dies nach wie vor insbesondere über Webseiten mit konkreten Angeboten, durch eingeblendete Werbung, aber auch beispielsweise über Spam-E-Mails.
Für die automatisierte Erfassung von entsprechenden Angeboten im Internet sei deshalb ein Webcrawler eingesetzt worden, dessen Vorgehensweise einem potenziellen Kunden nachempfunden wurde, der auf Basis von Schlüsselwörtern Anfragen an verschiedene Suchmaschinen stellt. Für die resultierenden Suchtreffer sei dann eine weitestgehend automatisierte Vorabeinschätzung darüber vorgenommen worden, ob die gefundenen Webseiten rezeptpflichtige Medikamente zur Behandlung von erektiler Dysfunktion tatsächlich illegal anbieten. Hiermit sollte die anschließend durchgeführte detaillierte manuelle Auswertung der Suchtreffer unterstützt werden.
Die Untersuchung ergab, dass 82 auffällige Online-Shops rezeptpflichtige Medikamente zum Versand nach Deutschland anbieten, ohne das EU-Versandhandelslogo zu führen und im Versandhandelsregister eingetragen zu sein. 67 dieser Anbieter (82 Prozent) verlangen kein Rezept. 15 der Internetpräsenzen (etwa 18 Prozent) sehen unterschiedliche Verfahren zur Rezeptausstellung vor. Die Mehrheit der Shops (63 Prozent) hostet ihre IP-Adressen in den USA, meist über Cloudflare, was die Identifikation laut Forschungsverbund erschwert.
Weitere Hosting-Standorte seien Großbritannien, Panama, Russland und verschiedene EU-Länder, wobei Deutschland und die Niederlande die meisten Hosts in der EU stellen. Keiner der Shops erfülle die strengen rechtlichen Voraussetzungen für den Versandhandel nach Deutschland, was die Sicherheit des Online-Versandhandels gefährde, kritisieren die Studienautoren. Nur theoretisch sei ein Versand aus den Niederlanden nach Deutschland möglich, jedoch würden auch diese Anbieter die erforderlichen Sicherheitsstandards nicht erfüllen.
Die Kurzstudie lässt laut der Studienautoren den Schluss zu, dass die mit der Fälschungsrichtlinie verbundene Hoffnung, illegale Angebote im Internet durch die im Online-Versandhandel obligatorisch gewordenen Sicherheitsmerkmale zurückzudrängen, sich nicht erfüllt hat. Die Angebote seien zahlreich vorhanden.
Der illegale Markt scheine weiterhin attraktiv zu sein, weil sich die begünstigenden Faktoren nicht geändert hätten: eine undurchsichtige Rechtslage, niedriger Kontrolldruck, geringes Entdeckungsrisiko und hohe Gewinnmargen. Allerdings sei auffällig, dass die Qualität der Seiten sehr unterschiedlich ist. Teilweise würden die Seiten sehr modern, übersichtlich und vertrauenerweckend gestaltet, andererseits fänden sich auch zahlreiche Seiten, die aggressiv werbend auf den Verbraucher wirken sollen.
Zudem habe sich unter den auffälligen Seiten keine befunden, die den Eintrag in das Versandhandelsregister und das berechtige Benutzen des EU-Logos vorgetäuscht habe. »Das lässt den Schluss zu, dass diese Sicherheitsmerkmale für die Betreiber der Seiten keine Rolle spielen. Vielmehr setzen sie auf einen schnellen Zugang zur Seite, vertrauenswürdige Textgestaltung, täuschende FAQ, einen effektiven Bestellvorgang sowie Phantasiesiegel«, erklärte das Forschungsteam.
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) listet jedes EU-Land die dort ansässigen legalen Arzneimittelhändler in einem Register auf – in Deutschland liege dieses Versandhandels-Register beim BfArM.
»Apotheken, die hier erfasst sind, erkennt man an einem entsprechenden Sicherheitslogo. Das EU-Logo ist verpflichtend und muss von allen Apotheken und sonstigen Einzelhändlern gut sichtbar auf ihren Webseiten angezeigt werden, wenn sie Versandhandel mit Humanarzneimitteln über das Internet betreiben«, schreibt das BfArM auf seiner Webseite. Über den Klick auf dieses Logo könne jeder leicht prüfen, ob ein Anbieter nach dem jeweiligen nationalen Recht über das Internet Arzneimittel vertreiben darf, die zur Anwendung am Menschen bestimmt sind. Wer das Logo anklicke, rufe damit den zugehörigen Registereintrag mit den Angaben zum Versandhändler auf. Darüber erfahre man unter anderem die Kontaktdaten des Anbieters.
Immer wieder kommt es laut BfArM vor, dass illegale Internet-Versandapotheken das Logo des Instituts zu irreführenden Werbezwecken auf ihren Internetseiten verwenden. Gegen diese missbräuchliche Verwendung gehe das BfArM konsequent rechtlich vor.